Es gibt Probleme, die Nationalstaaten selbst lösen können. Eine Pandemie gehört nicht dazu. Um das Coronavirus effektiv zu bekämpfen, braucht es internationale Organisationen wie die WHO sowie die Zusammenarbeit von Regierungen beim Informationsaustausch, bei der Bereitstellung von Schutzausrüstung und der Entwicklung neuer Arzneimittel.

Das gilt auch für die tiefe Wirtschaftskrise, die durch die Gegenmaßnahmen ausgelöst wurde und kein Land der Welt verschonen wird. Auch hier sind gegenseitige Abstimmung und Solidarität nötig, damit sich nach Eindämmung der Pandemie auch die Weltkonjunktur wieder erholt.

Die Corona-Krise sollte dem zuletzt angeschlagenen Multilateralismus eigentlich neuen Auftrieb geben. Doch bisher ist das Gegenteil der Fall. Jedes Land geht eigene Wege, kämpft selbstsüchtig um Masken und Schutzbekleidung und schottet sich sogar von befreundeten Staaten ab.

In der EU ist seit Ausbruch der Pandemie von Gemeinsamkeit wenig zu spüren.
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Dazu trägt US-Präsident Donald Trump mit seinen nationalistischen Instinkten am meisten bei. Er sucht die Schuld für das Versagen seiner Regierung bei China, den Europäern, der WHO – nur nicht bei sich selbst. Aber Trump steht nicht allein. China nutzt seinen Erfolg in der Eindämmung der Pandemie für eine Propagandakampagne, die gegen den Westen gerichtet ist. Russland verbreitet gefährliche Falschmeldungen über die sozialen Medien.

Weltgemeinschaft

Auch in der EU ist seit Ausbruch der Pandemie von Gemeinsamkeit wenig zu spüren. Geschlossene Grenzen, gestoppte Maskenlieferungen, gegensätzliche nationale Strategien und eine an den Rand gedrängte EU-Kommission: Die Corona-Krise erweist sich bisher als Rückschlag für die europäische Integration.

An dem sind nicht nur unfähige Politiker schuld. Die EU hat kaum gesundheitspolitische Kompetenzen erhalten und kann sie nicht spontan an sich reißen. Und Menschen, die Schutz suchen, wenden sich instinktiv an ihre Regierungen, nicht an entfernte Institutionen. Wenn nicht einmal die deutschen Bundesländer gemeinsam vorgehen oder Wien und das Burgenland an einem Strang ziehen können, wie kann man das von Staaten erwarten?

Doch Faktum bleibt, dass das Virus nur besiegt werden kann, wenn die Weltgemeinschaft zusammensteht. Die Wissenschafter, die intensiv an Therapien und Impfungen arbeiten, tun das schon auf beeindruckende Weise. Allerdings ist zu befürchten, dass bei der Produktion und Verteilung eines zukünftigen Impfstoffs wieder die nationalen Reflexe dominieren werden und es etwa nicht gelingen wird, das medizinische Personal weltweit als Erstes zu versorgen.

Manchen Regierungen ist das Problem bewusst. 23 Staaten haben sich in der von Deutschland geführten "Allianz für Multilateralismus" hinter die WHO gestellt. Auch Österreich sollte diesen Solidaritätsappell unterschreiben.

In Hollywood-Katastrophenfilmen finden die gepeinigten Staaten zum Schluss meist zusammen. Ein solches Happy End ist auch in der Corona-Tragödie noch möglich. (Eric Frey, 17.4.2020)