Die Grünen wollen in einer Dringlichen Anfrage im steirischen Landesparlament Aufklärung über die alarmierenden Corona-Zahlen in den Pflegeheimen.

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Was passiert da gerade in der Steiermark? Das Bundesland, lange Zeit unter "ferner liefen", hat sich in den letzten Tagen zu Österreichs neuem Corona-Hotspot entwickelt.

Mit Stand Freitag verzeichnete das Bundesland die meisten – 604 – aktuell Infizierten und hat damit Niederösterreich (554 Fälle) und selbst Tirol (408 Infizierte) überholt. Und auch bei den registrierten Corona-Todesfällen liegt die Steiermark mittlerweile mit 119 Verstorbenen deutlich voran. Wien folgt mit 106, Tirol mit 101.

Wie konnte das passieren? Die erste Reflexverteidigung der Landesregierung verweist auf die Altersstruktur des Bundeslandes. Es sei eben überaltert, und deshalb treffe es auch überdurchschnittliche viele alte Menschen.

Ein Blick auf die Statistik relativiert diesen Einwand: In der Steiermark sind rund 20 Prozent der Bevölkerung älter als 65 Jahre, im südlichsten Bundesland Kärnten sind es fast 22 Prozent. Kärnten zählt jedoch gerade mal 34 aktuelle Corona-Fälle. Aber vor allem: Hier sind die Alters- und Pflegeheime bis jetzt nicht betroffen. Und das scheint der springende Punkt zu sein.

Im Büro der steirischen Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) weist man darauf hin, dass ein überwiegender Teil der Infektionen in Alters- und Pflegeheimen entstanden sei. Was in der Folge auch die hohe Anzahl der Todesfälle erkläre. Zumal beinah alle Infizierten auch an mehreren schweren Vorerkrankungen gelitten hätten.

Die Steiermark ist im Pflegebereich seit Jahren ohne Zweifel ein Sonderfall. Vor einigen Regierungsperioden hatten ÖVP und SPÖ paktiert, auch Private in den Pflegebereich "hineinzulassen".

Pflege als Goldgrube

In der Folge entstand ein Wildwuchs neuer, privater und gewinnorientierter Pflegeeinrichtungen. Die Szene "explodierte" förmlich. Zum Vergleich: Niederösterreich verfügt aktuell über 116 Pflegeheime, davon sind 55 privat, in Oberösterreich sind es 133 Pflegeheime, davon 27 gewinnorientierte Unternehmen, die Steiermark verzeichnet 223 Heime – beinah doppelt so viele wie Niederösterreich –, davon sind 184 unter privater Führung. Tatsache ist, dass sich in all den Jahren einige Betreiber "eine goldene Nase" verdient haben, weiß ein Insider der Pflegebranche. "Die Steiermark hat mit dieser Vielzahl an gewinnorientierten Einrichtungen eindeutig ein Strukturproblem", sagt die Grünen-Klubobfrau im Landtag, Sandra Krautwaschl, im Gespräch mit dem STANDARD.

Krautwaschl will nun in einer dringlichen Anfrage an die zuständige Landesrätin Bogner-Strauß eine exakte Aufklärung dessen, wie die exorbitant hohen Fall- und Todeszahlen ursächlich mit dem Pflegebereich in Verbindung stehen. Dass hier ein enger Konnex besteht, wird inoffiziell in Landesregierungskreisen längst bestätigt. Und ist teilweise auch bereits dokumentiert und justizanhängig. Allein in einem einzigen Pflegeheim starben elf Heimbewohner an Covid-19.

Die Staatsanwaltschaft Graz ermittelt indessen bereits in einem Fall wegen "des Verdachts der grob fahrlässigen Tötung und vorsätzlichen Gefährdung von Menschen". Eine Pflegeheimmitarbeiterin hatte eine Anzeige eingebracht. Sie sei nicht mehr bereit gewesen, "den Kopf hinzuhalten, weil Gesetze nicht eingehalten werden".

Die Grünen haben jetzt 29 Fragen an Bogner-Strauß formuliert, in denen sie Antworten verlangen, was im Bundesland im Pflegebereich schiefgelaufen ist. "Und dann müssen wir endlich Konsequenzen ziehen und diese Strukturen der Pflege im Bundesland ändern", sagt Krautwaschl. (Walter Müller, 25.4.2020)