Ümit Vural, der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), hofft, dass Moscheen bald wieder besucht werden dürfen.

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Wien – Freitagfrüh, wenn die erste Sichel des Mondes nach der finsteren Neumondnacht sichtbar wird, beginnt auch in Österreich der muslimische Fastenmonat Ramadan. In Eisenstadt wird das laut Kalender der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) um 4.20 Uhr sein, in Bregenz um 4.50 Uhr. Bis zum 23. Mai üben sich dann gläubige Muslime tagsüber in strenger Enthaltsamkeit (nichts essen, nichts trinken, kein Sex) und besuchen häufiger Moscheen zum Gebet. Doch heuer ist alles anders. Wegen der Corona-Krise sind bis auf weiteres alle Moscheen geschlossen, via TV, Facebook und Youtube ruft der Muezzin schon seit Wochen mit der Aufforderung "Betet zu Hause" zum Gebet.

Auch das traditionelle Iftar-Mahl, mit dem das Fasten täglich nach Sonnenuntergang beendet wird, kann wegen der Ausgangs- und Besuchsbeschränkungen nicht, wie üblich, in großem Kreis stattfinden. Wie zuletzt die Christen zu Ostern müssen nun auch Muslime eine massive Änderung ihrer gewohnten Rituale hinnehmen. IGGÖ-Präsident Ümit Vural bat alle Gläubigen um Verständnis für die noch nie da gewesenen Maßnahmen, aber die Gesundheit der Gemeinschaft gehe vor.

Eigener Teppich und Maske

Die von der Regierung angekündigten Lockerungen für das öffentliche Leben machen Vural, wie auch allen anderen Religionsvertretern, Hoffnung auf eine schrittweise Normalisierung des religiösen Lebens. Möglicherweise können Muslime im Mai, vielleicht noch während des Ramadan, wieder mit eigenen Teppichen, Schutzmasken und Sicherheitsabstand in Moscheen beten.

Die Corona-Krise trifft vor allem kleinere Moscheen hart. Durch das Versammlungsverbot fallen die üblichen Spendensammlungen bei Freitagsgebeten und vor allem im Ramadan weg. Mit den Spenden werden aber Mieten, Betriebskosten, etwaige Kreditraten und Löhne finanziert. Die IGGÖ hat daher eine Spendensammlung ins Leben gerufen.

Fastenpflicht wegen Corona lockern?

Kontroverse Diskussionen in der muslimischen Welt gab es zuletzt zur Frage, ob in Zeiten der weltweiten Corona-Krise nicht die Fastenpflicht gelockert werden solle. Die IGGÖ sieht dazu aber keinen Grund. Sie beruft sich auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die vor kurzem festgestellt hat, dass es keine wissenschaftlichen Beweise dafür gebe, dass das Fasten das Risiko einer Infektion erhöhen würde.

Kinder, Personen mit körperlichen oder intellektuellen Einschränkungen, chronisch Kranke und hochbetagte Menschen sind laut Koran generell vom Fasten befreit. Akut kranke Personen erhalten eine vorübergehende Fasten-Freistellung, müssen die versäumten Tage aber nachholen. Dasselbe gilt für schwangere und stillende Frauen, Frauen im Wochenbett und für die Dauer der Menstruation.

Zehn-Euro-Spende ist Pflicht

Die Zakatul-fitr, das ist das Almosen, das am Ende des Ramadan an Arme und Bedürftige gegeben werden muss, wurde von der IGGÖ auf zehn Euro pro Person festgelegt. In Österreich leben Schätzungen des Innenministeriums zufolge 700.000 Muslime. (Michael Simoner, 23.4.2020)