Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sieht keinen Anlass, das Regierungsprogramm in seinen Grundprinzipien zu überarbeiten.

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Wien – Die Diskussion darüber, ob das türkis-grüne Regierungsprogramm in der vorgelegten Form halten wird bzw. in welchen Bereichen es zu Änderungen kommen könnte, ist für die Politik-Experten Peter Filzmaier und Thomas Hofer unausweichlich. Nach den finanziellen Belastungen durch die Coronakrise sei dieser Diskurs "nur logisch", analysiert Politikwissenschafter Filzmaier im Gespräch mit der APA.

Komplette Neuverhandlung unrealistisch

"Es sind jetzt schon einige Punkte Geschichte", ergänzt Polit-Berater Hofer und spricht etwa das Nulldefizit an, das durch die Corona-Hilfspakete in weite Ferne gerückt ist. Alle im Koalitionspakt vereinbarten Eckpunkte durchzuziehen und extreme Schulden zu machen, hält Hofer nicht für realistisch. Ebenso unrealistisch ist es für Filzmaier, dass das Regierungsprogramm komplett neu verhandelt werden wird. "Da würde man die Büchse der Pandora öffnen", sagte er.

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hatte die öffentliche Debatte diese Woche eingeläutet, als er sagte, angesichts der Corona-Krise müsse man nicht nur das Vorarlberger Regierungsprogramm, sondern auch jenes im Bund überdenken. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) betonten daraufhin lediglich, die Zusammenarbeit zwischen den Regierungsparteien sei gut – vor, in und nach der Krise. Neuwahlen schließt der Grünen-Chef für die Zeit der Krise aus.

Für Filzmaier ist die aufkeimende Diskussion gut nachvollziehbar. Nach solch dramatischen Ereignissen wie im Rahmen der Corona-Krise müsse man über neue Eckpunkte sprechen, findet der Politikwissenschafter. Das "beste aus beiden Welten" habe auf einer positiven Wirtschaftsentwicklung beruht – dass das jetzt nicht mehr funktionieren kann, ist für ihn klar. Interessant sei nur, ob die Regierung neue Kompromisse hinter verschlossenen Türen beraten wird oder wie Wallner auf medialer Bühne. Aber "es ist nun einmal objektiv weniger Geld da", so Filzmaier, ein Ringen um die Verteilung werde daher nicht ausbleiben.

Leuchtturmprojekte behalten

Als möglichen Ausweg sieht Filzmaier, wenn sowohl die ÖVP als auch die Grünen ein bis zwei Leuchtturmprojekte aus dem Regierungsprogramm behalten könnten. Seiner Ansicht laufe die Diskussion auf die Frage hinaus, ob sich die Regierung auf Kompromisse in Sachfragen verständigen könne oder ob es zu einer ideologischen Grundsatzdebatte komme, wie es etwa bei Vermögenssteuern der Fall sein könnte.

Hofer zeigt sich überzeugt, dass die Grünen weiterhin auf eine Ökologisierung pochen werden und dass Teile der geplanten Steuerreform beibehalten werden. In Sachen Vermögenssteuern sieht er es nicht als ausgeschlossen an, dass Kanzler Kurz darauf eingehen könnte, vielleicht anders benannt, als "Solidarabgabe" vielleicht. Ganz anders sieht das Politikwissenschafter Filzmaier, der nicht glaubt, dass es mit der ÖVP neue Steuern geben wird. Dennoch gebe es nur zwei Möglichkeiten, nämlich zusätzliche Steuern oder zusätzliche Schulden. "Schulden machen ist derzeit sehr günstig", sagt Filzmaier und nennt die Situation "natürlich verlockend". Wenn sich diese Situation allerdings verschlechtere, steige auch der Druck, über neue Steuern zu reden, so Filzmaier.

Keine baldigen Neuwahlen erwartet

An baldige Neuwahlen glauben beide Politik-Experten nicht, auch wenn sie die guten Umfrageergebnisse der Volkspartei unabhängig voneinander als "verlockend" für einige ÖVP-Strategen bezeichnen. Unter anderem wegen der unsicheren weiteren Entwicklung einer möglichen zweiten Infektionswelle, glaubt Filzmaier, dass sich bis zum Herbst wenig tun wird. Erst danach werde es wieder Strategiespiele geben. Für den Moment würde er Neuwahlen eher für ein "Hazardspiel" halten. (APA, 25.4.2020)