Früher war das Wetter auch nicht besser, aber die Auswirkungen des Klimawandels waren noch nicht so sichtbar.

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Schlechtwetter wäre derzeit eine gute Nachricht, so fällt es uns leichter, zu Hause zu bleiben als bei Sonnenschein. Dabei gibt es gar kein schlechtes Wetter, zumindest in unserer Familie nicht. "Hallo, wie ist es?", fragten wir vor Corona am Telefon. Nicht etwa: "Wie geht es dir?" Die erste Frage galt dem Wetter. Das Reden übers Wetter wird gemeinhin als Smalltalk missverstanden. Dabei sind wir stärker davon abhängig, als uns bewusst ist.

Nicht umsonst behandeln Bauernregeln seit Jahrhunderten die Gunst oder Ungunst der Witterungsbedingungen, versuchen Regelmäßigkeiten und Anhaltspunkte für Aussaat und Ernte festzumachen. Da ist es nur logisch, dass in einem nächsten Schritt über die Beeinflussung des Wetters durch den Menschen nachgedacht wird.

Das sogenannte Hagelschießen mittels Kanonen und Raketen wird bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts eingesetzt. In China, nicht nur derzeit bekannt für rigorose Maßnahmen, ließ man 2008 zur Eröffnung der Olympischen Spiele gar mit Silberjodid auf Regenwolken schießen. Kein Regentropfen sollte die Feierlichkeiten stören.

Wetter ist nicht gleich Klima

Das bringt uns zu einem wichtigen Missverständnis: Wetter ist nicht gleich Klima. Vereinfacht gesagt: Während das Wetter den Zustand der Atmosphäre zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten lokal eingegrenzten Ort beschreibt, meint Klima den Zustand über lange Zeiträume von Jahrzehnten bis hin zu erdgeschichtlichen Skalen.

Die Beschreibung des Klimas erfolgt über die Messung von Luftdruck, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Wind, Bodenfeuchte oder z. B. auch Salzgehalt im Ozean. Dazu kommen Strahlung, Wind, Verdunstung, Niederschlag, Meeresströme und chemische Umwandlungen.

Erfasst werden der Mittelwert, Abweichungen vom Mittelwert und Extremwerte und eventuell quasi periodische Schwingungen, also Phänomene, die regelmäßig wiederkehrend auftauchen. Um mit dem österreichischen Ex-Kanzler Fred Sinowatz zu sprechen: Es ist alles sehr kompliziert.

Wenden wir uns also wieder dem Augenscheinlichen zu: Die Sonne scheint, es regnet, Wolken sind am Himmel, es geht ein Wind. Das Reden übers Wetter fußte in meiner Familie auf dem Abgleich von Theorie und Praxis: "Wie ist es bei euch? Wie viel Grad hat es?" Die Freude am Sonnenschein ist dabei nicht größer als die Freude darüber, dass eine der unzähligen Wetterapps das Wetter möglichst genau vorhergesagt hat.

Cirrus, Cumulus und Stratus

Die wissenschaftliche Erforschung des Wetters als solches stammt – wenig überraschend – aus Großbritannien. Anfang des 19. Jahrhunderts, genau gesagt im Jahre 1802, hält ein zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannter junger Chemiker in London seinen Vortrag "Über die Modifikationen der Wolken" – und wird damit berühmt.

Mit seiner Einteilung in Cirrus, Cumulus und Stratus und deren Untergruppen legt Luke Howard den Grundstein der modernen Meteorologie. Sogar Goethe lobte die Arbeit des Forschers: "Durch Howards glücklichen Gedanken, die Wolkenbildungen zu sondern, zu charakterisieren, zu benennen, sind wir mehr, als man glauben könnte, gefördert worden."

Nur wenig später und aufbauend auf Howards Klassifikationen gelingt Francis Beaufort die Entwicklung einer objektiven, nummerierten, aufsteigenden Skala mithilfe von Zahlen und Buchstaben für die Windstärken, die die Seefahrt bis dahin vermisste.

Es dauerte aber länger, bis sich die neue Windskala durchsetzte: 1829 wurde Beaufort zum Hydrografen der Marine ernannt, 1838 übernahm sie die Admiralität obligatorisch für alle Schiffe der Navy. Aus den Logbüchern entstand so wertvolles, weil erstmals vergleichbares Material für die meteorologische Forschung.

Früher war das Wetter auch nicht besser, nur die Vorhersage schlechter. Durch die Rechenstärke der heutigen Computer können Millionen von Daten in immer kürzerer Zeit in immer komplexeren Modellen berechnet werden. Inzwischen sind seriöse Vorhersagen von bis zu zehn Tagen möglich.

Für den nächsten Tag gibt es bereits eine Trefferquote von über 90 Prozent. Trotzdem fällt es uns eher auf, wenn die Wetterprognose nicht stimmt. Das hat mit unserem subjektiven Empfinden zu tun. Wenn wir den Schirm umsonst mithatten, merken wir uns das eher, als wenn sowieso Sonnenschein angesagt war.

Drinnen bleiben

Selbst wir, die wir uns derzeit überwiegend drinnen aufhalten müssen, sind trotzdem auf viele Weisen vom Wetter beeinflusst: Das Licht hat entscheidende Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Herbst- und Winterdepressionen aus Lichtmangel sind in der nördlichen Hemisphäre weit verbreitet.

Der Melatoninhaushalt hat großen Einfluss auf unser Schlafverhalten, er reguliert unseren Tag-Nacht-Rhythmus, Melatonin ist ein wichtiges Antioxidans. Wie viel davon das rechte Maß ist, darüber ist sich die Forschung aber noch nicht einig. Ebenso wie beim Schlaf.

Insgesamt ist dieser Zustand erstaunlich wenig erforscht dafür, dass wir beinahe ein Drittel unseres Lebens schlafend verbringen. "Lux tanken", also hinaus ins Freie an die frische Luft gehen bei jedem Wetter, ist also ein familiäres Hausrezept für die Gesundheit, das sich leider nicht immer umsetzen lässt.

Wetter und Schmerz

Die Abhängigkeit vom Wetter hat aber auch andere Aspekte: Die sogenannte Wetterfühligkeit geht einher mit der Neigung zur Migräne, deren Ursachen ebenfalls noch nicht ausreichend erforscht sind. Fest steht, dass sie eine genetische Disposition hat und multifaktoriell ist. Auch das Wetter in Form des Luftdrucks spielt eine Rolle.

Wetterfühlige spüren die Schwankungen des Luftdrucks zwischen Hoch- und Tiefdruckgebieten – und umgekehrt – und reagieren mit rasenden Kopfschmerzen. Dabei geht der Schmerz so genau mit dem Wetter einher, dass Betroffene den Wetterumschwung z. B. zwischen Ternitz und Wien (80 Kilometer Entfernung) auf wenige Stunden genau vorhersagen können.

Das Wetter bereitet uns aber nicht nur Kopfschmerzen, es ist auch Quelle der Inspiration: So komponiert die isländische Sängerin Björk neuerdings mithilfe künstlicher Intelligenz, die auf Wetteränderungen reagiert.

Dafür wurde auf dem Dach des Sister City Hotel in New York eine Kamera angebracht, deren Daten von der KI mithilfe von Björks Chor-Arrangements aus den letzten 17 Jahren zu neuen Musikstücken geformt werden. Der Name des Projekts lautet "Kórsafn", was im Isländischen so viel wie "freier Chor" bedeutet.

Die Musik wurde am laufenden Band in die Lobby des Hotels übertragen – und wird hoffentlich bald wieder von vielen Menschen gehört werden können. (Tanja Paar, 27.4.2020)