33.000 Menschen nutzen in Österreich 24-Stunden-Betreuung. Doch viele Betreuerinnen schauen beim Härtefallfonds durch die Finger.

Foto: imago/photothek

Jahrelang pflegten 24-Stunden-Betreuerinnen aus Osteuropa abseits der öffentlichen Wahrnehmung Österreichs Großelterngeneration – nun vergeht kaum ein Tag, an dem die Berufsgruppe nicht in Titelzeilen vorkommt. Immerhin werden Betreuerinnen mittlerweile über Ländergrenzen hinweg eingeflogen, in den letzten Tagen sorgte zudem ein Zwist über Sonderzüge in gleich mehreren Ländern für Aufsehen.

Trotz aller Aufmerksamkeit hätten die Betreuerinnen jedoch keinen ausreichenden Zugang zu Geldern aus dem Härtefallfonds gehabt, kritisierten Mittwochvormittag mehrere Organisationen und Akteure in einem offenen Brief. Der Fonds soll bekanntlich jene Unternehmer unterstützen, die hart von der Coronavirus-Krise getroffen wurden – 82.000 Anträge wurden Stand Montag gestellt. Nachdem es sich bei etwa 60.000 Personenbetreuerinnen, die in Österreich arbeiten, um selbstständige Unternehmerinnen handelt, sind also auch diese prinzipielle Adressatinnen.

Wenige Stunden danach hieß es laut Profil aus dem Büro von Vizekanzler Werner Kogler, Betreuerinnen soll der Zugang nun erleichtert werden, Probleme, wie sie in dem offenen Brief angesprochen werden, sollten unbürokratisch gelöst werden. Die Aktivistengruppe, die den Brief initiierte, ist mäßig begeistert. Auch die Empfänger des Briefes, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), kündigten Lösungen an.

Hürden für Betreuerinnen

Zu den ursprünglichen Hürden: Die "allermeisten" Betreuerinnen würden von den Zahlungen ausgeschlossen, hieß es in dem offenen Brief an Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Nämlich indem ein Einkommensteuerbescheid, eine Steuernummer und ein österreichisches Bankkonto benötigt werden. Viele Betreuerinnen aber würden unter der Einkommensteuergrenze von 11.000 Euro liegen, wird in dem Brief argumentiert. "Sie haben daher meist weder eine Steuernummer noch einen Einkommensteuerbescheid", heißt es in dem Schreiben.

Kein österreichisches Konto, nur deutsche Formulare

Viele Betreuerinnen hätten außerdem kein österreichisches Bankkonto, immerhin komme der Großteil der hier tätigen Betreuerinnen aus Osteuropa, etwa aus Rumänien, der Slowakei, Ungarn, Kroatien oder Polen. Doch ein solches Bankkonto ist Voraussetzung, um vom Härtefallfonds zu profitieren, wie auch auf der Website der Wirtschaftskammer, über die der Fonds abgewickelt wird, ersichtlich ist. Diese Hürde kritisierte kürzlich auch Wiens Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne). Die dritte Barriere: Das Antragsformular ist nur auf Deutsch verfügbar – auch das wird im Brief kritisiert.

Zumindest ein Teil der Hürden soll nun fallen: Aus Koglers Büro heißt es am Mittwoch laut Profil, die Betreuerinnen sollten innerhalb von 48 Stunden unbürokratisch eine Steuernummer lösen können. Dies gelte auch dann, wenn das Einkommen unter der Steuergrenze von 11.000 Euro pro Jahr liegt, was oftmals der Fall sei.

Aktivisten nicht mit der Lösung zufrieden

Federführend an dem Brief beteiligt war die Aktivistengruppe Drept (Gerechtigkeit in der Pflege und Personenbetreuung). Deren Mitglied Flavia Matei sagt zu den Erleichterungen: "Das Prozedere, eine Steuernummer zu bekommen, ist immer noch wahnsinnig kompliziert." Außerdem hätten Betreuerinnen dann immer noch keinen Einkommensteuerbescheid, wenn sie noch nie eine Steuererklärung machen müssen hätten. Matei warnt außerdem vor der der scheinbaren Lösung, das Geld schlicht auf das Bankkonto einer Bekanntschaft in Österreich zu überweisen. Das würde Betreuerinnen in eine Abhängigkeit zwängen – nämlich dann, wenn eine Betreuerin die Kontonummer der betreuten Person oder ihrer Vermittlungsagentur angeben müsste.

Teil der Betreuerinnen sitzt im Ausland fest

Der offene Brief wurde neben der Organisation Drept unter anderem von der Diakonie und der oberösterreichischen SPÖ-Vorsitzenden Birgit Gerstorfer unterzeichnet. Von der Direktorin der Diakonie, Maria Katharina Moser, hieß es dazu: "So groß der Aufwand ist, den man nun betreibt, um die Frauen wieder ins Land zu holen und das System wieder zum Laufen zu bringen, so klein ist auf der anderen Seite die Bereitschaft, die Leistung der PersonenbetreuerInnen auch angemessen wertzuschätzen und sie fair zu behandeln."

Moser sah es zudem problematisch, dass jene Betreuerinnen, die aufgrund der Reisebeschränkungen derzeit nicht nach Österreich kommen können, keinen Zugang zum Härtefallfonds hätten: "Sie haben ein Anrecht auf Kompensation ihrer Verdienstentgänge – so wie alle selbstständig Beschäftigten, die hier sind und denen ihr Einkommen weggebrochen ist."

"24-Stunden-Betreuerinnen leisten einen enorm wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft", hieß es von SPÖ-Landesrätin Gerstorfer, "sie sind genauso Unternehmerinnen wie alle anderen." Auch sie forderte eine Anpassung der Richtlinien, "um diese Berufsgruppe nicht auszuschließen". In dem Brief sind zahlreiche weitere Organisationen als Unterzeichner angeführt, darunter die Grünen Wien-Hietzing, die Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger, das Frauen-Lesben-Mädchen-Zentrum Wien und Wien Andas.

Schramböck und Blümel bestehen auf inländisches Konto

Blümel und Schramböck betonten gegenüber der APA, eine Überweisung an ein ausländisches Konto könnte "im Sinne der Kontrolle und der Betrugssicherheit nicht erfolgen". Eine Lösung für die 24-Stunden-Pflege werde gerade finalisiert und schnellstmöglich umgesetzt. Ob die Abwicklung der Fälle innerhalb von 48 Stunden möglich sein wird, wie dies Kogler in Aussicht gestellt hatte, konnte man im Finanzministerium nicht bestätigen. (Gabriele Scherndl, 29.4.2020)