Demo für die Demokratie (im Vorjahr in Hamburg) – obwohl Leadership gefragt ist, muss demokratische Kontrolle gewährleistet sein.

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Wien – In kaum einem anderen Land wird angesichts der Bekämpfung der Corona-Pandemie so stark an der Demokratie festgehalten wie in Österreich. Das ergibt eine international angelegte Studie von Gallup International, für die 17.035 Personen in 17 Ländern mit verschiedenen Aussagen zur Krise und ihren Auswirkungen konfrontiert wurden.

Darunter war die bewusst provokante Formulierung: "Demokratie ist in so einer Krise nicht effizient." Dem stimmten in Österreich nur fünf Prozent der Befragten zu, 95 Prozent stehen auch in der Krise zum demokratischen System. Nur in Kasachstan ist die Ablehnung der Demokratie noch geringer – was die Gallup-Forscher mit einer allgemeinen Demokratiesehnsucht erklären. Auffallend ist weiter, dass selbst in Ländern, in denen der Regierung schlechter Umgang mit der Krise attestiert wird, wie in den USA, ein hohes Bekenntnis zur Demokratie (88 Prozent) erhoben wurde.

In den USA attestieren jeweils 48 Prozent der Regierung guten beziehungsweise schlechten Umgang mit der Corona-Situation. In Österreich attestieren 86 Prozent der Regierung mehr oder weniger guten Umgang mit der Krise, das ist der zweithöchste Wert nach Indien und Malaysia, wo jeweils 91 Prozent die Regierungsmaßnahmen überwiegend gut finden.

In Indien und Malaysia sind aber die Einschätzungen der Effizienz eines demokratischen Systems in der Krise völlig unterschiedlich: Nur zehn Prozent der Inder, aber 43 Prozent der Malaysier halten die Demokratie für wenig effizient im Umgang mit so einer Krise. Besonders wenig Vertrauen in die Demokratie in Krisenzeiten bekunden Pakistaner (49 Prozent) und Russen (32 Prozent). Im internationalen Schnitt sind es 17 Prozent.

Führung gefragt, Kontrolle ebenso

Michael Nitsche, der Vorstandsmitglied von Gallup International ist, erklärt dazu dem STANDARD: "In der Covid-19-Krise ist Political Leadership mit raschen Entscheidungen der Regierungen mehr gefragt denn je. Gleichzeitig wird aber auch der Demokratie weiterhin hohe Bedeutung beigemessen. Das ist kein Widerspruch, sondern bringt sehr klar zum Ausdruck, dass die Menschen auch in Ausnahmesituationen keine politischen Ausnahmezustände wollen, sondern umsichtige Entscheidungen, Transparenz bezüglich der Entscheidungsgrundlagen und demokratische Diskurse unter Einbindung der gewählten Volksvertreter in den Parlamenten."

Was die Studie ebenfalls zeigt: Die Befragten sind in einem hohen Maß bereit, (vorläufig) einige ihrer Menschenrechte aufzugeben, wenn das dazu dient, der Ausbreitung des Virus entgegenzuwirken. Im internationalen Schnitt sind 41 Prozent stark, weitere 40 Prozent überwiegend dazu bereit. In Österreich sind die Umfragewerte auch in diesem Punkt überdurchschnittlich: 51 Prozent stimmen völlig zu, ihre Bürgerrechte einschränken zu lassen, weitere 35 Prozent überwiegend – während sieben Prozent überwiegend dagegen und fünf Prozent absolut dagegen sind.

Unterschiedliche Bereitschaft zum Verzicht

Die geringste Bereitschaft, die persönlichen Rechte und Freiheiten einschränken zu lassen, besteht in Japan, dort sind 40 Prozent dafür und 42 Prozent dagegen – knapp jeder Fünfte ist unentschieden.

Dieser Punkt der internationalen Umfrage zeigt auch die Unterschiede in den (politischen) Kulturen einzelner Länder und möglicherweise auch das Verständnis der Begriffe in den standardisierten (im Original englischsprachigen und in die jeweilige Landessprache übersetzten) Fragebögen auf. So lautet die deutschsprachige Formulierung: "Wie sehr stimmen Sie folgender Aussage zu: Ich bin dazu bereit, einige meiner Freiheitsrechte aufzugeben, wenn es hilft, die Ausbreitung des Virus zu verhindern." Im Original zielt die Frage noch deutlicher auf Menschenrechte: "How strongly do you agree or disagree with the following statements? – I am willing to sacrifice some of my human rights if it helps prevent the spread of the virus."

Aber auch in den USA, wo die Frage in englischer Sprache gestellt wurden, stimmen 25 Prozent völlig und 43 Prozent teilweise zu.

Und was passiert nachher? In den letzten Wochen – also während die Umfrage durchgeführt wurde – wurde wohl in allen Ländern diskutiert, wie die Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme nach der Krise aussehen werden. Auch hier zeigen sich ganz deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Gallup fragte hier in Alternativen, nämlich:

  • "Die Welt wird mehr oder weniger zu ihrem früheren Zustand zurückkehren." Dies glauben mit absoluter Mehrheit nur die Befragten in den deutschsprachigen Ländern: 58 Prozent der Deutschen, 56 Prozent der Schweizer und 54 Prozent der Österreicher. International ist diese Haltung aber nicht mehrheitsfähig, da stimmen nur 41 Prozent zu.
  • "Große Änderungen, eine beinahe völlig neue Welt wird kommen." Das glaubt immerhin jeder dritte Befragte in Österreich, international sind es 45 Prozent. Die stärksten Erwartungen an eine veränderte Welt werden in Malaysia, auf den Philippinen und in Italien geäußert. (Conrad Seidl, 20.4.2020)