Foto: Screenshot Twittter

Sollte man jemandem erklären müssen, was mit "Weiße Mittelschicht, oberes Spektrum" gemeint ist, dann hat man derzeit ein gutes Beispiel parat: die Bilder der Kampagne "Schau auf dich", mit der die Bundesregierung der Bevölkerung Verhaltensempfehlungen und Tipps für die Corona-Krise ans Herz legen will.

Diese präsentiert uns abseits davon aber auch Idealvorstellungen davon, wer was wie macht. Dabei wurde gerade in den letzten Wochen in zahlreichen Kommentaren und Artikeln das Offensichtliche benannt: dass die vielen unbeachteten, schlecht bezahlten oder unbezahlten Arbeiten – vom Handel bis zur Sorgearbeit – jetzt und auch sonst nie wegzudenken sind. Und dass dies endlich auch ökonomische Anerkennung erfahren müsste.

Doch ein Blick auf die Regierungskampagne "Schau auf dich" zeigt, dass die herkömmliche Rollenverteilung und die Vorstellungen von "Wir" auch jetzt zementiert und damit in die Zukunft getragen werden. Man ist also weiterhin blind für die Gesellschaft als Ganzes und bildet sie so ab, wie man sie offenbar gerne hätte. Darauf wies etwa Petra Bernhardt, Expertin für Bildpolitik, kürzlich auf Twitter hin.

Sie fragte danach, welche Arbeit gezeigt wird und wie: Zu sehen sind in den Sujets lichtdurchflutete Räume, sehr viel Weiß und Beige, Menschen im lässig-gemütlichen Casual-Look. Die abgebildeten Frauen lernen mit den Kindern oder machen mit ihnen Yoga, Vati steht zwar in der Küche, allerdings um mit dem Sohn mit zu Mikrofonen umfunktionierten Schöpfern den Rockstar zu geben. Die Empfehlungen zu den Sujets lauten, doch ein Buch zu lesen, die Lieblingsmusik zu hören, Oma und Opa anzurufen oder das Workout daheim anzugehen.

"Die Kampagne legt uns nicht nur konkrete Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung nahe, sondern lässt sie durch ein bestimmtes Milieu mit distinktem Lebensstil repräsentieren: den bürgerlichen Mittelstand. Das sind die Leute, die auf sich und auf dich und damit auf uns alle schauen", schreibt Petra Bernhardt. Das Zuhause werde außerdem als entspannende, ruhige Abwechslung dargestellt. Mit dem Leben der meisten Menschen hat das nichts zu tun.

Viele werden nicht angesprochen

Es ist schon klar, dass sich winzige Wohnungen, übermüdete Menschen und Bilder von Homeoffice zwischen den dreckigen Geschirrbergen der letzten Tage nicht gut machen, doch etwas mehr Nähe zum Leben der Menschen muss sein. Denn bei derart homogenen Bildern und stereotypen Vorstellungen verfehlt eine solche Kampagne ihren Zweck: Viele werden sich davon schlicht nicht angesprochen fühlen. Sie schauen vielleicht kurz hin, doch sehen dann dieses "Upper Class"-Setting, wie es Bernhardt nennt, und sie werden gleich wieder wegschauen – weil das, was sie sehen, schlicht nichts mit ihnen, nichts mit ihrem Leben zu tun hat. Denn das sind "wir" nicht. (Beate Hausbichler, 30.4.2020)