Bald sollen, geht es nach der Initiative, mehr Wienerinnen und Wiener per Drahtesel unterwegs sein.

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Wien – 60 Kilometer zusätzliche Fußgänger- und Begegnungszonen, 13 Radschnellrouten und 350 autofreie Schulvorplätze: Die Initiative "Platz für Wien", der auch der Verkehrsplaner Ulrich Leth von der TU Wien angehört, kämpft für ein radikales Umdenken in der Verkehrspolitik. Bis zur Wien-Wahl will man zehntausende Unterschriften für die am Mittwoch veröffentlichten Forderungen sammeln.

Rund 50 Personen aus der Zivilgesellschaft umfasst die aus Spendengeldern finanzierte Bewegung laut eigenen Angaben, Unterstützung kommt von NGOs wie der Radlobby und "Geht doch Wien". Die gesammelten Unterschriften will man vor der Wien-Wahl im Herbst dem Gemeinderat sowie den Bezirksvertretungen übergeben. Zumindest ein Proponent der Initiative ist im Rathaus jedenfalls kein Unbekannter. TU-Verkehrsexperte Leth hat für die Wiener Grünen immer wieder Studien für Verkehrsberuhigungsprojekte – zuletzt etwa die Landstraßer Hauptstraße betreffend – erstellt.

Auch Hitzeproblem soll gelöst werden

18 Punkte werden im Forderungspaket, das 2030 als Zeithorizont für die Umsetzung hat, an die rot-grüne Stadtregierung aufgelistet. Dabei geht es um eine stärkere Ausrichtung der Verkehrsinfrastruktur an den Bedürfnissen der Fußgänger und Radfahrer, um kindersicherere Kreuzungen, aber auch um Möglichkeiten im Kampf gegen klimawandelbedingte Hitzeinseln in der Stadt.

100 zusätzliche Wohngebiete sollen bis 2030 verkehrsberuhigt werden, um den Durchzugsverkehr zu reduzieren und mehr Möglichkeiten für eine Begrünung zu schaffen. Die Gesamtfläche der Fußgänger- und Begegnungszonen soll von 24 auf 84 Kilometer erweitert werden. Die Initiatoren sehen grundsätzlich ein Missverhältnis in der Aufteilung der Flächen: Obwohl der Anteil des Kfz-Verkehrs am Gesamtverkehr nur 30 Prozent beträgt, betrage der Fahrbahnanteil nach wie vor zwei Drittel.

38 Prozent oder 1.457 Kilometer der Gehsteige in der Stadt seien weniger als zwei Meter breit, kritisieren die Initiatoren. Sie fordern deshalb großzügige Gehsteige und 15.000 neue Bäume im Straßenraum, hauptsächlich in hitzegeplagten Grätzeln.

Schnelle Routen durch die Stadt

Für die Radfahrer soll es in den kommenden Jahren 110 Kilometer neue Schnellkorridore geben. Die Stadt habe bereits 13 solcher Routen mit einer Länge von 140 Kilometern konzipiert, aber erst 30 Kilometer davon umgesetzt – keine einzige Verbindung sei bisher fertiggestellt. Weitere Forderungen: deutlich mehr Möglichkeiten zum Radfahren gegen die Einbahn, baulich getrennte und erhöhte Radwege und 50 Kilometer Radstraßen, auf denen die Radfahrer Vorrang haben.

Die Initiative widmet sich auch der Verkehrssicherheit für Kinder. Vom Rathaus wünscht man sich 350 autofreie Schulvorplätze bis 2030, um sogenannte Elterntaxis zu unterbinden. Außerdem sollen mehr Tempo-30-Zonen Unfälle verhindern. Immerhin gelte auf einem Drittel des 2.800 Kilometer langen Wiener Straßennetzes immer noch Tempo 50.

Damit mehr Menschen zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, sollen Ampelschaltungen so geändert werden, dass sie nicht mehr primär auf die Flüssigkeit des Autoverkehrs abstellen. Spaziergänger und Radfahrer müssten derzeit oft lange warten, bis Ampeln auf Grün umspringen. Auch mehr Querungsmöglichkeiten an Hauptstraßen sollen kommen.

"Platz für Wien" macht sich außerdem für attraktivere Öffi-Haltestellen stark. Immerhin hätten viele Bus- und Straßenbahn-Wartehäuschen keinen Witterungsschutz und nur kleine Wartebereiche. Die Stationen sollten außerdem gleich als Umsteigeknoten für den Radverkehr oder für andere Sharing-Angebote genutzt werden. Das Citybike-Netz soll in den kommenden fünf Jahren um 125 Standorte verdoppelt und um Lastenräder erweitert werden.

Die Initiative will bis zur Wien-Wahl so viele Unterstützungsunterschriften wie möglich sammeln. Als "symbolische Zahl" hat man 57.255 angegeben – das entspräche fünf Prozent der Wahlberechtigten in Wien und damit der Hürde, um per Volksbegehren auf Landesebene einen Gesetzesentwurf in den Landtag einzubringen. (APA, 22.4.2020)