Jeder kennt intellektuell ehrliche "Corona"-Skeptiker. Jeder kennt auch durchgeknallte Corona-Leugner und -Verschwörungstheoretiker (meist aus dem Internet). Und fast jeder fragt sich bei den Maßnahmen der Regierung, ob das jetzt wirklich hat so sein müssen. Die Schwierigkeit ist, das alles auseinanderzuhalten.

Es gibt zum Beispiel Mediziner, die mit einem gewissen Recht nach der genauen Datenbasis der Covid-19-Fälle fragen und warum die Regierung sie nicht in vollem Umfang veröffentlicht. Denen muss man zugestehen, dass ihre Fragen berechtigt sind. Das heißt aber immer noch nicht, dass Corona ein einziger, riesiger Hoax sei beziehungsweise eh nur eine saisonale Grippe und dass die Sterbedaten ganz normal seien.

Das behaupten nämlich andere Mediziner, die eine gar nicht geringe Anhängerschaft finden. Eine Anhängerschaft, die auch dadurch wenig zu irritieren ist, dass diese Mediziner schon Aids als Erfindung der Freimaurer, Bilderberger und Illuminaten bezeichnet haben und sich oft im Kreise von Rechtsextremen, Impfgegnern und Paranoikern bewegen.

Der Berliner Virologen Christian Drosten.
Foto: imago/Reiner Zensen

Und schließlich gibt es Mediziner wie den Berliner Virologen Christian Drosten, die luzide und für Laien logisch erklären können, dass es sich wirklich um eine hochgefährliche Pandemie handelt, die in einer Reihe von Staaten mangels zeitgerechter Gegenmaßnahmen schwere gesundheitliche Folgen hatte und die vor allem längst noch nicht vorbei ist. Dazu passen Statistiken, die zeigen, dass die sogenannte "Übersterblichkeit" , also eine höhere als die durchschnittliche Sterberate, bei Corona in etlichen Ländern signifikant höher ist als die in schweren Grippejahren.

Soll heißen, es gibt ein gesundes Misstrauen und ein eher ungesundes.

Gewisses Misstrauen

Berechtigt ist im Falle Österreichs sicher ein gewisses Misstrauen gegenüber manchen Motiven der Regierung. Der Lockdown war richtig. Der Geist, in dem er erfolgt ist, zeigte Anzeichen von Bevormundung und Manipulation. Private Treffen in der Wohnung sind verboten, sagte die Regierung, stimmte aber nicht.

Die Kommunikation hat mit dem Normeninhalt nicht Schritt gehalten", formuliert es der Verfassungsrechtler Heinz Mayer nobel. Anders herum: Die Regierung, Grün inklusive, hat uns einen paternalistischen Schmäh erzählt. Sebastian Kurz liebt die Krise, weil sich die Herde ängstlich um ihn schart, schreiben eine Kommunikationsexpertin und ein Gesundheitsexperte im STANDARD. Man kann ergänzen: Kurz hat grosso modo das Richtige getan, aber man kann nicht sicher sein, ob nicht eine Hidden Agenda dabei ist.

Wie zum Beispiel die verpflichtende Corona-Tracking-App, wie die Opposition argwöhnt. Oder das Differenzieren – manche sagen "Selektieren" – nach schutzwürdigen Gruppen, die halt stärker eingeschränkt bleiben. Oder was wurde aus dem Plan von Innenminister Karl Nehammer, Corona "wegzuflexen", indem Polizei in Schutzkleidung bei Virus-Verdächtigen auftaucht?

Es bleibt eine Balance auf schmalem Grat – die Beschränkungen für richtig zu halten, aber wachsam gegenüber staatlicher Bevormundung zu bleiben. Und zwar auf noch kaum absehbare Zeit. (Hans Rauscher, 29.4.2020)