550 Interviews, 150 Flüge und eine Auszeichung als "Best female chef" der 50-Best-Liste und all das im Jahr 2017: Die slowenische Köchin Ana Roš ist wohl der weibliche Shooting-Star in der internationalen Kulinarik-Szene der vergangenen Jahre.

Und das, obwohl sie nicht einmal eine Kochausbildung hat, sondern eine Karriere als Diplomatin geplant hatte. Doch dann lernte sie ihren Mann Valter kennen, folgte ihm in die slowenischen Berge, ins abgelegene Soča-Tal, nicht weit von der italienischen Grenze. Dort arbeitete sie zunächst im Lokal von Valters Eltern, Hiša Franko, im Service und begann dort schließlich selbst zu kochen.

Ana Roš, Sun and Rain
ISBN 978-0-7148-7930-7
Phaidon Verlag
256 Seiten
49,95 Euro

Der Rest ist Geschichte, und diese wird im Buch "Sun and Rain" erzählt. Ana Roš entwickelte ihre eigene Küchenlinie mit regionalen Produkten, von Fleisch über Käse bis zu Wildpflanzen und -kräutern. Ihr Mann Valter ist Weinexperte, er schenkte schon Orange-Wein aus, als dieser noch nicht hip war. Gemeinsam machten sie aus dem Restaurant von Valters Eltern das, was Hiša Franko heute ist: Ein Ort, an dem man als Foodie gewesen sein muss. Die Gäste kommen aus aller Welt, das Lokal ist auf Monate hinaus ausgebucht, erst recht, seit in der Netflix-Serie "Chef's Table" eine Folge über Ana Roš erschienen war.

Das vor kurzem auf Englisch im Phaidon-Verlag erschienene Buch, beleuchtet in allen Facetten, wie es dazu kam und was die DNA des Lokals ausmacht. Es ist weniger ein Kochbuch, auch wenn in wunderschönen Bildern Gerichte präsentiert werden: Diese sind am Ende des Buches gegliedert nach den Kapiteln abgedruckt. Vielmehr ist es ein Prachtband – auch wegen der vielen Fotos aus der Region – der sehr persönliche Einblicke gibt. Dies erfolgt anhand einer Vielzahl von Porträts über Menschen, die in irgendeiner Form Einfluss auf die Geschichte von Ana Roš haben. Anas Mutter, selbst Journalistin, schreibt über die Wurzeln der Familie, über Anas Großmutter und natürlich auch über Ana selbst.

Ana Roš in der Küche.
Foto: Ana Roš: Sun and Rain, Phaidon;

Valter wird von der slowenischen Journalistin Kaja Sajovic porträtiert, die auch für eine Reihe anderer Kapitel verantwortlich zeichnet. Ana Roš wiederum erzählt vom Jagdausflug mit ihrem Vater: "My Dad is a Hunter", ihren Sommern als Kind in Istrien oder dem Reiz des Verreisens.

Foto: Suzan Gabrijan

Dazwischen geht es um die Produkte: um Sauerteigbrot, um Rinder, Forellen, Kräuter aber auch Meeresfische: Schließlich ist das Meer nicht weit und daher sind Seeigel oder Venusmuscheln ebenfalls auf der Speisekarte zu finden. Und immer gibt es dazu auch die Geschichte über die Menschen, die damit verbunden sind. Man wird mitgenommen auf den Waldspaziergang mit Miha, der das Lokal mit wilden Kräutern und Blüten versorgt, und erfährt, dass Ana Roš ganz schön stur sein kann, wenn es um die benötigten Zutaten geht. Roš erzählt von Begegnungen mit Fremden, die zu Freunden wurden, von den Schwierigkeiten, und auch immer wieder von ihren beiden Kindern, die schon von Klein auf auf Reisen mitgenommen wurden.

Das Schlusswort steuert Andrea Petrini bei, der Ana Roš im Jahr 2012 zum Köchetreff "Cook it Raw" in Polen als erste weibliche Küchenchefin eingeladen hatte. Ana sei "unsere slowenische Königin", die "beste Köchin in diesem Teil der Erde" und "Botschafterin Sloweniens". Wann das Reisen nach Slowenien wieder möglich sind, weiß man heute nicht, das Buch kann einen Besuch nicht ersetzen, aber zumindest darauf einstimmen, um die Küche von Ana Roš zu verstehen. Geöffnet soll Hiša Franko laut Homepage wieder ab 2. Juni sein. (Petra Eder, 2.5.2020)