Fast sämtliche Armfüßer (Brachiopoda) starben während einer Warmphase im Jura aus.

Foto: Kenneth C. Gass

Das Jura vor 201 bis 145 Millionen Jahren war eine Ära mit markanten Meeresspiegelschwankungen und rasch verlaufenden Erwärmungs- und Abkühlungsphasen. Eine außergewöhnlich heiße Phase erlebte das Jura vor 182 Millionen Jahren, was sich negativ auf den Artenreichtum und die Körpergröße von Bewohnern des Meeresbodens auswirkte. Nun haben internationale Wissenschafter auf Basis von Fossilien Ausmaß und Dauer der damaligen Ozeanerwärmung rekonstruiert. Die neuen Erkenntnisse helfen dabei, mögliche Langzeit-Folgen der gegenwärtigen Klimaerwärmung abzuschätzen und Handlungsempfehlungen für unsere Gesellschaft abzuleiten.

Muschelschalen als Temperaturindikator

Es ist äußerst kompliziert die Wassertemperaturen der Erdvergangenheit verlässlich zu rekonstruieren. Als besonders hilfreich erweist sich die Analyse des Verhältnisses verschieden schwerer Sauerstoffatome. Dieses Verhältnis ist in den kalkigen Schalen von Muscheln und anderen Organismen temperaturabhängig und kann mit Hilfe von Massenspektrometern gemessen werden. Bei gut erhaltenen fossilen Schalen kann so mit Hilfe einer einfachen mathematischen Beziehung die ehemalige Wassertemperatur ermittelt werden.

Für eine etwa 182 Millionen Jahre zurückliegende Phase im Jura mit einer besonders ausgeprägten Treibhausphase haben Forschende des Museums für Naturkunde Berlin und aus Großbritannien mit dieser Methode für einzelne Meeresbereiche in Südeuropa einen relativ raschen Temperaturanstieg ermittelt. Die Treibhausphase hielt über mehrere 100.000 Jahre an, mit einer durchschnittlichen lokalen Ozeanerwärmung von 3,5 Grad Celsius und Spitzenwerten von über 5 Grad Celsius. "Eine derartige lückenlose und verlässliche Temperaturrekonstruktion lag für diesen Zeitabschnitt bisher nicht vor" sagt Clemens Ullmann von der University of Exeter, der die geochemischen Analysen durchführte.

Sauerstoffarmer Zeitabschnitt

"Der Grund für den bisherigen Fossilmangel war, dass die Ozeane im untersuchten Zeitabschnitt in der Regel sauerstoffarm mit wenig Bodenleben waren und entsprechend kaum Schalen für geochemische Analysen zur Verfügung standen", sagt Martin Aberhan vom Museum für Naturkunde Berlin. Daher haben die Forscher im Rahmen des Projektes in Spanien und Portugal neue Geländearbeiten durchgeführt und fanden fossilreiche Ablagerungen, die aus sauerstoffreichen Meeresbereichen stammen, wie sie im Fachjournal "Scientific Reports" berichten. Ein Teil des Materials ist jetzt in der Forschungssammlung des Museums für Naturkunde Berlin.

Der Temperaturanstieg der Meere führte zu weitreichenden Folgen für die damaligen Lebensgemeinschaften. Beinahe alle vor der Erwärmung lebenden Arten von Brachiopoden – Meerestiere, die den Muscheln äußerlich ähneln, aber einen eigenständigen Tierstamm bilden – starben in der Anfangsphase der Erwärmung aus. Sie wurden durch eine kleinwüchsige, opportunistische Art ersetzt, die unter den extremen Bedingungen überlebensfähig war. Mit dem Ende der heißen Phase traten dann komplett neue Lebensgemeinschaften auf. Zudem waren die durchschnittlichen Schalengrößen der Muschel-Brachiopoden-Gemeinschaften während der Warmphase deutlich kleiner als vorher und danach, vor allem, weil die großwüchsigen Arten seltener wurden oder ganz verschwanden.

Kleinwüchsige Einwanderer

Die Abnahmen der Körpergrößen sind statistisch signifikant mit Temperaturerhöhungen korreliert. "Mit Blick auf die aktuelle Ozeanerwärmung wäre eine ähnliche Ausbreitung relativ kleinwüchsiger invasiver Arten und eine langfristige Reduzierung der Größenstruktur von Lebensgemeinschaften ein sehr alarmierendes Zeichen für die fortschreitende Klimaerwärmung", sagt Aberhan. (2.5.2020)