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Theaterchefs sind uneins: Sind die Regierungsvorgaben für den Probenbetrieb umsetzbar?

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Das Problem, vor dem die gesamte Kultur- und Veranstaltungsbranche nach den aktuellen Vorgaben der Regierung steht, führte zuletzt die Band 5/8erl in Ehr’n mit bitterem Sarkasmus vor Augen: "Schnell gerechnet: Um unsere Augustkonzerte im Stadtsaal Wien zu spielen, müssten wir bei 20 Quadratmeter Abstandsradius von 420 Tickets auf 14 reduzieren, der Verlust könnte aber durch den dreißigfachen Ticketpreis von 750 Euro kompensiert werden!"

Man muss wohl nicht lange erklären, dass das so nicht passieren wird. Klar ist: Die für den Handel erarbeiteten und für die Kultur vorerst übernommenen Regelungen (20 Quadratmeter Fläche pro und ein Meter Abstand zwischen jeder Person) sind für Veranstalter ein Ding der Unmöglichkeit. Auch Kinos werden sich damit schwertun, Museen könnten es noch am besten hinbekommen. Im Grunde blickt aber die gesamte Branche schon bange Richtung Herbst. Bis dahin müsse es tragfähige Konzepte geben, ansonsten würde die Regierung den "Tod der Kultur" riskieren, wie es Herbert Föttinger, Direktor des Josefstadt-Theaters, drastisch formulierte.

Bundestheater-Chef Kircher sieht Probenmöglichkeit gegeben

Die Ankündigung, wonach professionelle Theater ab Mitte Mai einzeln und ab Juni zu mehrt proben dürfen, entzweit mittlerweile die Branche: Während Föttinger und etwa Burgtheater-Direktor Martin Kušej meinen, dass unter diesen Bedingungen "fast gar nichts" geht, sieht es Staatsopern-Direktor Bogdan Rošcic für das Musiktheater, in dem Körpernähe weniger essenziell ist, gelassener.

Bundestheater-Holding-Chef Christian Kircher übt sich im Gespräch mit dem STANDARD ebenfalls in Zweckoptimismus. Er rechnet vor, dass etwa auf einer Bühne mit 250 Quadratmeter Fläche bis zu zwölf Personen gleichzeitig proben können. Die Bühne des Burgtheaters misst sogar 600 Quadratmeter. Die Probentätigkeit bereitet ihm daher derzeit nicht so große Sorgen wie die Unsicherheit für den Herbst. Vorausgesetzt, die Theater könnten dann wieder normal spielen, bleiben weitere Unwägbarkeiten: "Wie soll man etwa kalkulieren, dass vielleicht Teile unseres Publikums, seien es Touristen oder Senioren, ausbleiben?"

Kritik an Lunacek gerechtfertigt?

Die harsche Kritik an Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) kann Kircher so nicht nachvollziehen. Es stimme nicht, wie etwa im ORF-Kulturmontag behauptet wurde, dass sie sich nicht mit den Bühnen besprochen habe – die Holding sowie auch einzelne Häuser seien sehr wohl eingebunden gewesen, so Kircher.

Burg-Chef Kušej präzisierte indes im Gespräch mit der APA seine Bedenken: "In einem freien, kreativen Prozess kann es keine Limits geben – man schneidet an der Seele unseres Schaffens herum, wenn man auf der Bühne 'Sicherheitsabstand' verordnet. Das ist für mich wirklich irritierend und frustrierend. Ich möchte keinesfalls jammern! Aber ich versuche mit meinem Hausverstand und meiner Erfahrung darauf hinzuweisen, dass man nicht alles einfach über Bord werfen kann, was verschiedene Berufe ausmacht."

Kogler: "Über Quadratmeter wird zu reden sein"

Um Theaterschaffen wieder zu ermöglichen, müssten "nötige Auflagen mit dem Kern der Theaterarbeit kompatibel sein", so der Direktor. "Wenn das in der jetzigen Situation nicht verantwortbar ist, dann muss man das klar aussprechen. Und wenn das bedeutet, dass bis zum Jahreswechsel gar nichts geht, dann werden wir damit umgehen." Keine Illusionen macht sich der Burg-Chef auch, dass die für heuer vorgesehene Kooperation mit den durch den Lockdown ebenfalls infrage stehenden Salzburger Festspielen klappen könnte. "Unter den aktuellen Auflagen" sei daran zu seinem "größten Bedauern derzeit nicht zu denken".

Die "aktuellen Auflagen" waren wiederum auch Thema bei der Regierungspressekonferenz von Vizekanzler und unter anderem Kulturminister Werner Kogler (Grüne) am Dienstag. "Über die Quadratmeter wird zu reden sein", erklärte er. Das Problem besteht aus Sicht des Ministers darin, dass der wirkliche Engpass ist, wenn ganz viele Menschen gleichzeitig beim Einlass drängen. Aber man sei überall daran, Lösungen zu finden. Bis Mitte Mai werde die Regierung neue Vorgaben machen. (Stefan Weiss, 21.4.2020)