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In Singapur stehen über 40 Massensiedlungen von Gastarbeitern unter Quarantäne. Das Coronavirus breitet sich dort rasant aus.

Foto: Reuters / Edgar SuIn

Es galt bisher als das Vorzeigeland Südasiens in Sachen Corona. Während in den Nachbarländern die Infektionen in die Höhe schnellten, schien Singapur alles im Griff zu haben. Bis Anfang April gab es knapp über 1.300 Infektionen in der Wirtschaftsmetropole, die für rigorose Sauberkeitsregeln bekannt ist. Doch aktuell verzeichnet Singapur einen rasanten Anstieg: Innerhalb von nur zwei Wochen wuchs die Zahl auf fast 10.000 Infizierte.

Allein am Montag wurden mehr als 1.400 neue Fälle registriert, am Dienstag waren es abermals über 1.000. Die meisten der Infizierten gehören nicht einer Elite an, sondern sind Wanderarbeiter aus ärmeren Ländern Südasiens. Sie leben abseits der schicken Boulevards und Cafés, arbeiten auf Baustellen oder als Haushaltsgehilfen für mehrere Wochen oder Monate am Stück. In der Regel leben sie in Massenquartieren, mit zehn bis zwölf Personen pro Zimmer, dicht an dicht.

Der rasante Anstieg an Covid-19-Infektionen macht somit ein Ungleichgewicht sichtbar, das in normalen Zeiten in Asien gern übersehen wird. In Singapur, in den reichen Städten Malaysias oder in den ölreichen Wüstenstädten Katars und in Dubai leben die Reichsten der Reichen Asiens. Aber abseits des öffentlichen Auges schuften dort auch die Ärmsten der Armen.

Harte Arbeitsbedingungen verschärfen sich

280.000 Wanderarbeiter sind aktuell zum Beispiel in Singapur. Sie kommen aus Indien, Bangladesch oder Nepal. Fast ein Drittel des nepalesischen BIP machen die Gelder aus, die die jungen Nepalesen in ihre Heimatdörfer im Himalaja schicken. Die Arbeitsbedingungen sind nicht nur in Singapur hart. Statistisch sterben zwei nepalesische Wanderarbeiter pro Tag, vor allem am Golf.

Bei brütender Hitze treiben sie den Bauboom voran. Seit Jahren bauen sie in Katar Stadien für die Fußball-WM 2022. Der Lohn ist gering, Berichte über betrügerische Firmen häufig. Während Corona gehen die Bauarbeiten weiter, bisher haben sich unter den Arbeitern dort offiziell acht Personen angesteckt.

Der WDR berichtete jüngst von leeren Lebensmittelregalen in den Arbeiterquartieren. In den Arabischen Emiraten sind dutzende Nepalesen gestrandet, die ihren Job verloren haben und jetzt aufgrund des Lockdowns nicht vor oder zurück können. Am Dienstag bildeten sich vor einer Klinik in Abu Dhabi lange Schlangen von Menschen, die sich auf das Virus testen lassen wollten – vielen von den Menschen waren Gastarbeiter. Die prekäre Situation der Wanderarbeiter hat weder bei den Herkunfts- noch bei den Zielstaaten Priorität.

Binnenmigranten sitzen auch fest

Aber das Problem ist nicht nur ein zwischenstaatliches. Als Indien vor einem Monat den Lockdown ausrief, war eine Vielzahl von Binnenwanderarbeitern auf einen Schlag arbeitslos. Viele von ihnen waren in teuren Städten gestrandet. Zu Fuß machten sie sich auf den Weg in ihre Dörfer. Neu-Delhi versuchte gegenzusteuern, indem Schulen zu Unterkünften umfunktioniert wurden. In China, wo es ebenfalls tausende Wanderarbeiter gibt, ist ihre Situation während Corona noch nicht einmal ansatzweise aufgearbeitet.

Katars Regierung hat unterdessen angekündigt, infizierten Arbeitern kostenlos Lebensmittel und Medikamente zur Verfügung zu stellen. Inwiefern sich die Arbeiter auf die Versprechungen verlassen können, bleibt abzuwarten. Singapur setzt die riesigen Arbeiterquartiere strikt unter Quarantäne, um sie vom Rest des Stadtstaates zu trennen. Der allgemeine Lockdown wurde bis Anfang Juni verlängert. (Anna Sawerthal, 21.4.2020)