"Das Mädchen, das überlebte": Eva Geiringer in Amsterdam – zu sehen am 29. April.

Foto: ORF/Eva Schloss

Wien – 110 Programmstunden bietet der ORF in seinem TV-Zeitgeschichteschwerpunkt zum Thema "75 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg". Generaldirektor Alexander Wrabetz hob am Dienstag in einer Online-Pressekonferenz erneut die Bedeutung des ORF als "elektronisches Gedächtnis des Landes" hervor – schließlich gelte es auch, an den Beginn der Zweiten Republik und an 65 Jahre Staatsvertrag zu erinnern.

Der Zeitgeschichteschwerpunkt auf ORF 2 und ORF 3 umfasst 15 zum Teil mehrteilige TV-Neuproduktionen, Filme wie "Die Fälscher", "Hannas schlafende Hunde", "Der Bockerer", "Maikäfer flieg" oder "Waldheims Walzer", Live-Übertragungen von Gedenkveranstaltungen, Live-Diskussionen sowie eine "Menschen & Mächte"-Sondersendung am 6. Mai, bei der sich Tarek Leitner live aus dem ORF-Newsroom meldet. Dabei gibt es auch eine zeitgeschichtliche Reise durch die damaligen französischen, britischen, amerikanischen und sowjetischen Besatzungszonen.

Was macht Krieg aus Menschen?

ORF-Programmdirektorin Kathrin Zechner verwies besonders auf Robert Gokls Film "Das Mädchen, das überlebte" (29. April) über Anne Franks heute in London lebende Wiener Stiefschwester Eva Geiringer, der "sehr berührend, sehr aufwühlend" sei. Auch "Die Zeit der Frauen" (6. Mai) von Andreas Novak, dem Leiter der ORF-Zeitgeschichteredaktion, liegt Zechner besonders am Herzen. Novak selbst hob hervor, dass man sich bei den Sendungen über Kriegsende, Neubeginn und das Umgewöhnen von einer Kriegs- in eine Friedensgesellschaft vor allem für einen Aspekt interessiere: "Was macht das mit den Menschen?" Wie sehr die damalige Zeit bis heute nachwirke, sehe man etwa in dem in Corona-Zeiten wieder aufgekommenen Begriff des "Hamsterns".

Fritz Dittlbacher thematisiert in "Wieder ein Mensch sein und nicht nur eine Nummer" (5. Mai) nicht nur die Jahre des Terrors zwischen 1938 und 1945 im Konzentrationslager Mauthausen, sondern auch die Frage, wie die Menschen der Umgebung mit dem "Danach" umgingen. Robert Gokl und Gregor Stuhlpfarrer beschreiben in "1945 – Heimkehr und Aufbruch" (7. Mai) Zusammenbruch und Neubeginn.

Erfahrungsberichte von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen

Neben den Ereignissen der letzten Kriegstage ("41 Tage der Gewalt – Die letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs" am 2. Mai, u.v.m.) widmet sich ORF 3 von 15. bis 17. Mai unter dem Motto "65 Jahre Österreich ist frei!" vor allem den historischen Ereignissen rund um die Unterzeichnung des Staatsvertrags im Jahr 1955 und den Abzug der Besatzungsmächte aus Österreich, wie Programmgeschäftsführer Peter Schöber erklärte.

Breiten Raum nehmen dabei Erfahrungsberichte von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Live überträgt ORF 3 u. a. das virtuell gefeierte "Fest der Freude" am 8. Mai, die Internationale Befreiungsfeier aus Mauthausen (10. Mai) sowie Sondersendungen zum Thema "Österreich ist frei" am 15. Mai, deren Bestandteil auch die Übertragung der Rede des Bundespräsidenten vom historischen Schauplatz Schloss Belvedere ist.

Schwerpunkt auch auf Ö1

Auch Ö1 gestaltet unter dem Titel "1945 und die Folgen: Anfänge, Widersprüche, Kontinuitäten" einen zweiwöchigen Schwerpunkt. Von 25. April bis 10. Mai gibt es rund 60 Sendungen – von "Hörbildern" über drei "Radiokolleg"-Reihen bis zu einem "Betrifft: Geschichte" mit einem Bürgerjournalismus-Projekt zur NS-Geschichte und ihren Nachwirkungen auf das Alltagsleben der Einwohner von Dachau, Mauthausen, Gusen und St. Georgen.

Zu den Höhepunkten des umfangreichen Ö1-Angebotes zählen das Porträt "Der Zeuge – Marko Feingold" am 26. April um 14.05 Uhr, "Radiogeschichten" (jeweils um 11.05 Uhr) mit Auszügen aus Monika Helfers "Die Bagage" (24. April), "Die Rückkehr" von Ernst Lothar (27. April), "Der Deserteur" von Marie Luise Kaschnitz (28. April), Ingeborg Bachmanns "Kriegstagebuch" (29. April) und "Lisas Zimmer" von Hilde Spiel (30. April) oder zwei "Salzburger Nachtstudios", die sich der heimischen Radiogeschichte der Nachkriegszeit (6. Mai, 21 Uhr) und der Körpersprache seit 1945 ("Vom Handkuss zum Stinkefinger", 13. Mai, 21 Uhr) widmen.

Drei "Radiokolleg"-Reihen stehen von 27. bis 30. April ganz im Zeichen des Schwerpunktes. "Die Neuordnung der Welt nach 1945" (9.05 Uhr) und "Die frühen Jahre der Zweiten Republik" (9.30 Uhr) widmen sich der Politik, "Kompositorischer Nulldurchgang 1945" begibt sich auf die Spuren des Serialismus, eine Strömung der Neuen Musik (9.45 Uhr). Alle Ö1-Sendungen im Detail sind abrufbar unter oe1.orf.at/1945unddiefolgen. (APA, 21.4.2020)