Guten Morgen, Kuss-Emoji. Mit dieser Nachricht wecken wir einander auf. Fast jeden Tag. Auch ohne Corona. Circa 500 Kilometer, etwa vier Stunden Zugfahrt, trennen uns zwischen Wien und Innsbruck.

Während manche Paare nach einem Monat Isolation in der gemeinsamen Wohnung, mit Arbeitsplatz am Küchentisch oder Homeschooling der Kinder auf die Belastungsprobe gestellt werden oder sich manch einer oder eine langsam nach Zeit für sich selbst sehnt, wünschen sich Paare in einer Fernbeziehung, endlich gemeinsam statt seit Wochen allein zu sein. Es gibt keine Spaziergänge Hand in Hand durch leere Gassen, kein gemeinsames Kochen oder eine Umarmung, um die Krisen-Gedanken-Achterbahn zu stoppen.

Seinen Partner oder seine Partnerin zu sehen zählt laut Gesundheitsministerium zur Deckung der "notwendigen Grundbedürfnisse". Das ist aber unmöglich, wenn Innsbruck bis Ostern unter Quarantäne stand, der Partner nicht aus- und ich ohne Tiroler Wohnsitz nicht einreisen durfte. Viele, die aus dem Ausland ihre bessere Hälfte in Österreich besuchen möchten, müssen einen negativen Corona-Test vorweisen. Wenn man keine Symptome zeigt, gestaltet sich die Testung bekanntlich nicht so einfach. Und das heißt dann wohl für die meisten: Trennung auf ungewisse Zeit.

Das selbstgenähte Umarmungskissen wurde in Zeiten der Corona-Krise wieder aus dem Abstellraum geholt.
Foto: privat

Ansonsten bleibt für Paare wie uns das meiste wie zuvor, Fernbeziehungen sind auf die Krise vorbereitet. Wir halten seit sechs Jahren die meiste Zeit im Jahr Abstand, physisch, nicht sozial. Tägliche Nachrichten mit Fotos, Anrufe, abendliche Videogespräche oder Online-Scrabble? Für uns der Normalfall. Resilienz darin, sich über Wochen nicht zu sehen? Erprobt.

Auch wenn das anstrengend ist: Alles ist aushaltbar, wenn ein Ende in Sicht ist. Ein Datum, das man sich im Kalender markiert und die Tage hinunterzählt, bis man den anderen vom Bahnhof abholt. Eine Fernbeziehung lebt von penibler Planung: wer wann zum anderen pendeln kann. Die ist nun für viele auf Pause. Für uns gibt es einen Lichtblick, wir wollen uns bald sehen. Inklusive zweiwöchiger Heimquarantäne – die volle Beziehungskiste nach sechswöchiger Abstinenz. Und mit einem richtigen Guten-Morgen-Kuss. (Selina Thaler, 21.4.2020)