Die Leitung der steirischen Krankenanstalten hat einigen Bedarf zu erklären, wie es passieren konnte, dass eine Hochrisikopatientin in ein "Corona-Zimmer" gelegt wurde.

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"Jetzt kann ich reden, ich bin allein im Zimmer", sagt Erna S. am Mobiltelefon im Gespräch mit dem STANDARD.

Die 58 Jahre alte Frau – sie will anonym bleiben, wir nennen sie daher "Erna S." – liegt seit einer Woche am LKH-Universitätsklinikum in Graz. Seit Tagen hofft sie, endlich entlassen zu werden, damit dieses Martyrium ein Ende habe. Erna S. ist schwer krebskrank. "Ich habe furchtbare Angst", sagt Frau S. – nicht allein wegen ihrer lebensbedrohlichen Krankheit, sondern weil sie im Spital liegt, konkret in der Kardiologie, wo sie eine Zeitlang ein Zimmer mit Covid-19-Patientinnen teilen musste.

Erna S. wurde vor einer Woche mit heftigen Schmerzen infolge ihrer Krebserkrankung eingeliefert. Sie kam mit der Rettung in die Zentrale Notfallaufnahme (ZNA). "Mir wurde Blut abgenommen, ich wurde aber nicht auf Corona getestet. Ich hätte theoretisch auch den Virus ins LKH Graz einschleppen können", sagt Erna S. Die – krankheitsbedingte – Pensionistin wurde anschließend in die eigentlich nicht zuständige Kardiologie verlegt. Dort war in einem Vierbettzimmer ein Bett frei geworden. Eine schwer lungenkranke Patientin war positiv auf Covid getestet und aus dem Zimmer geholt worden.

"Ärztin pfauchte mich an"

"Ich bekam das freie Bett, im Zimmer lagen noch drei ältere herzkranke Frauen." Eine 90-Jährige wurde nach Hause entlassen, anschließend bei der zweiten Patientin "Corona" festgestellt. Sie wurde isoliert. Erna S. und ihre Bettnachbarin verblieben im Zimmer, bis auch diese positiv getestet wurde. "Als ich die Ärztin darauf aufmerksam gemacht hab, in welch schwerem Krankheitszustand ich bin und dass hier in meiner Umgebung alle an Corona erkrankt sind, hat sie mich nur angepfaucht. Sie könne sich nicht um alles kümmern und habe auch noch andere Abteilungen", erinnert sich Erna S.

Ihr Ehemann war am Explodieren. Er durfte seine schwerkranke Frau nicht besuchen, fühlte sich machtlos und wandte sich hilfesuchend an Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß, die umgehend den Chef der Krankenanstalten GesmbH (Kages), Karlheinz Tscheliessnigg, auf den Fall aufmerksam machte. Doch es vergingen Stunden und Tage, und Frau Erna S. lag noch immer auf der Kardiologie.

Zur Angst kommt auch noch die Kränkung dazu. "Es gab von der Ärztin oder den Ärzten kein Wort der Entschuldigung, des Bedauerns. Nichts. Sie schickten nur die Pflegerinnen herein. Ich bin echt fertig und hab keine Kraft mehr."

Zwei Tage lag Erna S. allein im Zimmer, ehe plötzlich ein Repräsentant der Klinikleitung sich nach ihr erkundigte und sie freundlich über ihre Situation informierte. Die Empathiebezeugung dürfte weniger auf eine Eingebung der ärztlichen Leitung zurückzuführen sein. Bogner-Strauß hatte nach einem neuerlichen Hilferuf des Gatten abermals den Kages-Vorstand kontaktiert – und plötzlich wurde Erna S. sogar Kaffee serviert.

Klinik bestätigt Fall

DER STANDARD bat den Kages-Vorstand um eine Stellungnahme, diese kam schließlich von der Abteilung für Kardiologie. Es haben "Kapazitätsgründe" vorgelegen. "In der Tat lag in dem Zimmer zuvor eine Patientin, die im Verlauf des stationären Aufenthalts positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Letztere wurde umgehend auf unserer Covid-Station verlegt. Darüber hinaus wurde das Zimmer selbstverständlich richtliniengemäß desinfiziert und gereinigt", heißt es. Es wird zudem bestätigt: "Im Rahmen weiterer Testungen zeigten zwei weitere Patientinnen in der Folge ein positives Testergebnis ohne entsprechende Symptomatik. Die beiden Frauen wurden ebenfalls isoliert."

Erna S. sei im Zimmer verblieben. "Alle bei ihr durchgeführten Tests sind bisher negativ, und der Patientin geht es gut." Wenn sich die Patientin "nicht adäquat von unserer Stationsärztin behandelt fühlte", sei dies "möglicherweise der allgemeinen Ausnahmesituation geschuldet". Man entschuldige sich dafür.

Frau S. wurde beschieden, sie könne nach Hause in die Heimquarantäne wechseln. (Walter Müller, 30.4.2020)