Bei einem Fototermin für die Agentur AFP demonstrierte China schon 2017 höchste Sicherheitsvorkehrungen im Labor in Wuhan.

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Heute sehen das Labor in Wuhan manche als Ausgangspunkt der Corona-Pandemie.

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Die Geschichten verstummen nicht. Am Anfang hatten vor allem Verschwörungstheoretiker auf den möglichen Ursprung der Corona-Pandemie in einem chinesischen Biolabor verwiesen. Mittlerweile tut das auch die US-Regierung – und europäische Staaten fordern von Peking mehr Aufklärung. Ist am Ende also doch etwas dran? DER STANDARD hat sich die Sache noch einmal angesehen.

Frage: Woher stammt das Virus?

Antwort: Der Ursprung des Virus ist nicht völlig geklärt. Bisher ist die Theorie, wonach es von einem Wildtiermarkt in Wuhan stammt, die wahrscheinlichste. Sars-CoV-2 sprang demnach von Fledermäusen auf ein anderes Wildtier und schließlich auf den Menschen über. Verschiedene Studien legen zudem nahe, dass das Virus einen natürlichen Ursprung habe, also wohl nicht in einem Labor entstanden ist.

Frage: Woher kommt dann die Idee?

Antwort: Schon Ende Jänner tauchten Artikel auf, die nahelegten, Sars-CoV-2 stamme aus einem Labor in Wuhan. Ein Arbeiter könne sich dort versehentlich infiziert haben und das Virus nach außen getragen haben. Dies wurde aber als Verschwörungstheorie abgetan. Das Blog Zerohedge, das in der Tat immer wieder Verschwörungstheorien und Unbewiesenes in die Welt setzt, wurde auf Twitter gesperrt, weil es diese Nachrichten verbreitete.

Frage: Und ist nun was dran?

Antwort: Es gibt in Wuhan tatsächlich ein Bioforschungslabor, das seit 2018 die höchste Sicherheitsstufe hat. Dort werden Erreger der Klasse vier aufbewahrt – das sind hochansteckende Viren wie zum Beispiel Ebola. Hintergrund ist, das stellt auch kaum jemand in Abrede, die Forschung an medizinischer Behandlung – nicht an Biowaffen. Und da gibt es schon Auffälligkeiten, etwa den Fall Shi Zengli. Laut dem Wall Street Journal haben US-Diplomaten bereits 2018 vor einem Sicherheitsrisiko des Labors in Wuhan gewarnt. Die Depeschen wurden dann allerdings damals von der Trump-Regierung ignoriert. Nun hat sie das Narrativ aufgegriffen.

Frage: Wer ist Shi Zhengli?

Antwort: Sie ist Chinas "Bat Woman" und forscht seit 16 Jahren an Fledermäusen. Die Tiere sind, wie ja schon erwähnt, potenzielle Überträger von Coronaviren. Shi reiste jahrelang durch das Land, um Fledermausviren aufzuspüren, und brachte sie anschließend ausgerechnet in das Labor in Wuhan. Die Wissenschafterin ist nun Ziel zahlreicher Verschwörungstheorien. In einem Interview beteuert sie: "Ich schwöre bei meinem Leben, das Virus hat nichts mit dem Labor zu tun." Dass sie keine Belege dafür auf den Tisch legen kann, liegt auch an Pekings Politik: Chinesische Forscher dürfen seit Februar nicht mehr mit der Presse über das Virus sprechen.

Frage: Wenn schon die Wissenschafter nicht reden dürfen – was sagt Chinas Regierung dann selbst dazu?

Antwort: Pekings Propagandamaschine streut seit einigen Wochen selbst Gerüchte – und zwar solche, die die Schuld ebenfalls im Ausland sehen. Das Virus sei seinem Ursprung nach gar nicht aus China, heißt es da. Stattdessen könnten es zum Beispiel US-Soldaten bei einer gemeinsamen Übung im September nach China eingeschleppt haben. Entsprechende Gerüchte hatte unter anderem schon vor Wochen ein Sprecher des Außenministeriums gestreut. Sie passen auch zu weiteren Bemühungen, mit denen die chinesische Propaganda die Wahrheit umzudeuten versucht: Sie betont ja auch schon seit Anfang März, es gebe kaum noch Corona-Fälle, die ihren Ursprung in China hätten – sondern vor allem solche, die aus dem Ausland eingeschleppt würden. Die Vorwürfe und Andeutungen, das Virus stamme aus einem Labor, weist Peking von sich.

Frage: Ist China schuld am Virus?

Antwort: Dieses Bild wollen jedenfalls US-Präsident Donald Trump und seine Anhänger aufbauen, wenn sie beharrlich vom "China-Virus", der "Wuhan-Krankheit" oder der angeblichen Peking-Hörigkeit in der Weltgesundheitsorganisation WHO sprechen. Trump will seinen Wahlkampf auf eine Anti-China-Rhetorik aufbauen – 2016 hat das immerhin schon einmal funktioniert. Außerdem lenkt es davon ab, dass Trump laut Berichten mehrerer Medien – zuletzt am Montag der Washington Post – seit Jänner unter anderem durch die WHO und durch US-Geheimdienste über die Gefahren von Covid-19 unterrichtet worden sei, aber nicht gehandelt habe.

Frage: Ist das eine gute Wahltaktik?

Antwort: Zur Mobilisierung reicht es wohl schon. Jüngst erschien ein Video, in dem Trumps Konkurrent Joe Biden als China-Freund dargestellt wurde. Die Regierung Peking als "Verursacher" passt in dieses Narrativ. Für seine verschwörungsaffinen Fans bietet der Präsident noch mehr: Ihm nahestehende Medien berichteten am Montag über eine Forschungsförderung der US-Seuchenbehörde CDC für den Aufbau des Labors in Wuhan 2015. Anthony Fauci, jener Epidemiologe vom CDC, der nun die strengen Abstandsregeln für das soziale Leben mitverantwortet, habe schon damals die USA schädigen wollen, meinen sie.

Frage: China ist also unschuldig?

Antwort: An einer Pandemie trägt niemand schuld. Aber auf der anderen Seite ist mehr als deutlich: Die Führung in Peking hat spätestens Anfang Jänner von dem Virus gewusst. Warnzeichen wurden ignoriert, kritische Stimmen wie der mittlerweile verstorbene Arzt Li Wenliang und die Ärztin Ai Fenfen wurden mundtot gemacht. Hätten die Behörden früher reagiert, wäre eine Eindämmung vielleicht noch möglich gewesen. (Manuel Escher, Philipp Mattheis, 20.4.2020)