Irene Zavarsky kann ihr Kampfsportstudio derzeit nicht benützen, soll aber weiter dafür Miete zahlen – das sieht sie nicht ein.

Foto: Vidaflex/P. Fuchs

Viele Mieter von Geschäftsräumen können ihre Lokale wegen der Corona-Pandemie derzeit nicht verwenden. Sie versuchen deshalb, bei ihren Vermietern eine Mietzinsreduktion zu erreichen. Das klappt in vielen Fällen, in vielen aber auch nicht – obwohl die allermeisten Zivilrechtsexperten nicht daran zweifeln, dass die Mieter einen rechtlichen Anspruch darauf haben.

Was also tun, wenn der Vermieter partout nicht mit sich reden lässt? Patrice Fuchs vom Vorstand der Gewerkschaftsinitiative Vidaflex, die Klein- und Einpersonenunternehmen (EPUs) vertritt, hat darauf eine klare Antwort: vorerst gar nichts zahlen. Diese Losung gibt sie an ihre vielen Mitglieder aus, die von Corona-bedingten Umsatzrückgängen betroffen sind. "Denn einerseits sind die Chancen für Vermieter, mit einer Räumungsklage erfolgreich zu sein, sehr gering", sagt sie dem STANDARD – zum anderen könne man ja immer noch (nach)zahlen, wenn es tatsächlich zu einer Räumungsklage kommen sollte.

Drohung mit Räumungsklage

Fuchs führt selbst ein kleines Einrichtungsgeschäft im sechsten Wiener Bezirk. Es hat 35 Quadratmeter Verkaufsfläche, "das heißt, es dürfen derzeit ein bis zwei Personen hinein". Auch sie selbst war bisher aber bei ihrem Vermieter mit einer Mietzinsreduktion nicht erfolgreich.

So wie viele andere kleinere Gewerbemieter auch. Bei Vidaflex hat sich etwa eine Heilmasseurin aus Niederösterreich gemeldet und berichtet, dass ihr Vermieter – eine große Immobilienverwertungsgesellschaft – mit Räumung droht, wenn sie nicht bis zum Sommer die offene Miete nachzahlt. Und auch Irene Zavarsky, die in Wien-Brigittenau ein Studio für Selbstverteidigung und Kampfsport betreibt, fühlt sich von ihrem Vermieter, einer großen österreichischen Bank, unter Druck gesetzt. "Zu den bereits bestehenden existenziellen Ängsten muss man jetzt noch gegen einen viel größeren Gegner um sein Recht kämpfen", sagt sie. "Das ist wie auf einen Schwächeren hinzuhauen: einfach unfair."

Fuchs zitiert aus den vielen Antwortschreiben der Vermieter, die sie weitergeleitet bekam: Die rechtliche Lage sei noch unklar, das Geschäftslokal sei nicht gänzlich unbrauchbar, denn es könnten trotz behördlicher Schließung die Mitarbeiter das Lokal betreten, oder die Miete könne nur gestundet werden, heißt es da oft.

Empfehlung: Unter Vorbehalt zahlen

Stundungen werden derzeit tatsächlich oft angeboten, was wohl auch daran liegt, dass ein Mieter, der einer Stundung zustimmt, später die Miete kaum mehr reduzieren kann. Empfohlen wird deshalb, generell nur unter Vorbehalt zu zahlen.

Dafür, dass die rechtliche Lage "unklar" ist, sorgt allerdings auch die Wirtschaftskammer. Als Justizministerin Alma Zadić am 20. März im Nationalrat die Rechtsansicht vertrat, dass "aus den Paragrafen 1104 und 1096 ABGB abgeleitet werden kann, dass der Vermieter das Risiko dafür trägt, dass der Geschäftsraum wegen außerordentlicher Zufälle nicht gebraucht werden kann", freute sich Wiens Kammerpräsident Walter Ruck über die Klarstellung. "Damit werden tausende Unternehmer entlastet, deren Lokale und Räume gesperrt sind. Ein wichtiger Schritt, damit die Unternehmer nicht in ihrer Existenz bedroht sind."

Gegenteilige Rechtsansichten in der WKÖ

Beim WKÖ-Fachverband der Immobilientreuhänder sieht man die Sache aber anders. Auf dessen Website findet sich eine "kritische Analyse", verfasst vom Mitarbeiter einer Wiener Kanzlei, in der folgendermaßen argumentiert wird: Der "Wiederherstellungsaufwand", von dem ein Vermieter gemäß § 1104 ABGB im Falle eines außerordentlichen Zufalls wie eines Feuers oder einer Überschwemmung befreit wird, gehe ja offenbar von einer (physischen) Gebrauchsbeeinträchtigung des Mietobjekts aus. Eine solche liege im derzeitigen Krisenfall aber nicht vor. Vielmehr könnte es sich bei der derzeitigen Situation gemäß § 1107 ABGB um einen "dem Bestandnehmer zugestoßenen Unglücksfall" handeln, also der Sphäre des Mieters zuzurechnen sein, wodurch dieser auch die Miete zu zahlen habe.

Viele Vermieter berufen sich derzeit auf diese Rechtsansicht. Wie berichtet, sehen aber die allermeisten Zivilrechtsexperten die Sache so wie die Justizministerin: Die rechtliche Grundlage für zumindest eine Mietzinsminderung sei in vielen Fällen gegeben, sofern nicht im Mietvertrag ausdrücklich festgehalten wurde, dass der Mieter die Haftung für die zufällige Unbrauchbarkeit des Mietgegenstandes übernimmt.

Klarstellung nicht erwünscht

Eine Initiative der SPÖ, gesetzlich eine Klarstellung herbeizuführen, scheiterte. Die Regierung will die Frage offenbar vom OGH entschieden haben – was erst in ein oder zwei Jahren der Fall sein wird. Für viele Kleinunternehmer könnte das zu spät sein. (Martin Putschögl, 24.4.2020)