Christine Rührlinger: "Ich zahle erst wieder Steuern, wenn ich dieses Geld durch den Ertrag meiner Firma erwirtschaften kann."

Foto: Hänsel & Gretel

"Ich führe als Eigentümerin von Hänsel & Gretel Österreichs größtes Geschäft für Hochzeitsmode. Wir leisten uns ein Lager mit tausenden Brautkleidern, Herrenanzügen, Ball- und Abendmode. Kunden aus ganz Österreich und Süddeutschland kommen zu uns nach Gunskirchen bei Wels. Doch seit dem Ausbruch der Corona-Krise habe ich eine halbe Million Euro Umsatz verloren.

Hochzeiten wurden verschoben, viele Termine stehen in den Sternen, manche Paare wissen nicht, ob sie überhaupt noch heiraten. Ich habe mit vielen weinenden Bräuten und Müttern geredet, bin schon eine halbe Psychologin. Es ist eine sehr emotionale Zeit.

Leere Werkstatt

Noch kommen wir finanziell über die Runden, aber es reicht – wie bei vielen anderen Händlern – nicht mehr lange. Ein Teil meiner 42 Mitarbeiter ist bereits in Kurzarbeit, meine Schneiderinnen arbeiteten weiter. Nun sind 150 Kleider und Anzüge fertig, so leer war die Werkstatt noch nie.

Wir haben um einen Überbrückungskredit angesucht. Aber was ich mit diesem Geld ganz bestimmt nicht machen werde, ist, gestundete Steuern zu zahlen. Ich zahle sie erst wieder, wenn ich dieses Geld durch den Ertrag meiner Firma erwirtschaften kann.

Hänsel & Gretel in Gunskirchen: Die Verkleinerung des Geschäfts mit Spanplatten half nicht.
Foto: Hänsel & Gretel

Wir wollten eigentlich am 14. April aufsperren und verkleinerten unser Geschäft rechtzeitig mithilfe von Spanplatten auf 400 Quadratmeter. Wir haben zwei getrennte Eingänge, was uns dabei geholfen hätte. Dann hieß es plötzlich, wir dürfen die Kleider am Kunden nicht abmessen und abstecken. Vorbei war es mit der Wiedereröffnung. Wir starten nun am 2. Mai mit sechs Beratungsterminen. Normalerweise hätten wir doppelt bis dreimal so viele.

Plexiglas statt Stofffetzerl

Das Abstandhalten ist gut und schön. Aber wir müssen unseren Kundinnen ins Kleid helfen dürfen und die Größen abstecken. Die Regeln, die für Friseure, Kosmetiker und Fußpfleger angewandt werden, müssen auch für uns gelten. Viele Bräute freuen sich bei mir auf den schönsten Tag ihres Lebens. Sie probieren Kleider um 2.000 Euro an, ihr Herz klopft, sie fallen allein schon vor Aufregung fast ihn Ohnmacht. Und dann soll ich ihnen mit einem Stofffetzerl auch noch den Mund zupicken? Beim besten Willen nicht.

Ich habe daher Mundschutz mit Plexiglas anfertigen lassen, ich will ja auch die Mimik meiner Kunden sehen. Und ich bitte sie, vorerst nur in Begleitung einer Person zu kommen. Natürlich gibt es Wichtigeres als Brautkleider. Aber viele Paare bereiten sich ein Jahr lang auf ihre Hochzeit vor. Das muss man respektieren und ernst nehmen.

Blessuren und Narben

Ich bin mir sicher, dass mein Unternehmen diese Krise meistern wird, allerdings nicht ohne Blessuren und Narben. Dafür ist es aber notwendig, dass alle an einem Strang ziehen, wir Unternehmer, die Banken, die staatlichen Einrichtungen, die Finanz – und vor allem auch die Regierung." (Verena Kainrath, 24.4.2020)