Menschen haben oft überzogene Erwartungen an Robotik und KI. Die Corona-Pandemie bedingt derzeit einen Reality-Check.

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Zur gleichen Zeit, als weltweit drastisch klar wurde, dass Corona kein chinesisches Problem bleiben würde, erschien in der Zeitschrift "Science Robotics" ein enthusiastischer Leitartikel. Die Zeit der Roboter sei gekommen, verkündete eine Gruppe von Forschern. "Die langweiligen, schmutzigen und gefährlichen Aufgaben" im Umgang mit Infektionskrankheiten könnten nun die Maschinen übernehmen.

Und tatsächlich mehren sich Berichte über den erfolgreichen oder geplanten Einsatz von Maschinen – vor allem in jenen Situationen, die für Menschen derzeit zu gefährlich sind. In chinesischen Spitälern fahren dänische Maschinen des Herstellers UVD Roboter autonom durch die Gänge und vernichten mit ultraviolettem Licht Viren und Bakterien. Die Desinfektionsroboter wurden bereits Mitte 2019 vorgestellt und sind inzwischen sehr gefragt.

Nicht nur zur Reinigung, sondern auch überall dort, wo medizinisches Personal derzeit dringend Entlastung braucht, setzt man auf die Hilfe von Maschinen. Der deutsche Industriedienstleister Boka Automatisierung entwickelt eine Testanlage, die an Drive-through-Services erinnert. Die Anlage soll kontaktlose Corona-Tests möglich machen. Über ein Tablet identifiziert sich der Autofahrer durch das Seitenfenster seines Fahrzeugs, ein Roboterarm überreicht ihm das Teströhrchen. Eine Videoanleitung leitet die Probenentnahme an. Das Teströhrchen wird danach wieder vom Roboter eingesammelt.

Hohe Akzeptanz für Roboter in Gefahrensituationen

Wird der hilfreiche Einsatz der Roboter in der globalen Corona-Krise unsere Akzeptanz für die Maschinen in Zukunft erhöhen? "Ja", sagt die Roboterpsychologin Martina Mara vom Institute of Technology der Johannes-Kepler-Universität in Linz. Insgesamt betrachtet gibt es zwar in der breiteren Bevölkerung noch relativ viel Skepsis gegenüber Robotern und künstlicher Intelligenz, sagt die Wissenschafterin. Doch eine Eurobarometer-Befragung mit fast 28.000 Personen ergab parallel, dass 84 Prozent der Europäerinnen und Europäer mit der Idee einverstanden sind, wenn Roboter für Tätigkeiten eingesetzt werden, die für Menschen unangenehm sind oder sie sogar in Gefahr bringen. "Das ist genau das, was wir in der aktuellen Extremsituation an vielen Stellen beobachten können", erklärt Mara.

Im Spital von Varese (Lombardei) bekommen die Ärzte Hilfe von Blech-Kollegen.
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Corona-Roboter auf der Intensivstation

Wie sieht es aber mit jenen Situationen aus, in denen wir mit intimen menschlichen Begegnungen rechnen, wie etwa bei der direkten Versorgung der Patienten im Krankenbett? In der norditalienischen Stadt Varese kommen derzeit dort Roboter zum Einsatz, wo Lebensgefahr für Ärzte und Krankenschwestern besteht. Mobile Maschinen messen den Puls der Corona-Patienten. Dies erlaubt es den Medizinern, sich selbst aus den Patientenzimmern fernzuhalten und wichtige Daten in einem separaten Raum abzulesen.

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Roboter als Helfer auf einer italienischen Intensivstation. Die Maschine misst den Puls der Corona-Patienten.
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Die Roboter sind zwar immun gegen das gefährliche Virus, doch sie sind auch kein menschliches Pflegepersonal, sie sind kühle und recht einfache Maschinen. Einige dieser "Corona-Roboter" haben Bildschirme und Sensoren anstatt eines menschlichen Kopfs. Andere sind noch einfacher gebaut und erinnern ein wenig an einen schwarzen Besenstiel auf Rädern.

Doch gerade diese rudimentäre Ausstattung könnte in Zukunft die Akzeptanz erhöhen, sagt die Roboterexpertin Martina Mara. "Menschen sehen nun, dass diese Maschinen keinerlei Ähnlichkeit mit Science-Fiction-Humanoiden haben, sondern vielmehr Tools sind, mobile Werkzeuge, die wir uns zunutze machen können", so Mara. Dieser Reality-Check sei wichtig, denn die Menschen haben oft falsche Vorstellungen oder völlig überzogene Erwartungen an KI und Robotik.

Lieferflotte in Wsshington DC. Die Roboter stellen Essenbestellungen zu.
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Putzen und schlichten

In Corona-Zeiten sind es nicht nur Teile der klinischen Versorgung, die Roboter übernehmen, sondern auch Lebensmittellieferungen. In der kolumbianische Stadt Medellín fahren derzeit dutzende durch die Straßen. Sie stellen bestellte Mahlzeiten zu, kontaktlos. Ähnliche Versuche gibt es in den USA und Großbritannien. Auch im stationären Lebensmittelhandel, wo sich derzeit Beschäftigte einem hohen Ansteckungsrisiko aussetzen, kommen vermehrt Roboter zum Einsatz. Der US-Einzelhandelsriese Walmartkündigt an, bis zum Ende des Jahres seine Roboterflotte ausbauen zu wollen: Die Maschinen sollen Böden reinigen, Lieferungen sortieren und Waren scannen.

Freund und Helfer

Doch es gibt auch ein relativ neues Gebiet, das sich in Corona-Zeiten für den Robotereinsatz öffnet. In chinesischen Städten, aber auch in der tunesischen Hauptstadt Tunis patrouillieren derzeit ungewöhnliche Polizisten. Sie fordern mit Lautsprechern die Bewohner dazu auf, in ihren Häusern zu bleiben. Einige sind mit Kameras ausgestattet und lassen sich Ausweispapiere zeigen oder scannen Gesichter. Hier müsse man "gut aufpassen, welches Bild damit vermittelt wird. Allzu schnell kann dieses an dystopische Technikvisionen oder an techniklastige Überwachungssysteme erinnern", sagt Roboterpsychologin Mara.

Polizeiroboter patrouillieren derzeit in chinesischen Städten.
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Ob in der Pflege, im Verkauf oder im sensiblen Bereich der Sicherheit – die globale Pandemie beschleunigt eine Entwicklung, die sich schon länger abzeichnet: Monotone oder für Menschen gefährliche Arbeitsabläufe werden nun eher früher als später Maschinen übernehmen. Diese Entwicklung könnte sich jedoch auch auf die Arbeitslosenrate auswirken, die durch Corona ohnehin bereits astronomisch hoch ist. (Olivera Stajić, 26.4.2020)