In den vorangegangen Teilen wurde ein Blick auf die konservativen Ursprünge des Natur- und Umweltschutzes geworfen, und Biologismus und Wertefundamentalismus als zentrale ideologische Bezugspunkte rechter Ökologie herausgearbeitet. Die Beschäftigung mit den ideologischen Merkmalen rechter Ökologiekonzeptionen soll nun fortgesetzt werden.

Wenn die Entfremdung von ,Volk’, Heimat und ,wesensgemäßen Werten’ eine wesentliche Ursache für die lokalen wie globalen ökologischen Zerstörungen sein soll, so ist es nur ein kleiner Schritt bis zu der Auffassung, Migrantinnen und Migranten würden zu den vorrangigen Umweltbelastungen zählen. Dies beginnt schon bei der Vorstellung, jede Grenzverwischung innerhalb organisch gewachsener, also ,natürlicher’ Gemeinschaften sei ein existentielles Problem, gegen das man sich zu schützen hätte. Grenzschutz und „Remigration“ erscheinen so als ökologische Entlastung. Nicht nur weil ,Völker’ als biologische Systeme höherer Ordnung an sich zu gelten haben – in der aktuellen Debatte werden vielmehr auch zeitgemäße Argumente ins Feld geführt.

So berichtet Martin Sellner von den neofaschistischen ,Identitären’ in einem Video auf YouTube, es sei besser, wenn Migrantinnen und Migranten und Flüchtende in ihren Ländern oder zumindest in der Nähe ihres „angestammten Kulturraums” blieben. Denn wenn sie nach Europa kämen, würden sie durch ihre veränderte, nun westliche Lebensweise, durch ihr Konsumverhalten und ihren Energieverbrauch zur ökologischen Zerstörung des Klimas beitragen. Migrantinnen und Migranten werden hier zu den eigentlichen Umweltsünderinnen und -sünder erklärt, die ein Mehr an Ressourcenverbrauch zu verantworten hätten. Die rassistische Assoziation von Migrantinnen und Migranten und Menschen auf der Flucht mit Dreck, Gestank, Unordnung und mangelnder Hygiene, dessen Bildsprache keinesfalls auf das rechte Lager beschränkt ist, dort aber gerne propagiert wird, spielt hier ebenfalls eine große Rolle, und hat sich im Zuge der rasanten Ausbreitung des Coronavirus noch verstärkt. Abseits der Notlage von vielen Menschen auf der Flucht oder der ökonomischen Situation vieler Geflüchteter und Migrantinnen und Migranten, die von der Mehrheitsgesellschaft und vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen oder diskriminiert werden, werden Flüchtlingslager oder Stadtteile mit hohem Anteil an Menschen mit Migrationserfahrung als dreckig und unhygienisch dargestellt.

Eberhard Huber widmet sich in der Klima-Sonderausgabe der rechtsextremen Postille „Info-Direkt“ auch dem Thema Verkehrspolitik und proklamiert als Lösung: „Ökobewusst und nachhaltig durch Mobilitätsverzicht.“ Dass er damit nicht etwa weniger Flugreisen oder den Verzicht auf private PKW meint, stellt er zum Abschluss seines Artikels klar, wenn er im Dreiklang darauf verweist, was es brauche, um „die Verschiebung ganzer Bevölkerungsgruppen über den Erdball zu stoppen“: „Eigen- statt Fremdarbeit. Sesshaftigkeit statt Migration. Regionalität statt Weltbürgertum“. In dieselbe antisemitische Kerbe schlägt Marine Le Pen, die Vorsitzende des rechtsextremen Rassemblement National in Frankreich, wenn sie behauptet, dass Grenzen die mächtigsten Verbündeten der Umwelt seien. Le Pen meint, „Nomaden“ kümmerten sich nicht um die Umwelt, da sie keine Heimat kennen würden. Der Konflikt in der Umwelt- und Klimafrage sei vordergründig einer zwischen Globalistinnen, Globalisten und Regionalistinnen, Regionalisten. Die einen stünden für Zersetzung und Zerstörung, die anderen für das Konkrete und zu Bewahrende.

Ökologisierte Bevölkerungspolitik – ein menschenfeindliches Projekt

„Wer Klimaschutz sagt, muss auch Überbevölkerung sagen“, so titelt Christoph Hofer seinen Beitrag im rechtsextremen Magazin “Info-Direkt”, um sich dem „Tabu-Thema Überbevölkerung der Erde“ anzunehmen, welches durch das „kosmopolitische Weltbild“ verdrängt werde. Das Thema der „Bevölkerungsexplosion“ oder der „Menschenflut“ sei eines der „drängendsten Probleme“. Den Begriff der „Menschenflut“ borgte sich Hofer vom rechtextremen deutschen Umweltpolitiker Herbert Gruhl, der als Ikone in diesen Kreisen herumgereicht wird. Schon sprachlich rückt man Migrationsbewegungen in den Zusammenhang mit Naturkatastrophen und fährt fort: „Liebe ‚Fridays for Future‘-Aktivisten! Wer auf die Straße geht, um die Bewältigung der Klimakrise zu fokussieren, der kann dies nicht, ohne auch ernsthaft zu fordern, die Massenmigration nach Europa zu stoppen“ und den Protest mit „dem Thema Bevölkerungspolitik zu verbinden”. “Tut ihr das nicht, bleibt Ihr, was ihr seid: ein Spielball der Macht und des Geldes in der Welt – mehr leider nicht.“

Begrifflichkeiten wie Bevölkerungsexplosion und das Thema der ,Überbevölkerung’, das mit aller Dringlichkeit behandelt werden müsse, gehört, anders als es Hofer darstellt um sich als hellsichtiger Tabubrecher zu inszenieren, zu einer breiten gesellschaftlichen und medialen Debatte, die schon seit Jahrzehnten geführt wird. Der Tenor lautet hier wie dort: Je mehr Menschen auf diesem Planeten leben, desto höher ist der Ressourcenverbrauch, desto mehr Schadstoffe werden ausgestoßen und desto gewaltiger und schneller droht der ökologische Kollaps. Aus dieser eindimensionalen Analyse ergibt sich dann die scheinbar folgerichtige Forderung, die Geburtenraten, vor allem in den ,Entwicklungsländern’, durch bevölkerungspolitische Maßnahmen zu verringern. Der Mensch wird auf diese Weise zum reduzierungswürdigen ökologischen Problemfaktor, zur umweltpolitischen Schadenskategorie erklärt.

Auch wenn sich selbstverständlich Unterschiede in der Diskussion und der Darstellung des Problems finden lassen: Der Verweis auf das Problem des exponentiellen Bevölkerungswachstums fehlt in keinem umweltpolitischen Grundsatzprogramm, in keinem Ökologielehrbuch, in keiner Stellungnahme zu globalen Umweltproblemen. So findet sich schon im 1972 veröffentlichen Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome, einem Zusammenschluss von ‚Experten‘ aus unterschiedlichen Disziplinen, der Verweis auf Bevölkerungspolitik und Geburtenkontrolle im Zusammenhang mit ökologischen Zielsetzungen. Ziel von Bevölkerungspolitik jeder Couleur ist die Optimierung von Bevölkerungszahlen durch gezielte Eingriffe.

"Überbevölkerung" als Kampfbegriff

Der zentrale Begriff in der Diskussion ist jener der ,Überbevölkerung’. Er wird wie eine objektive, wertfreie Kategorie gehandhabt, gilt als neutrale Beschreibung der Wirklichkeit. Doch anders als Bevölkerungswachstum bezeichnet Überbevölkerung nicht lediglich eine annähernd messbare, quantitative Veränderung, sondern interpretiert darüber hinaus diesen Sachverhalt anhand eigener zugrundeliegender ideologischer Vorstellungen. Der Begriff Überbevölkerung sagt aus, bezogen auf eine bestimmte Region, ein Land oder auch die ganze Welt, dass hier die Bevölkerungszahl in einem Missverhältnis zu den verfügbaren Ressourcen (Rohstoffe, Agrarflächen, Nahrungsmittel, Energie und so weiter) stehen würde. Dieses Missverhältnis soll dabei nie auf der Ressourcenseite behoben werden, lediglich die Bevölkerungszahl wird als variable Größe aufgefasst.

Komplexe Vorgänge wie die Entwicklung von Bevölkerungszahlen, Lebensstandards und Ressourcenverbrauch werden in der Demographie auf abstrakte Zahlen reduziert und in mathematischen Formeln miteinander kombiniert. So lässt sich durch Umstellungen in der Formel jedes Problem, das in der Ressourcenverteilung oder dem Lebensstandard innerhalb einer Region begründet liegt, zum Bevölkerungsproblem umdefinieren. Die ökonomischen und politischen Bedingungen in den untersuchten Regionen stehen für die Bevölkerungswissenschaft nicht zur Disposition. 

Wenn etwa in Trikontländern Hunger herrscht, weil auf einem Großteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche anstatt Grundnahrungsmitteln für die dort lebenden Menschen sogenannte „Cash Crops“ für den Export angebaut werden müssen, um Devisen für die horrenden Kreditzinsen zu erwirtschaften, gelten diese Länder schon als überbevölkert, weil sie sich angeblich nicht selbst ernähren können. Auch in der Debatte um eine ökologisch begründete Bevölkerungspolitik werden weniger der Konsum in den Industrieländern und Machtverhältnisse auf dem Weltmarkt zum Ansatzpunkt für politische Interventionen erklärt, als vielmehr die scheinbar für die Erde nicht tragfähigen Menschen im Trikont. Die mathematisch-ökonomische Betrachtung von Bevölkerungsoptimum und Überbevölkerung beantwortet zudem noch nicht die entscheidenden Fragen für die bevölkerungspolitische Praxis: Wer genau gehört zur überschüssigen, überflüssigen, schädlichen Bevölkerung und wer nicht? Ein Blick in die Geschichte und Gegenwart der Bevölkerungspolitik zeigt, dass deren Zielobjekte immer nur die ,Anderen’ waren, die Ärmsten und Schwächsten in den industrialisierten Ländern ebenso wie die Menschen im Trikont. Bevölkerungspolitik war und ist nie ein Instrument zum Wohle der Menschheit, sondern stets nur Mittel zur Absicherung von Herrschaft und Unterdrückung gewesen. Ihre Geschichte erstreckt sich über die repressive Sozialpolitik des britischen Geistlichen Thomas Robert Malthus, über die Eugenik und ,Rassenhygiene’ der NS-Bevölkerungspolitik bis zu den patriarchalen Repressions- und Selektionsmaßnahmen, von Hormonpräparaten bis zur Pränataldiagnostik.

FFF-Demo in Berlin Anfang des Jahres. Rechte sehen in Flüchtende einen Grund für die Klimakrise.
Foto: APA/AFP/JOHN MACDOUGALL

Wie sich Menschenfeindlichkeit und ökologische ,Kritik’ an der Überbevölkerung verbinden können, zeigt auch die ökorassistische US-Organisation „Earth First!“. In ihrer Zeitschrift verlangt eine Autorin unter dem Pseudonym „Miss Ann Thropy“ (Misanthropie, Menschenfeindlichkeit), die Weltbevölkerung um 80 (!) Prozent zu reduzieren. Die Immunschwäche-Krankheit AIDS wird von ihr aus einer „ökologischen Perspektive“ gelobt, wenn sie schreibt, dass die Krankheit das „Potential“ habe, „die menschliche Bevölkerung deutlich zu reduzieren, ohne anderen Lebensformen zu schaden“. Der NS-Verhaltensforscher Konrad Lorenz reichte „Earth First!“ 1988 die Hand, als er sagte: „Gegen Überbevölkerung hat die Menschheit nichts Vernünftiges unternommen. Man könnte daher eine gewisse Sympathie für AIDS bekommen.“ (Zitiert nach Jutta Ditfurth, "Haltung und Widerstand")

Man möchte nicht wissen, was solchen Leuten in Anbetracht des Coronavirus für Reinigungsfantasien gegenüber ,Schwachen’ und ,Alten’ im Kopf herumspuken müssen. Zumindest Ökofaschistinnen und Ökofaschisten in England haben schon die Parole ausgegeben, die sicher viele der Apologeten der Überbevölkerungsthese teilen würden: „Corona is the cure. Humans are the disease!“

Starker Staat, Ökodiktatur und die Lust am Untergang

Die neben der Bevölkerungspolitik in der Umwelt- und Klimabewegung am häufigsten anzutreffende rechtsökologische Argumentation ist die von der Notwendigkeit eines starken Staates zur Durchsetzung konsequenter ökologischer Politik. Diese Forderung nach Einschränkungen von Grund- und Menschenrechten, die ihren reaktionären Charakter kaum noch verbergen kann, bedarf als Legitimationsgrundlage die apokalyptische Furcht vor dem Zusammenbruch der globalen Ökosysteme, die These von der Unmöglichkeit menschlichen Überlebens, verknüpft mit dem Vorwurf der ökologischen Ineffizienz demokratischer Regierungssysteme.

Zur Sicherung des Überlebens der Menschheit müssten deshalb die in einer Demokratie überrepräsentierten und als egoistische gegeißelten Einzel- und Gruppeninteressen hinter das ökologische ,Gemeinwohl’ zurücktreten. Dieser Ruf nach einer starken Hand, die endlich Handeln solle, geht aber in der aktuellen Debatte weit über die extreme Rechte hinaus. Gerade in der aktuellen Klimabewegung mangelt es nicht an Vorschlägen, dass endlich „Experten“ regieren sollten, da die Dringlichkeit der Lage jetzt keine demokratischen Abwägungen und Vermittlungen mehr zulasse. Seit jeher waren es apokalyptische Bewegungen, die sich besonders rücksichtslos und brutal gegenüber den Einzelnen verhielten. Angesichts der vermeintlichen Bedrohung des Ganzen zählt einzig „entschlossenes Handeln“.

Bei vielen Aktivistinnen und Aktivisten richtet sich ihre ,Rebellion’ nicht gegen Herrschaft an sich, sondern sie wünschen sich lediglich eine ökologischere und appellieren obrigkeitshörig an den Staat, anstatt von unten, mit sozialen Bewegungen emanzipatorische Transformationsprozesse anzustoßen. Diese könnten auch über die bestehenden Herrschaftsverhältnisse von Staat und Kapital hinausweisen und den Raum für alle Menschen, an politischen Aushandlungen zu partizipieren, erweitern. Umrahmt werden die Forderungen nach einem starken Staat auch hier von einem apokalyptischen Katastrophenszenario. Wenn es aber nur mehr um die Frage des Überlebens geht, treten Fragen nach der sinnvollen und menschenwürdigen Einrichtung der Gesellschaft in den Hintergrund. Adorno und Horkheimer schreiben dazu in der „Dialektik der Aufklärung“: „Das Hinstarren aufs Unheil hat etwas von Faszination. Damit aber etwas vom geheimen Einverständnis. […] Das leere Erschrecken wird stets begleitet von dem Gestus: so hab ich mir das immer gedacht.“ Diese Lust am Untergang hat gar nicht die emanzipatorische Aufhebung der herrschenden Verhältnisse zum Ziel. Es ist vielmehr ein „leeres Erschrecken“, in dem ein „Einverständnis“ mit der Irrationalität der kapitalistischen Produktions- und Lebensweise zum Ausdruck kommt.

Komplexe Klimakrise

Eine emanzipatorische Klimagerechtigkeitsbewegung muss sich dieser ideologischen Versatzstücke rechter und menschenfeindlicher Argumentationen bewusst sein und diese aktiv zurückdrängen. Dies darf nicht erst geschehen, wenn sich Rechtsextreme offensichtlich in die Bewegung drängen wollen, wie ein Funktionär der FPÖ-Jugendorganisation RfJ in Salzburg, der mit einem „Umweltschutz heißt Heimatschutz“-Schild nicht an einer „Fridays for Future“-Kundgebung teilnehmen konnte.

Wachsamkeit gegen rechtsextreme und menschenfeindliche Ideologien muss schon viel früher ansetzen. Dazu ist es auch notwendig, sich mit der konservativen Geschichte der Ökologiebewegung auseinanderzusetzen. Zentral für einen emanzipatorischen Anspruch muss es zudem sein, eine radikale Systemkritik zu üben, die inhaltlich und theoretisch fundiert ist. Es sollte darum gehen, Alternativen jenseits der bestehenden Verhältnisse aufzuzeigen und dabei das Bündnis mit feministischen, antikapitalistischen und antifaschistischen Gruppen zu suchen.

Die „Ende Gelände“-Mobilisierungen in Deutschland oder Initiativen wie „System Change not Climate Change“ machen vor, wie es gehen könnte: Sie betrachten die Klimakrise als eine komplexe Frage der sozialen Gerechtigkeit und nicht nur als ein Umweltproblem und kämpfen für einen radikalen Systemwandel, also für die Überwindung der kapitalistischen Produktions- und Lebensweise. Denn die zerstörerische kapitalistische Dynamik wendet sich nicht nur gegen Mensch und Natur. Betroffen von den Auswirkungen der Klimakrise sind vor allem auch „diejenigen am stärksten, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Deshalb ist der Kampf für Klimagerechtigkeit auch als Kampf gegen Patriachat, Rassismus und Nationalismus zu verstehen“ (aus dem Selbstverständnis von „System Change not Climate Change“). (Alexander Winkler, 13.5.2020)

Alexander Winkler (FIPU) forscht zu Rechtsextremismus. Er ist Mitherausgeber von "Untergangster des Abendlandes".

Literaturhinweis

  • Oliver Geden „Rechte Ökologie – Umweltschutz zwischen Emanzipation und Faschismus“.

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