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Ein Mann in New York ist mit Mund-Nasen-Schutz unterwegs (Symbolbild).

Foto: AP

Als Maatje Benassi im vergangenen Oktober als Radfahrerin an den Military World Games im chinesischen Wuhan teilnahm, wusste sie noch nicht, wie aus der sportlichen Challenge plötzlich eine Herausforderung ganz anderer Art werden würde. Die zivile Mitarbeiterin des US-Militärs und ihr Mann, ebenfalls bei der Armee angestellt, fürchten um ihr Leben. Seit geraumer Zeit wird Benassi von Verschwörungstheoretikern als Urheberin der Coronavirus-Pandemie dargestellt, berichtet CNN.

Urheber dieser Behauptung dürfte George Webb sein. Laut ihm liegt der Ursprung von Sars-CoV-2 nicht in China, sondern in der Militärbasis Fort Detrick in Maryland. Von dort sei das Virus mit Benassi als auserkorener "Patientin null" während des Sportbewerbs nach China gebracht worden, von wo es sich schließlich weltweit verbreitete.

Beleidigungen und Drohungen

Über seine rund 100.000 Follower auf Youtube hat sich diese Verschwörungstheorie im Netz ausgebreitet und wurde an verschiedenen Stellen mit neuen Details ausgeschmückt. Mittlerweile wird auch der Musiker DJ Benny Benassi verdächtigt, Teil des Virusprojekts zu sein. Trotz des gleichen Nachnamens besteht jedoch keinerlei bekannte Verwandtschaft zwischen dem Ehepaar und dem Italiener. Und Maatje Benassi wurde bislang weder positiv auf Covid-19 getestet, noch hat sie je Symptome gezeigt.

Die Anhänger von Webb und anderen Verbreitern von Falschinformationen scheint das wenig zu kümmern. Sie haben die Privatadresse der Benassis veröffentlicht, die sich seitdem nicht nur auf digitalem Wege mit Beschimpfungen und Drohungen konfrontiert sehen. Ihre Social-Media-Accounts haben sie mittlerweile gelöscht, weil sie mit der Flut an Bösartigkeiten nicht mehr zurande kommen. "Es ist, wie aus einem schlechten Traum aufzuwachen und täglich einen Albtraum zu erleben", beschreibt Maatje Benassi ihre Situation.

George Webb in einem seiner Youtube-Videos.
Foto: Youtube/George Webb

US-Verschwörungstheorie auch in China beliebt

Die Erzählung ist auch zum Teil der Propagandaschlacht geworden, die rund um das Coronavirus tobt. Die Darstellung, dass der Erreger aus den USA ins Land gebracht wurde, wird – zum Ärger der US-Regierung – in China von Staatsmedien wie der "Global Times" weiterverbreitet. Auch Mitglieder der Regierung, etwa der Sprecher des Außenministeriums, haben diese Version schon aufgegriffen. In chinesische Sprachen übersetzte Videos von Webb und anderen kursieren auf Weibo und anderen Plattformen, berichtet das dem konservativen Lager zugeordnete Portal "Real Clear Investigations".

Das Ehepaar Benassi fühlt sich der Situation weitgehend hilflos ausgeliefert. Versuche, die Videos entfernen zu lassen, waren nur selten erfolgreich, und häufig werden die Clips bald wieder hochgeladen. Die Behörden raten zum Rechtsweg. Doch ihr Anwalt sieht wenig Chancen, ohne kostspielige und langwierige Prozessen etwas bewirken zu können.

Google bleibt unbehelligt

Die Situation sorgt nun für Kritik an Youtube. Googles Videoportal hat zwar angekündigt, mehr gegen Verschwörungsinhalte und speziell gegen Falschinformationen bezüglich der Coronavirus-Pandemie zu tun, dennoch bleiben viele Videos online. Bis vor kurzem verdiente George Webb über die mittels Algorithmen eingespielte Werbung nach eigenen Angaben auch noch mehrere hundert Dollar monatlich über die Plattform, ehe sein Kanal schließlich demonetarisiert wurde.

Ein Umstand, der die Forscherin Danielle Citron von der School of Law an der Boston University verärgert. Laut US-Bundesgesetzen könne Google für die Verbreitung von Falschinformationen auf seiner Seite nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die Plattform sei "gegen Strafverfolgung immun. Sie können sich einfach abputzen." (gpi, 28.4.2020)