Die Schlaganfallpatienten können zum Beispiel einzelne Finger oder das Handgelenk also oft nicht gezielt bewegen.

Foto: Regine Hendrich

Die Therapie nach einem Schlaganfall kann je nach Symptomatik sehr unterschiedlich aussehen. Nach der stationären Rehabilitation arbeiten viele Patienten mit Ergo- und Physiotherapeuten an der Verbesserung ihrer Situation. Neben regelmäßigen Terminen ist es wichtig, ein maßgeschneidertes Heimübungsprogramm, das Therapeuten und Patienten vereinbaren, zu erfüllen. Hier entsteht die Herausforderung, Übungen zielgruppengerecht zu kommunizieren, sodass sie auch zu Hause korrekt absolviert werden können.

Diese Erklärungen, die mündlich oder durch Skizzen auf Papier erfolgen, sollen künftig digital unterstützt werden. Im Projekt "eTherapy" der Studiengänge Health Assisting Engineering, Computer Science and Digital Communications sowie Software Design and Engineering der FH Campus Wien arbeiten Forscher und Studierende an einer Smartphone-App, die Patienten auf Basis wissenschaftlicher Evidenzen bei Heimübungen unterstützt. Das Projekt wird von der für Wirtschaft, Arbeit und Statistik zuständigen Magistratsabteilung 23 der Stadt Wien gefördert.

Basis- und fortgeschrittenes Training

"Ein häufiges Problem nach einem Schlaganfall ist, dass ein Arm teilweise oder vollständig gelähmt ist", erklärt Projektleiterin Lena Rettinger von der FH Campus Wien. "Muskelgruppen sind nicht oder nur schlecht aktivierbar oder können nicht selektiv bewegt werden." Die Patienten können zum Beispiel einzelne Finger oder das Handgelenk also oft nicht gezielt bewegen. Nach dem Training von Basisfähigkeiten werden in der Therapie die Bewegungen gezielter und nähern sich den im Alltag wichtigen Handgriffen an.

Als Teil des Basistrainings könnte ein Patient etwa mehrmals am Tag den betroffenen Arm auf dem Tisch ablegen, sodass die Hand über die Tischkante hinausragt, um dann das Handgelenk auf und ab zu bewegen – zuerst etwa passiv mit Unterstützung der gesunden Hand, später ohne diese Hilfestellung.

Eine fortgeschrittenere Übung könnte dann das Auf- und Zudrehen eines Flaschenverschlusses sein. "Wichtig ist, die gleiche Bewegung immer wieder durchzuführen, sodass motorisches Lernen stattfinden kann", resümiert Rettinger. Das Gehirn muss das Steuern der Bewegungen erst wieder lernen.

In der Praxis würden dann Therapeuten mit Patienten etwa drei passende Ziele samt dazu passenden Übungen vereinbaren – bei dieser überschaubaren Anzahl sei laut Rettinger die Trainingsmotivation am besten zu halten. Die entsprechenden Videos – und nur diese – würden dann in der App freigeschaltet.

Nutzerfreundlichkeit

Einer der wichtigsten Aspekte der Gestaltung der Anwendung ist Usability. "Das Interface muss so einfach wie möglich beschaffen sein", betont Rettinger. "Buttons müssen groß genug sein und in entsprechenden Abständen dargestellt werden. Oft gibt es Wahrnehmungsprobleme bei den Patienten, deshalb müssen die Kontraste gut und Schriftgrößen adäquat sein. Gleichzeit darf man die Nutzer visuell nicht überfordern und nicht zu viel Inhalt auf dem Bildschirm darstellen." Die Videos werden von schriftlichen Erläuterungen ergänzt, ein Alarm erinnert an Wiederholungen.

Zu Beginn des kürzlich gestarteten Projekts – das auch im Kontext des coronabedingten Trends zur Telemedizin relevant ist – steht die Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen, etwa zu Technikakzeptanz, Motivation und Adhärenz, also unter welchen Umständen Patienten bereit sind, Therapieempfehlungen zu folgen.

Bedürfnisse von Therapeuten und Patienten werden erhoben, ebenso Feedback zu ersten Prototypen. 2021 soll die Anwendung in einer Studienphase drei Monate lang erprobt werden. Im Rahmen eines Folgeprojekts könnte dann eine größere Studie folgen, in der Therapien mit und ohne App-Nutzung verglichen werden. (Alois Pumhösel, 9.5.2020)