Die Corona-Fallzahlen halten sich auf niedrigem Stand, die Geschäfte sind zum Teil wieder geöffnet, selbst die Museen sollen Mitte Mai wieder ihre Türen öffnen. Wenig Wunder, dass sich viele die Frage stellen: Wann gibt es wieder regulären Unterricht? Eine Einordnung.

Frage: Jetzt haben schon erste Geschäfte offen. Wann sind eigentlich die Kindergärten und Schulen dran?

Antwort: Da muss zuerst ein wenig Wortklauberei betrieben werden – offiziell sind derzeit nämlich weder Schulen noch Kindergärten geschlossen. Es geht nur kaum jemand hin. Zunächst galt, dass jedenfalls Eltern, die "beruflich unabkömmlich" sind, ihre Kinder weiter zur Betreuung außer Haus schicken können – Ärztinnen und Ärzte etwa oder Angestellte im Lebensmittelhandel. Drei Wochen später wurde zumindest rhetorisch nachgeschärft: Es sei "keine Schande", wenn man es daheim mit den Kindern nicht mehr aushalte, befand da der Kanzler und erklärte, die Bildungseinrichtungen könnten auch nur tageweise besucht werden. Alles Weitere soll erst Ende April entschieden werden.

Frage: Wie viele Kinder gehen momentan überhaupt in Österreich in die Schule?

Antwort: Mit den teilweisen Geschäftsöffnungen hat sich nach Ostern zwar die Zahl der Schülerinnen und Schüler verdreifacht – allerdings sind es österreichweit immer noch nur knapp ein Prozent der Sechs- bis 14-Jährigen, also rund 6600 Kinder. Auch in den Kindergärten sind die Zahlen überschaubar, also auf ähnlich niedrigem Niveau. Beispiel Wien: In den städtischen Kindergärten werden normalerweise rund 33.400 Kinder betreut, zuletzt waren es rund 600.

Noch sind die Schulen mehr oder weniger leer. Ob das bis zum Sommer so bleiben soll, darüber gehen die Meinungen auseinander.
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Frage: Aber erste Länder haben doch schon wieder mit dem Unterricht gestartet. Wie geht das?

Antwort: In Dänemark wurde vergangenen Mittwoch in Kindergärten, Volksschulen und Maturaklassen mit dem Hochfahren des Betriebs begonnen – zumindest in einem Teil der Bildungseinrichtungen. In der Hauptstadt Kopenhagen waren es immerhin 35 Prozent der Schulen. Allerdings haben trotz Schulpflicht nicht alle Familien ihre Kinder hingeschickt. Norwegen zieht nach: Am Montag wird mit den Kindergärten gestartet, eine Woche später folgen die ersten bis vierten Schulstufen.

Frage: Warum fangen die nordischen Länder ausgerechnet mit den Jüngsten an?

Antwort: In Dänemark startet man die Wiedereröffnung des Landes überhaupt von der anderen Seite – zuerst die Bildungseinrichtungen, dann die Geschäfte. Die Logik dahinter: Nur so können Eltern wieder ihrer Arbeit nachgehen. Außerdem geht man davon aus, dass junge Kinder auch jüngere Eltern haben – und die damit nicht zur Hauptrisikogruppe zählen. Auch die sozialen Folgen des abrupten Unterrichtsstopps will man damit rasch abfedern.

Frage: Soziale Benachteiligungen mittels Rückkehr zum Unterricht abzufedern wäre doch auch für Österreich ein gewichtiges Argument?

Antwort: Mit der Umstellung auf Distance-Learning wurde jedenfalls eine ganze Reihe von Kindern und Jugendlichen von den Lehrkräften nicht mehr erreicht. Erste Zahlen aus dem Bildungsministerium sprachen von 6,8 Prozent der Sechs- bis 14-Jährigen. Eine Umfrage des Bildungsnetzwerks "Teach for Austria" unter 200 Unterrichtenden an sogenannten Brennpunktschulen kam gar auf 20 Prozent der Kinder, zu denen sie mit Stand Ende März den Kontakt verloren hatten. Mittlerweile habe sich die Situation verbessert, heißt es aus dem Bildungsressort. Jetzt geht man davon aus, dass österreichweit rund drei Prozent der Schülerinnen und Schüler den Anschluss verloren haben.

Frage: Wie wird jetzt versucht, die Kinder zu erreichen, die beim Fernunterricht weggebrochen sind?

Antwort: Solange die Schulen im Notbetrieb funktionieren, setzt Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) auf Computerverleih. Ganze 12.000 Geräte will man jenen zur Verfügung stellen, die mangels technischer Ausstattung am Heimunterricht scheitern. Allerdings wendet man sich mit diesem Angebot in erster Linie an Bundesschulen, also AHS und BHS. Bei den Pflichtschulen sind die Länder gefordert, der Bund hat jetzt immerhin seine Unterstützung angeboten, etwa mittels Zugriff auf kostenlose Datenpakete und Gratis-SIM-Karten.

Frage: Technik allein wird das Problem aber nicht lösen, oder?

Antwort: Zunächst wurden die Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen aktiviert – vor allem zum Telefondienst. Außerdem will der heurige Sommer für Bildungsarbeit genutzt werden: Der Bildungsminister denkt an ein Sommerschulangebot, um schwächeren Schülerinnen und Schülern einen leichteren Start ins neue Schuljahr zu ermöglichen. Die Idee ist nicht ganz neu: Sie findet sich schon im türkis-grünen Regierungsprogramm. Offen blieb bisher, wer dann eigentlich im August unterrichten soll. Bei Pädagoginnen und Pädagogen setzt man offenbar auf freiwilliges Engagement, sonst hat man Lehramtsstudierende ins Auge gefasst.

Frage: Warum nicht einfach die Ferien vorziehen, und im Spätsommer beginnen alle gleichzeitig mit der Schule?

Antwort: Diese Idee fand offenbar bei Wirtschaftstreibenden wenig Anklang. Irgendjemand muss schließlich auf Urlaub fahren. Während die Schulen also in den Osterferien offen hatten, bleiben sie über den Sommer wohl zu: "Wir sind eine Bildungsinstitution und keine Freizeitbetreuungsinstitution", erklärte dazu der Bildungsminister.

Gefährden wir mit den Schulschließungen die Zukunft unserer Kinder? Darüber diskutierten diese Woche bei "STANDARD mitreden" der Public-Health-Experte Martin Sprenger, die Wiener Schuldirektorin Martina Dedic und die Intensivmedizinerin Barbara Friesenecker.
DER STANDARD

Frage: Gehen wir davon aus, dass die Schule noch vor dem Sommer wieder Fahrt aufnimmt: Wie kann das konkret aussehen?

Antwort: Hier sprießen die Ideen – von Experten unterschiedlichster Fachrichtungen, Eltern in unterschiedlichsten Lebenssituationen und natürlich von den Lehrkräften selbst. Da ist vom Schülerschichtwechsel (vormittags, nachmittags) die Rede, auch tageweise die Klassengruppen einzuteilen ist vorstellbar. Weniger realistisch scheint ein wochenweiser Wechsel, weil man im Bildungsministerium der Ansicht ist, dass eine solche Pause die Kontinuität von Schule erst recht wieder durchbreche.

Frage: Gut, und wer darf dann zuerst wieder in der Klasse Platz nehmen?

Antwort: Im Fall der Fälle, also wenn die Corona-Fallzahlen niedrig genug bleiben, will man im Bildungsministerium neben den Maturanten (siehe letzte Frage) mit den so genannten Schnittstellenklassen beginnen. Damit sind etwa Volksschulkinder auf dem Sprung zur weiterführenden Schule oder Jugendliche kurz vor der Oberstufe gemeint. In Dänemark war die Zeit im Klassenzimmer am ersten Schultag übrigens recht kurz: Der Unterricht fand weitgehend im Freien statt. Das war einigen Eltern dann auch wieder nicht recht: zu kalt!

Frage: Gibt es überhaupt handfeste wissenschaftliche Evidenz, wie sich der Schulbetrieb auf die Corona-Infektionszahlen auswirkt?

Antwort: Diese Frage ist unter Experten umstritten. Fakt ist, dass sich durch den Schulbetrieb die Zahl der Sozialkontakte und damit auch das Infektionsrisiko erhöht. Die wissenschaftliche Evidenz freilich ist dünn: Für eine neue Überblicksstudie im Fachblatt The Lancet haben Forscher 616 Studien zum Thema Infektionskrankheiten und Schulen ausgewertet, nur 16 davon waren brauchbar. Die ausgewerteten Modellrechnungen im Zusammenhang mit Covid-19 ergaben, dass Schulschließungen zwei bis vier Prozent der Todesfälle verhindern. Das sei also eine Maßnahme, die eher wenige Auswirkungen auf das Pandemiegeschehen habe, wird gefolgert.

Frage: Was ist bei den Schulöffnungen aus epidemiologischer Sicht zu beachten?

Antwort: Entscheidend ist auch hier, die Übertragungswahrscheinlichkeit und die Zahl der Kontakte niedrig zu halten. Das gelingt naturgemäß in Maturaklassen leichter als in der Volksschule. Es gibt aber zahlreiche andere Maßnahmen, wie man in den Schulen die Infektionsrate möglichst gering halten kann, wie Modellrechner Niki Popper erklärt: Dazu zählt etwa zeitlich versetzter Schulbeginn oder eine geringere Schülerdichte in der Klasse. Zu beachten sei dabei, dass sich die einzelnen Lockerungsmaßnahmen für das Infektionsgeschehen mehr als nur aufsummieren, da etwa auch Kontakte auf Schulwegen mitzubedenken sind.

Frage: Müssen die Kinder dann Masken tragen?

Antwort: Die Lehrergewerkschaft sieht die Schulen schlecht vorbereitet. Es fehle an Schutzmasken, Desinfektionsmitteln, warmem Wasser und Seife, warnt der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG). Den ganzen Tag eine Maske zu tragen sei sowieso unzumutbar, heißt es aus dem Bildungsressort. Am Sitzplatz angekommen, reiche Abstand halten. Kimberger hat auch die Altersstruktur der Lehrenden im Blick: Immerhin seien rund zwölf Prozent 60 Jahre alt oder älter und zählten damit zur Risikogruppe.

Frage: Ob Distance-Learning oder Präsenzunterricht: Wie wird heuer überhaupt benotet?

Antwort: Der Bildungsminister plädiert für großzügige Bewertungen. Dafür sollen jene Leistungen ausreichen, die vor dem Homeschooling bereits erbracht wurden. Negative Beurteilungen wird man noch ausbügeln können. Alles Weitere hängt vom Fahrplan ab, der Ende April stehen soll.

Frage: Die Matura findet jetzt aber fix statt, oder?

Antwort: Ja, so ist der Plan. Am 25. Mai wird mit jenen Fächern gestartet, die nicht Standardisiert sind, tags darauf folgt Deutsch, danach Englisch, dann Mathe. Die mündliche Prüfung entfällt, da zählt die Jahresabschlussnote. Wer damit unzufrieden ist, kann freiwillig mündlich nachbessern. (Peter Mayr, Karin Riss, Klaus Taschwer, 18.4.2020)