Eingemottete Maschinen und stehende Bänder im Opel-Werk in Wien-Aspern.

Fotos: Robert Newald

Wien – Es sieht trist aus an diesem sonnigen Tag vor dem Opel-Werk in Wien-Aspern. Kaum Autos auf den weitläufigen Parkplätzen, kaum Menschen. Wo sonst täglich hunderte Mitarbeiter ein- und ausgehen und 800 bis tausend Motoren vom Band laufen, stehen die Maschinen in der gut einen Kilometer langen Halle seit Mitte März still. Werkzeuge, Gerätschaft und Roboter sind mit Plastikfolien abgedeckt und eingemottet – so, als hätte das Anfang der 1980er-Jahre von General Motors angesiedelte und immer wieder unter dem Druck der Eigentümer stehende einstige GM-Powertrain-Werk ausgedient.

Aber alle Türen stehen offen. Abgesehen von der dreiköpfigen PSA-Mannschaft, die Medienleuten vorführt, wie die Kfz-Teileproduktion in Corona-Zeiten vonstattengehen kann, und dem Wachdienst ist allerdings kaum jemand da.

Patriotismus bis zur letzten Minute in der auslaufenden Motorenfertigung in Wien.
Foto: Robert Newald

Seit bald sechs Wochen sind die rund tausend im früheren General-Motors-Werk und in Vertrieb und Verkauf Beschäftigten in Kurzarbeit, produziert wird seither nichts. "Aber wir könnten jederzeit starten", sagt die neue Personalchefin der PSA-Gruppe in Österreich, Daniela Palmberger-Kals, hoffnungsfroh und skizziert das Prozedere – vorausgesetzt der Mutterkonzern PSA (Peugeot, Citroen, DS und Opel) gibt bald das "Go". Da die deutschen Autobauer bereits auf den Neustart drängen, dürfte dies auch in der PSA-Group nur mehr eine Frage der Zeit sein.

Hygiene, Hygiene, Hygiene

Wann immer dieser Tag null sein wird: Er wird für die in zwei Schichten à rund 400 Mitarbeiter tätigen Opel-Arbeiter mit Schulungen in Sachen Hygiene beginnen: Händewaschen, Abstandhalten, auch bei den brunnenartigen riesigen Waschbecken und den Kästen. Wer in seine Schicht zurückkommt, muss seinen Spind leeren und bekommt in angemessenem Abstand einen neuen zugewiesen. Überall hängen Plakate, die an die Covid-19-Prophylaxe erinnern. Während der Schicht laufen die Bänder halb so schnell, um das Abstandhalten zu erleichtern. Jede Stunde ertönt Musik, dann sind Hände und Werkzeug zu reinigen und zu desinfizieren. Das sei notwendig, weil jedes Teil von vielen Monteuren angefasst wird.

Die gelben Linien im Abstand von eineinhalb Metern gleich beim Eingang sind übrigens nicht zum Tempelhüpfen, sie dienen als Richtlinien für das Abstandhalten am Anfang und Ende jeder Schicht. Auch das will geübt sein.

Nur mehr Getriebe

Ein Teil der Opelaner wird die Markierungen im Herbst nicht mehr brauchen, denn im August läuft, wie berichtet, die Motorenproduktion für den Opel Corsa, GM und Korea aus – und mit ihr der Sozialplan. Dann werden rund 200 Mitarbeiter ausgedient haben, und die sohin auf 600 Beschäftigte geschrumpfte Belegschaft wird nur mehr Getriebe für Opel und Peugeot produzieren. Diesfalls auf PSA-Plattformen. "Den Motor hätten wir unter GM-Führung auch verloren", sagt ein Belegschaftsvertreter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. PSA-Unternehmenssprecher Christoph Stummvoll will Stückzahlen und Produktpläne nicht kommentieren, man veröffentliche grundsätzlich keine Produktionszahlen.

Nocken- und Kurbelwellen made in A – noch zieren sie den Eingangsbereich der Produktion.
Foto: Robert Newald

Was in den Hallen nach Auslaufen der Motorenproduktion passieren wird, ist offen. In Kreisen der Wiener Stadtregierung ist von Gewerbebetrieben die Rede, die nächst der Seestadt Aspern angesiedelt werden könnten. Verkaufen kann PSA das Gelände nicht, es ist gepachtet, gehört der Bundesimmobiliengesellschaft.

Verkleinerung im Herbst

Aber noch ist Verkleinerung ohnehin kein Thema, PSA will die Fertigung erklärtermaßen fortführen, Bestandsgarantien gibt es aber nicht. Der Ausblick ist seit der Corona-Krise düster: Die französische Mutter rechnet im Gesamtjahr mit 20 Prozent Einbruch, wobei in Europa und Lateinamerika je nach Dauer der Krise ein Viertel wegbrechen dürfte. Der Konzernumsatz sackte im ersten Quartal um 15,6 Prozent auf 15,2 Milliarden Euro ab, der weltweite Absatz um gut 29 Prozent auf rund 627.000 verkaufte Fahrzeuge. Angaben zum Gewinn machte PSA nicht, die Liquidität sei dank eines Milliardenkredites gesichert. Die Mega-Fusion mit Fiat Chrysler erleichtert die Sache nicht.

Kaufanreize?

Da wären die von Autoherstellern und Händlern bereits geforderten Abwrack- oder Kaufprämien mit Sicherheit hilfreich. Allerdings gibt es viele Argumente gegen solch einen Kaufanreiz. Der deutsche "Autoprofessor" Ferdinand Dudenhöffer hält eine "Nachfragesteuerung" für notwendig und sinnvoll, aber nicht eine Abwrackprämie. Auch von einer Erhöhung der Umweltprämie für Elektroautos verspricht er sich nicht viel, dazu sei der Marktanteil von E-Autos viel zu gering. Eher aus dem Markt gedrängt würden Spritfresser durch eine Erhöhung des CO2-Preises.

Einkaufsgutscheine wiederum würden primär den Absatz von ausländischen Automarken ankurbeln, denn die Kfz deutscher Hersteller wären dafür zu teuer, während die von der FDP getrommelten Steuersenkungen angesichts der Wirtschaftsflaute auf der hohen Kante landen würden.

Bleibt eine laut Dudenhöffer unkomplizierte Maßnahme: eine zeitlich begrenzte Mehrwertsteuersenkung für höherwertige Konsumprodukte. Sie käme Mercedes-, Porsche- und BMW-Käufern gleichermaßen entgegen – und den Arbeitsplätzen in Europa. Gepaart mit einer höheren Treibstoffbesteuerung könnte der Nachfrageimpuls finanziert werden, rechnet Dudenhöffer vor.

Abwrackprämie als Brandbeschleuniger

Forscher der Uni Wien und der Universität für Bodenkultur fordern hingegen eine Mobilitätswende statt Belohnungen für Autokäufer. Autofahrer mit Steuergeld dafür zu belohnen, dass sie ihr altes Fahrzeug abwracken lassen und sich dann ein neues kaufen, wäre klimapolitisch widersinnig. Bereits vor der Coronakrise sei "offensichtlich" gewesen, dass die Autobranche ein totes Pferd reite und in eine Krise schlittere. findet Heinz Högelsbeger, Mitarbeiter in dem Forschungsprojekt zur Rolle der Beschäftigten und Gewerkschaften im sozial-ökologischen Umbau der Automobilindustrie rund um Professor Ulrich Brand (Universität Wien) drastische Worte. "Die Coronakrise wirkt hier wie ein Brandbeschleuniger eines schon zuvor lodernden Feuers." Eine schlechte und rückwärtsgewandte Politik werde "nicht dadurch besser, dass man sie alle paar Jahre wiederholt." Allein die Produktion eines Autos verursache im Schnitt so viel klimaschädliche CO2-Emissionen wie rund 30.000 Kilometer Autofahren.

45 Millionen "Ökoprämie"

Im Jahr 2009 hatte die Verschrottungsprämie den heimischen Autohändlern ein Rekordverkaufsjahr beschert. Insgesamt wurden rund 30.000 "Ökoprämien" (so die offizielle Bezeichnung) zu je 1.500 Euro vergeben, bezahlt haben die insgesamt etwa 45 Millionen Euro der Staat und die Autohäuser zusammen. (Luise Ungerboeck, 24.4.2020)