Verwaister Kindergarten: Von Eltern wird erwartet, dass sie Kinderbetreuung und Telearbeit gleichzeitig erledigen.

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Wien – Herr M. wollte den Kanzler beim Wort nehmen. Immerhin hatte Sebastian Kurz versichert, dass Eltern, die zu Hause nicht mehr zurande kommen, trotz Corona-Eindämmung öffentliche Kinderbetreuung beanspruchen dürfen. Also versuchte der Familienvater, seine beiden Schützlinge in den angestammten Kindergarten zu schicken – und hat, wie er erzählt, eine Absage kassiert.

Dabei stehen beide Elternteile im Berufsleben. Sie ist Ärztin in einem Spital, er IT-Fachmann, beide in Vollzeit. Doch der städtische Kindergarten verlangte jene Bestätigung, die laut der Vorgabe der Gemeinde Wien jeder erbringen muss, der nicht in einem als "versorgungskritisch" eingestuften Bereich arbeitet: Der Dienstgeber des Vaters sollte unterschreiben, dass dieser nicht nur "unabkömmlich" ist, sondern auch keine Möglichkeit zur Telearbeit hat. Weil ein IT-Profi prinzipiell aber natürlich via Computer Homeoffice machen kann, wollte und konnte M.s Vorgesetzter den Nachweis nicht erteilen.

Homeoffice mit Kleinkindern

Mit zwei kleinen Kindern zu Hause lasse sich der Achtstundenjob jedoch nicht erledigen, sagt der Betroffene: Die Tochter – sie ist unter zwei – brauche Non-Stop-Betreuung. Die Firma habe ihn deshalb zwangsbeurlaubt. Es gebe in der Corona-Krise schlimmere Schicksale, merkt M. an – aber dass er und wohl auch andere am Arbeiten gehindert werden, sei nicht einzusehen.

Rechtlich hat der Vater Fürsprecher. Nachdem die Arbeiterkammer derartige Fälle aufgeworfen hatte, stellte das Gesundheitsministerium auf Anfrage des STANDARD klar: Berufstätigen Eltern soll Betreuung gewährt werden.

Auch im Büro des zuständigen Wiener Stadtrats Jürgen Czernohorszky (SPÖ) widerspricht man nicht: "So ein Fall sollte nicht vorkommen." Warum die Gemeinde dann den Nachweis verlangt, dass Telearbeit nicht möglich ist? Es gehe darum, die Belegung der Kindergärten gering zu halten, so die Begründung, aber wenn Homeoffice neben Kindern nicht machbar sei, stehe Betreuung parat. Empfehlung an den abgewimmelten Vater: Erst noch einmal mit der Kindergartenleitung reden und sich dann gegebenenfalls an das Stadtrat-Büro wenden. (Gerald John, 21.4.2020)