In ihrem natürlichen Habitat – zwei Seen in der Nähe von Mexiko-Stadt, wo sie seit Abermillionen Jahren gelebt haben – sind sie praktisch ausgestorben. Dennoch muss man sich um ihr Weiterbestehen keine Sorgen machen: Millionen Axolotl leben in Aquarien rund um den Globus, entweder als aquatische Haustiere oder als Versuchstiere in wissenschaftlichen Laboratorien.

Erfreuen sich die privaten Aquarienbesitzer am seltsamen Aussehen der Tiere, so ist die Wissenschaft vor allem an der einzigartigen Fähigkeit der Schwanzlurche interessiert, abgeschnittene Gliedmaßen oder ganze Organe regenerieren zu können. Eine weltweit führende WIssenschafterin auf diesem Gebiet, Elly Tanaka, arbeitet am Forschungsinstitut für molekulare Biologie (IMP) in Wien mit den Tieren, die in der Aztekensprache Nahuatl "Wassermonster" heißen.

Leben im Larvenstadium

Wann aber hat der Siegeszug dieser Amphibien, die im Normalfall im Larvenstadium verbleiben, rund um die Welt begonnen? Dieser Frage hat der deutsche Wissenschaftshistoriker Christian Reiß (Uni Regensburg) einige Jahre seines eigenen Forscherlebens gewidmet und dabei viele faszinierende Geschichten zutage gefördert, die er nun in "Der Axolotl" erzählt.

Erstaunliche und minutiös rekonstruierte Geschichte(n) von der "Domestizierung" eines Amphibiums: Christian Reiß, "Der Axolotl. Ein Labortier im Heimaquarium 1864–1914". € 30,80 / 304 Seiten. Wallstein, Göttingen 2020

Eine Pionierrolle kam, wie so oft, dem deutschen Forschungsreisenden Alexander von Humboldt zu, der die ersten Axolotl 1804 nach Europa brachte, die als in Alkohol konservierte Präparate endeten. Der Siegeszug der kuriosen Tiere begann im Jahr 1864, als eine Fachgesellschaft in Paris 34 lebende Tiere erhielt, die zur Gründergeneration von Tausenden Axolotl werden sollte, die in den nächsten Jahren ganz Europa erobern sollten.

Das hatte auch damit zu tun, dass zu dieser Zeit die ersten Heimaquarien auf den Markt kamen und schnell zu einem beliebten Inventar in bildungsbürgerlichen Haushalten wurden. Und genau das begünstigte die enorme Verbreitung der leicht zu haltenden Axolotl.

Gelungene Metamorphosen

Parallel dazu waren auch die Pioniere der Experimentalbiologie an den Tieren interessiert, die damit zu den frühesten Labortieren überhaupt wurden. Die Forscher rätselten damals vor allem, wie man die Axolotl dazu bringen könnte, das Larvenstadium zu verlassen. Zur Lösung des Rätsels – durch Gabe des Schilddrüsenhormons Thyroxin – leistete die lange vergessene deutsche Naturforscherin Marie von Chauvin (1848–1921) wichtige Beiträge.

Diese Pionierin erstmals umfassender zu würdigen ist nur eines der zahlreichen Verdienste der Studie von Christian Reiß, die selbst eine geglückte Metamorphose hinter sich hat: von einer sehr umfangreichen, mehrfach ausgezeichneten und – nona – akademisch gehaltenen Dissertation in ein kompaktes, gut lesbares und schön gestaltetes Sachbuch für ein breiteres wissenschaftshistorisch interessiertes Publikum. (tasch, 3.5.2020)