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Vieles geschlossen in Los Angeles – in Österreich haben viele Betriebe wieder aufgesperrt. Allerdings ist für die heimische Wirtschaft auch relevant, wie sich die Corona-Pandemie im Rest der Welt entwickelt.

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Österreich hat das wirtschaftliche Leben wieder ein Stück weit geöffnet. Die ökonomische Aktivität werde deshalb bereits im zweiten Quartal wieder etwas Fahrt aufnehmen, erwarten die Ökonomen des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo). Allerdings liegen bei weitem nicht alle Länder des Planeten, der zu großen Teilen vom Coronavirus heimgesucht wird, so gut auf Kurs. Im zweiten Quartal erwarten die Wifo-Experten die größte weltweite Rezession, seit es verlässliche Aufzeichnungen gibt.

Für Österreich prognostizieren die Wirtschaftsforscher in dieser Gemengelage Folgendes: Die Wirtschaft wird heuer um 5,25 Prozent einbrechen, die Arbeitslosigkeit wird nach Definition des Arbeitsmarktservice (AMS) – Anteil der unselbstständigen Erwerbspersonen – auf 8,7 Prozent steigen. Allerdings wird es laut Prognose im Jahr darauf einen verhaltenen Rebound geben und das BIP um 3,5 Prozent wachsen. 2019 war die heimische Wirtschaft um 1,6 Prozent gewachsen.

Kein Optimismus

Die wirtschaftlichen Schäden des Lockdowns würden laut Wifo gravierender ausfallen, würde die Bundesregierung nicht gegensteuern. Die budgetwirksamen Maßnahmen umfassen Aufwendungen für Kurzarbeitshilfe sowie Härte- und Notfallfonds und belaufen sich laut Wifo auf mehr als zwölf Milliarden Euro. Zieht man erwartete Steuerausfälle hinzu, steht unterm Strich für 2020 ein Budgetdefizit von 7,4 Prozent. Die Staatsschuld steigt um nahezu zehn Prozentpunkte auf 80,2 Prozent.

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie sind die Prognosen für die heimische Wirtschaft immer düsterer geworden.

Der Regierung attestieren die Wirtschaftsforscher gutes Gegensteuern. Die Auszahlung von Mitteln des Härtefonds dürfte rasch und unbürokratisch über die Bühne gegangen sein. Allerdings hätten oft junge Unternehmen und Start-ups Nachsehen bei der Verteilung von Hilfsgeldern, geben die Wifo-Experten zu bedenken. Geringes Eigenkapital und geringe Liquiditätsreserven seien für viele Firmen ein Problem. Wifo-Chef Christoph Badelt fordert deshalb Nachbesserungen vonseiten der Regierung. Auch seien die Zahlungen aus dem Härtefonds möglicherweise zu niedrig. Wie viele Konkurse es geben werde, hänge davon ab, wie lange die Hilfsmaßnahmen aufrecht bleiben, so Badelt.

Globales Umfeld lastet schwer

Abgesehen davon: Ob die wirtschaftlichen Schäden der Corona-Pandemie noch härter ausfallen, liegt nicht allein in der Hand der Bundesregierung. Unterstellt man eine stärkere Abschwächung der internationalen Konjunktur, könnte das heimische BIP um mehr als sieben Prozent schrumpfen, so die Wifo-Ökonomen. Das Budgetdefizit würde in diesem Szenario auf zehn Prozent des Inlandsprodukts ansteigen.

Christoph Badelt, Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts, beurteilt die Maßnahmen der Regierung als richtig. Er sieht Österreich sowohl im Gesundheits- als auch im Wirtschaftsbereich als Vorreiter.
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Freilich könnte sich die Wirtschaft auch besser entwickeln als im Hauptszenario der Forscher. Allerdings seien die Prognosen eher zu optimistisch als zu pessimistisch, dämpft man beim Wifo die Erwartungen. Jedoch gibt man zu bedenken, dass seriöse Prognosen derzeit schwierig seien. Einen staatlich verordneten Nachfrage- und Produktionsverzicht habe es noch nie gegeben, es fehlen die Vergleichsszenarien.

Jede Menge Schocks

Ökonomisch gesprochen kommen derzeit eine ganze Reihe an negativen Schocks zusammen. Die Schließung von Produktionsstätten erzeugt einen Angebotsschock. Aber auch nachfrageseitig gibt es Verwerfungen: Weil Menschen beispielsweise arbeitslos werden oder aufgrund von Kurzarbeit weniger verdienen, wird weniger nachgefragt. Auch die Ausgangssperren reduzieren die Nachfrage nach Konsumgütern.

Dass die Beschäftigung in diesem Umfeld vergleichsweise moderat zurückgeht, führen die Wifo-Experten auf die Kurzarbeit zurück. Würde es dieses Instrument nicht geben und würden nach dem Abbau von Überstunden alle überschüssigen Arbeitskräfte entlassen, wäre der Rückgang der Beschäftigung demnach um 2,5 Prozentpunkte höher.

Der von den Beschränkungen hart getroffene Dienstleistungssektor dürfte sich im dritten Quartal deutlich erholen. Freilich mit Ausnahmen: Denn Beschränkungen bei Großveranstaltungen und im Reiseverkehr dürften länger aufrecht bleiben als die Einschränkungen in anderen Sektoren. So erwarten die Wifo-Experten eine schleppende Erholung etwa in der Hotellerie und dabei vor allem im Städtetourismus, der stark auf ausländische Touristen, die mit dem Flugzeug anreisen, ausgerichtet ist.

Nach der Krise die Steuerreform

Wenn die reine Corona-Wirtschaftskrise einmal durchgestanden ist – laut Badelt könnte das im September oder Oktober der Fall sein –, sei es Zeit, sich Gedanken über ein wirtschaftspolitisches Gesamtkonzept inklusive Steuerreform zu machen, sagt der Wifo-Chef. Er spricht sich gegen voreilige steuerpolitische Maßnahmen aus.

Für Debatten über die Finanzierung der Corona-Maßnahmen sei es zu früh, man kenne den Finanzierungsbedarf noch nicht, sagte er in Richtung Vermögenssteuern. Auch sei es nicht sinnvoll, jetzt rasch in einzelnen Branchen die Umsatzsteuern zu senken. Allerdings wolle er angesichts der Corona-Krise nichts ausschließen.

Dass es Nachbesserungen beim Regierungsprogramm brauche, glaubt Badelt nicht. Denn nur weil die Klimathematik derzeit keine mediale Aufmerksamkeit bekommt, sei sie nichtsdestotrotz ein zentrales Zukunftsthema.

Und zum Thema Verstaatlichung zeigte sich der Ökonom pragmatisch. Wenn eine Beteiligung an einem großen Unternehmen sinnvoll sei, um diesem durch die Krise zu helfen, und wenn der Staat anschließend mit Gewinn aussteigen kann, seien Verstaatlichungen nicht grundsätzlich abzulehnen.

Appell der Arbeiterkammer

Die Arbeiterkammer (AK) fordert angesichts des Wifo-Ausblicks von der Bundesregierung einen intensiven Fokus auf den Arbeitsmarkt. Die SPÖ warf der Bundesregierung aus ÖVP und Grünen "Realitätsverweigerung" vor und will einen "Solidarpakt". Die Neos wiederum forderten rasche und unbürokratische Hilfen für die Unternehmen.

Es gehe vor allem um Maßnahmen am Arbeitsmarkt. "Ziel muss sein, die Arbeitslosenquote von aktuell 8,7 Prozent innerhalb eines Jahres auf das Niveau von 2019 in Höhe von 7,4 Prozent zu drücken", meinte AK-Chefökonom Martin Marterbauer mit Blick auf das pessimistischere Szenario der Wifo-Ökonomen.

Dafür sei es notwendig, das Personal des Arbeitsmarktservice (AMS) um 500 Mitarbeiter aufzustocken, "um die Vermittlungstätigkeit in gute Jobs verbessern zu können". Dazu brauche es Qualifikationsmaßnahmen um etwa Arbeitslose aus dem Tourismus in Bereiche wie die Gesundheit und Pflege zu bringen sowie Investitionen in diesen Bereich sowie Kinderbetreuung, Schulen, Umwelt und Klima, um "krisensichere" Jobs zu schaffen.

AK und SPÖ beharren auf Vermögensabgabe

Auch für junge Menschen seien Programme notwendig – "um eine verlorene Generation zu vermeiden". Maßnahmen brauche es genau so für ältere Arbeitslose. Zudem spricht sich die Arbeiterkammer für eine Vermögensabgabe "zur Finanzierung des Lastenausgleichs in der Coronakrise" aus.

Auch der von der SPÖ geforderte "Solidarpakt" sieht unter anderem "unbefristete Vermögenssteuern für Millionäre und Milliardäre" vor. "Und Staatshilfen für Unternehmen kann es nur geben, wenn die ihre Steuern in Österreich zahlen und keine Boni und Dividenden verteilen", so Finanzsprecher Kai Jan Krainer.

"Von der Regierung weiß man nur, dass sie Vizekanzler Kogler nach seinem zaghaften Vorstoß für eine Erbschaftssteuer sofort auf stumm geschaltet hat." Der Sozialdemokrat wirft ÖVP und Grünen zudem vor, dass deren Abgeordnete versuchten "die katastrophalen Folgen der Corona-Krise zu verschweigen" und "Realitätsverweigerung" betrieben. (luis, APA, 23.4.2020)