Beteuern ihre gute Zusammenarbeit "vor, in und nach" der Corona-Krise: Kanzler Kurz (ÖVP) und sein Vize Kogler (Grüne). Doch hinter den Kulissen gibt es sehr wohl Gesprächsbedarf.

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Ein öffentlich übermittelter Ratschlag von Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) an die türkis-grüne Bundesregierung in Wien sorgte am Donnerstag für Aufregung: Weil er angesichts der Corona-Krise in seinem Ländle das Koalitionsabkommen mit seinem grünen Partner Johannes Rauch vom Herbst 2019 überarbeiten will, erklärte Wallner via Vorarlberger Nachrichten, dass sich auch Kurz, Kogler und Co diese Frage stellen müssten, denn: "Bei aller Bedeutung eines ausverhandelten Regierungsprogrammes und eines Budgets, das nun ohnedies nicht hält, müssen wir eine neue politische Agenda für das Land entwickeln." Nachsatz, der bei den Grünen für Irritationen sorgte: "Natürlich werden ökologische Fragen weiterhin dazugehören, aber es wird Verschiebungen geben."

Dass ein ÖVP-Landeshauptmann der berüchtigten Westachse derart unverhohlen solche Überlegungen wälzt, sorgte bei der Ökopartei sofort für hektische Gespräche: Vier von fünf Telefonaten drehten sich am Vormittag um Wallners vieldeutigen Vorstoß, erzählt eine Grüne. Dass es im Zuge der Corona-Krise zu Änderungen komme, daran bestehe kein Zweifel, daher werde man das jetzt im direkten Gespräch mit den türkisen Koalitionären ansprechen. Denn auch angesichts der globalen Misere wegen des Virus könne der Klimaschutz, der in die Kompetenz von Ministerin Leonore Gewessler fällt, jetzt sicher nicht auf der Strecke bleiben. Im Gegenteil: Es brauche neue Überlegungen für die regionale Landwirtschaft ebenso wie ein Reduzieren der Emissionen und keine Verschiebungen, heißt es auf grüner Seite.

Kurz und knapp

Gegen Mittag kam es dann zu einer Klarstellung auf höchster Ebene: In einer knappen schriftlichen Stellungnahme an die APA betonten Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seine Vize Werner Kogler (Grüne) ihre gute Zusammenarbeit – ohne auf Wallners Empfehlungen näher einzugehen. Zuvor hatte der Landeshauptmann selbst schon allfällige Neuwahlspekulationen auf Landes- wie auf Bundesebene zurückweisen müssen. Doch reicht das aus?

Fest steht, dass seit dem Wochenende, mit Publikwerden des Umfragehochs für die Kanzlerpartei ÖVP, das ihr für einen Urnengang bis zu 48 Prozent ausweist, wilde Gerüchte rund um einen möglichen Koalitionsbruch sprießen. Fest steht auch, dass schon zuvor nicht allzu viele Grüne bei Wetten auf die Haltbarkeit der Koalition einen hohen Einsatz riskiert hätten. Als eine Art Sollbruchstelle ist schon bei Antritt der Regierung die Einführung der ökosozialen Steuerreform immer wieder genannt worden, die für Herbst 2021 geplant ist.

Diese Reform ist auch der Hauptgrund, warum sich die Grünen eine Koalition mit der ÖVP "antun", wie es hinter vorgehaltener Hand heißt. Die für Grüne schmerzhaften türkisen Themen wie Sicherungshaft oder strikter Umgang mit Asylwerbern werde Wallner ja nicht gemeint haben, sagt eine grüne Strategin. Wenn Kurz tatsächlich Abstriche beim Klimaschutz wolle, hätte Grün nur mehr die Wahl zwischen "Pest und Cholera". Sprich: eben Neuwahlen oder mit noch mehr Zugeständnissen mitregieren.

Klimakomplex kein lästiges Insekt

Vorarlbergs Grünen-Chef Rauch will wegen Wallners Worten keine hohen Wellen schlagen. Zur APA sagte er, dass sich durch die Corona-Krise in den Budgets zwar neue Schwerpunkte ergäben, der Klimakomplex werde auf Landes- wie auf Bundesebene aber weiterhin eine Rolle spielen, denn: "Das ist ja kein lästiges Insekt, das man von der Schulter wischt", stichelte er.

Sonst hält sich Rauch mit Kritik an der Bundes-ÖVP eher nicht zurück: Erst am 20. April twitterte er: "Wenn ich höre, dass @rudi_anschober seit neuestem in so genannten 'Hintergrundgesprächen' (...) systematisch und gezielt schlecht gemacht wird, dann zeigt das: er macht seinen Job gut – und ist in den Augen der Sonnenanbeter der Sonne zu nahe gekommen ..." (Jan Michael Marchart, Fabian Schmid, Nina Weißensteiner, 23.4.2020)