Celant sah sich und seine Kollegen mit ihren minimalistischen Readymades als Erben Marcel Duchamps.

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Der italienische Kunsthistoriker Germano Celant galt als einer der wichtigsten Botschafter der italienischen Gegenwartskunst, als Ausnahmekurator und Erfinder der bedeutenden Kunstströmung Arte Povera. Dennoch bestand Celant darauf, die Bewegung nicht erfunden zu haben. "Es ist ein so weiter Begriff, der besagt gar nichts", sagte er bewusst ironisch.

Während in den USA die Pop-Art die Konsumgesellschaft feierte, begann Celant 1967 in seiner Heimatstadt Genua gemeinsam mit einer Gruppe, zu der die Künstler Giuseppe Penone, Alighiero Boetti, Piero Manzoni, Jannis Kounellis und Michelangelo Pistoletto zählten, Kunst aus alltäglichen, "armen" Materialien wie unbehandeltem Stein, Holz, Glas oder Stoff zu schaffen. Sie distanzierten sich von der rein schönen Kunst – und provozierten damit. Celant sah sich und seine Kollegen mit ihren minimalistischen Readymades als Erben Marcel Duchamps. Ihre Parole: "Arte Povera, Notes for a Guerilla".

"Wir werden eine ganze Generation verlieren"

Angetrieben von dem Wunsch, kritische und grenzüberschreitende Kunst zu zeigen, leistete Celant als Kurator Pionierarbeit in Hinsicht auf kontextualisierte Ausstellungs- und Vermittlungsformate – Konzeptkunst musste seiner Meinung nach erklärt werden. Ab 1993 erarbeitete er als künstlerischer und wissenschaftlicher Leiter der Mailänder Fondazione Prada über 40 bedeutende Ausstellungen zur Gegenwartskunst, darunter Soloshows von Steve McQueen, Sam Taylor-Wood oder Anish Kapoor.

Die Biennale in Venedig leitete er 1997 und organisierte in den 1980er- und 1990er-Jahren für das New Yorker Guggenheim oder das Centre Pompidou in Paris bedeutende Schauen. Als Projektdirektor beteiligte er sich 2016 auch an The Floating Piers von Christo und Jeanne-Claude. "Wir werden eine ganze Generation verlieren", sagte die Arte-Povera-Expertin Carolyn Christov-Bakargiev erst kürzlich, als sie nach den Auswirkungen des Coronavirus gefragt wurde. Nun ist der Pionier, Ausnahmekurator und bedeutende Kunstbotschafter mit 80 Jahren an den Folgen einer Covid-19-Infektion in Mailand verstorben. (Katharina Rustler, 30.4.2020)