Die ÖBB bäumt sich in der Coronakrise auf, der Schwund an Fahrgästen und Gütertransporten lässt die Einnahmen schmelzen.

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Wien – ÖBB-General Andreas Matthä und sein Finanzchef Arnold Schiefer suchten den Bedarf an Finanzhilfen für die Bundesbahn am Freitag klein zu reden. Größenordnungen lieferte das ÖBB-Holding-Duo bei Vorlage der Konzernbilanz 2019 nicht. Es handele sich nicht um klassische Corona-Staatshilfen, die ÖBB-Personenverkehr und Rail Cargo Austria (RCA) bräuchten, beteuerte Schiefer in einer Telefonkonferenz. Vielmehr gehe es um Änderungen in den Verkehrsdienstverträgen mit Bund, Ländern und Gemeinden.

Linien- und Fernverkehre seien erst Mitte März eingebrochen, daher könne man den Ausfall noch nicht beziffern. Die kolportierten Zahlen seien "aus der Luft gegriffen", sagte Schiefer. Gegenüber den Eigentümervertretern wurde – DER STANDARD berichtete exklusiv –, deutlich Konkreteres entriert. Demnach summiert sich der Bedarf allein für die beiden Absatzgesellschaften, ÖBB-Personenverkehr und Rail Cargo Austria (RCA), auf jeweils rund 250 Millionen Euro. Im Finanzministerium hingegen wurde bis dato lediglich Gesprächsbedarf avisiert.

Gemeinwirtschaftliche Leistungen

Klar ist, dass beide Absatzgesellschaften bei den Gemeinwirtschaftlichen Leistungsabgeltungen Federn lassen werden, weil weniger Fahrgäste und Güter transportiert werden. Die 2019 um 3,07 Prozent auf 1,144 Milliarden Euro gestiegene Abgeltung für Pendlerzüge und Postbusfahren durch Bund, Länder und Gemeinden scheint heuer illusorisch, ebenso die 83,3 Millionen an Förderung für Gefahrenguttransporte und Einzelwagenverkehr der RCA.

Der Bund erhöhte die Abgeltung für das Grundangebot an Personenzügen übrigens um 5,85 Prozent auf 756 Millionen Euro, also deutlich stärker als die Länder und trug damit maßgeblich zur Umsatzsteigerung im Personenverkehr bei. Nicht zu vergessen: Die aus dem Familienlastenausgleichsfonds finanzierten Schüler- und Lehrlingsfahrten scheinen im Leistungsbericht seit Jahren nicht mehr auf. Diese mindestens 350 Millionen Euro werden als Markterlöse verbucht, weil von der öffentlichen Hand bestellt.

Um zu sparen, könnten die alten S-Bahn-Triebzüge noch länger durch Wien und Niederösterreich fahren.
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Zur Einordnung: Der Umsatz des ÖBB-Personenverkehrs stieg im Vorjahr um 3,62 Prozent auf 2,13 Milliarden Euro, jener des Güterverkehrs ging um 0,64 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro zurück. Der zuletzt gestiegene Transport von Konsumgütern kann die seit dem Vorjahr anhaltenden Rückgänge bei Automotive (minus 80 Prozent), Stahl (minus 50 Prozent) und Rohstoffen bei weitem nicht egalisieren. Die Lage ändere sich täglich, sagt Schiefer, inzwischen fahre die ÖBB wieder mehr Linienverkehre, um den Berufsverkehr aufrecht zu erhalten, allerdings mit deutlich weniger Fahrgästen. Deren Zahl sei um 80 Prozent eingebrochen.

Geld für Züge statt für Fahrgäste

Dieser Entwicklung tragen die für zehn Jahre abgeschlossenen Verkehrsdienstverträge mit den Bundesländern (außer Wien, Niederösterreich, Burgenland, läuft bis Dezember) nicht Rechnung, denn sie orientieren sich an der Zahl der Fahrgäste, Pünktlichkeit und Qualität. Ziel ist nun, auf die Zahl der gefahrenen Personenzüge umzuspuren, um zumindest die Fixkosten abgegolten zu bekommen. Zuletzt waren rund 3300 statt 4400 Züge auf Schiene, das sind 75 Prozent des Normalverkehrs an Werktagen.

Das führt notgedrungen zu Mindererlösen in dem für Bahnbau- und Betrieb zuständigen Teilkonzern ÖBB-Infrastruktur. Denn neben ÖBB-Personenverkehr, Landes- und Privatbahnen haben auch die RCA und deren private Konkurrenz Rückgänge im Gütertransport zu gewärtigen, was die Erlöse aus Schieneninfrastrukturbenützungsentgelt (rund 400 Mio. Euro pro Jahr) ebenso schrumpfen lässt wie den Bahnstrom-Umsatz (im Vorjahr 1,8 Milliarden Euro).

Länger mit alten Zügen fahren?

Sparen könnte man auch durch eine Verschiebung von Triebfahrzeuganschaffungen, so das ÖBB-Management. Zudem plädieren Matthä und Schiefer für eine Senkung der Schienenmaut (nützt vor allem der RCA) – sonst drohe Gefahr, dass der Straßengüterverkehr nach der Corona-Krise die Schiene abhänge. Das wäre kontraproduktiv in der Klimakrise, warnt Matthä. (ung, 17.4.2020)