Für Deutsche sollen österreichische Urlaubsorte geöffnet werden, für andere Europäer womöglich nicht.

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Besorgte Hoteliers werden sich über die Ansagen von Tourismusministerin Elisabeth Köstinger vielleicht freuen: Zur Abwendung einer völlig verpatzten Sommersaison schwört sie die Österreicherinnen und Österreicher auf Urlaub zu Hause ein. Und weil das nicht reicht, um die Betten zu füllen, will sie auch für die deutschen Nachbarn die Grenzen öffnen. Das bringt für die heimischen Übernachtungszahlen viele Chancen und wenig Nachteile: Dass die Einheimischen massenhaft an die Ostsee ausweichen, ist nicht zu erwarten.

Gesundheitspolitisch aber ist diese Strategie der Nationalisierung oder Germanisierung des Fremdenverkehrs, hinter der auch Köstingers Chef Sebastian Kurz steht, sinnlos. Überall in Europa geht die Zahl der Neuinfektionen dieser Tage zurück; bis zum Sommer dürfte es für die Eindämmung des Coronavirus kaum einen Unterschied machen, ob ein Gast aus Wien, Hamburg, Amsterdam oder Stockholm kommt. Und genauso werden österreichische Urlauber an der Adria oder auf einer dalmatischen Insel voraussichtlich kein größeres Ansteckungsrisiko eingehen als am Wolfgangsee oder Wörthersee.

Grenzschließungen rasch aufheben

Österreich kann auch rechtlich niemandem eine Ausreise verbieten, sondern höchstens bei der Rückkehr eine zweiwöchige Quarantäne verlangen. Aber das muss sachlich begründet sein und darf nicht dazu dienen, die eigenen Betriebe zu fördern. Die Grenzschließungen und Reisewarnungen mögen beim ersten Aufflammen der Corona-Krise notwendig gewesen sein, um die Infektionsketten zu unterbrechen. Aber zumindest im EU-Raum gehören sie so rasch wie möglich wieder aufgehoben.

Die Hotellerie wird diesen Sommer überall leiden, weil viele Menschen wenig Lust oder wenig Geld zum Reisen haben. Aber wenn alle EU-Staaten nun auf Reiseprotektionismus setzen und die eigenen Bürger im Land halten, dann schadet das nicht nur der europäischen Idee, sondern letztlich auch dem heimischen Tourismus. Denn der ist stärker von Auslandsgästen abhängig als jener in größeren EU-Staaten.

Nicht wo, sondern wie macht man Urlaub

Für eine erfolgreiche Eindämmung des Virus wird es im kommenden Sommer weniger darauf ankommen, wo man Urlaub macht, sondern wie. Kann der Mindestabstand eingehalten werden, und können größere Menschenansammlungen verhindert werden? Österreich hat da mit seinem Angebot ganz gute Karten. Wandern oder Radfahren ist in den meisten Fällen unbedenklich, Hüttenübernachtungen hingegen sind problematisch. Discos oder Bars werden geschlossen bleiben, Freiluftpartys müssen ausfallen.

Beim Badeurlaub wird es darum gehen, ob vor Ort für die Einhaltung von Abstandsregeln gesorgt wird. Das gilt für österreichische Seen und Schwimmbäder genauso wie für alle Mittelmeerdestinationen. Beim Kulturtourismus sind Städte mit engen Gassen wie Salzburg riskanter als etwa Wien. Aber da heuer ohnehin kaum große Reisegruppen unterwegs sein werden, ist die Gefahr von überfüllten Straßen und Museen ohnehin gering.

Köstingers Ministerium hat ein paar Wochen Zeit für eine Strategie, die der eigenen Bevölkerung und potenziellen Auslandsgästen möglichst viel Reisefreiheit bietet und dennoch das Risiko einer neuen Ansteckungswelle minimiert. Das erfordert Klugheit, Umsicht und Voraussicht. Mit ihrem plumpen "Inländer und Deutsche willkommen" ist niemandem gedient, auch den österreichischen Betrieben nicht. (Eric Frey, 19.4.2020)