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Massenbeisetzung im Regenwald von Manaus.

Foto: Reuters / Bruno Kelly

Manaus – Die brasilianische Millionenstadt Manaus kämpft mit schnell steigenden Totenzahlen. Der Hauptfriedhof der größten Stadt des Amazonas-Regenwaldes muss mittlerweile je fünf Särge gleichzeitig in Sammelgräbern beisetzen. Bald könnten der Stadt die Särge ausgehen. "Es ist Chaos hier", sagt Maria Garcia, die sich drei Stunden lang für die Sterbeurkunde ihres 80-jährigen Großvaters anstellen musste. Garcias Großvater starb in der Früh in seinem Haus an der Atemwegserkrankung Covid-19. Manaus, die Hauptstadt des Bundesstaats Amazonas, ist die erste Stadt in Brasilien, der die Intensivbetten infolge der schweren Coronavirus-Fälle ausgegangen sind.

Behörden warnen, dass mehrere andere Städte auch fast an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Das Land bestätigt einen Rekordanstieg am Mittwoch um 6.276 auf 78.162 nachgewiesene Infektionen. Das Gesundheitsministerium meldet 449 Todesfälle in den vorangegangenen 24 Stunden, womit sich die Zahl der Todesopfer auf 5.466 erhöht. Es wird davon ausgegangen, dass vor allem in den Armenvierteln die Zahl der nichtregistrierten Krankheits- und Todesfälle sehr hoch ist. In der Stadt Sao Paulo etwa hatte Krankenhauspersonal bereits von einem massiven Anstieg an Atemwegserkrankungen berichtet, bevor in den Tests eine Zunahme von Corona-Fällen nachgewiesen worden war.

"Menschen werden sterben, so ist das Leben"

Der rechtsextreme Präsident Jair Bolsonaro steht wegen des Umgangs mit dem Sars-CoV-2-Virus unter Druck, nachdem er zu Beginn der Epidemie Fake-News über die Krankheit verbreitet und diese als "kleine Grippe" verharmlost hatte. Der Staatschef, der im Streit um die seiner Ansicht nach zu strengen Ausgangsregelungen mittlerweile zwei wichtige Minister verloren hat, reagierte am Donnerstag vor Reportern wenig sensibel auf den traurigen Todesrekord. "Ja, und?", sagte er, "Es tut mir leid, aber was soll ich tun?" Sein Mittelname sei zwar Messias, so Bolsonaro, "aber ich vollbringe keine Wunder".

Der Staatschef hatte schon in den vergangenen Wochen immer wieder mit wenig rücksichtsvollen Äußerungen von sich reden gemacht. Er nannte die Warnungen vor einer Ausbreitung des Virus "Hysterie" und gab die Meinung zum Besten, Brasilianerinnen und Brasilianer hätten eine natürliche Immunität gegen die meisten Infektionen. Sie könnten schließlich auch in fäkalienverseuchtem Wasser schwimmen, ohne krank zu werden. Später sagte er: "Menschen werden sterben, so ist das Leben", und sprach sinnbildlich von einem "Regen, in dem wir nass werden müssen. Manche werden ertrinken."

Ermittlungen und Putschgerüchte

Zudem betonte Bolsonaro, auch die Wirtschaft dürfte nicht abgewürgt werden. Um diesen Punkt zu illustrieren, postete sein Sohn Flavio unter anderem Ende März ein Video einer Kampagne namens "Brasilien darf nicht stillstehen", die ein Bundesgericht tags zuvor verboten hatte. Zudem widersetzte der Präsident selbst sich immer wieder den Ausgangssperren. Ein Video, auf dem zu sehen ist, wie er von einer jubelnden Menge umringt ist – und sich unter anderem mit einer Hand das Gesicht abwischt, bevor er diese eine älteren Frau entgegenstreckt – hatte Mitte April für massive Kritik gesorgt.

Der Streit um die Durchsetzung der Maßnahmen hat in Brasilien zugleich auch Sorge um den Fortbestand der Demokratie ausgelöst. Nach der Entlassung des populären Gesundheitsministers Luiz Henrique Mandetta und dem Rücktritt des mächtigen Justizministers Sergio Moro ist Bolsonaro massiv geschwächt. Die Armee hat erkennen lassen, dass sie mit der Corona-Strategie des Staatschefs nicht zufrieden ist. Die Möglichkeit, die Generäle könnten sich zu einem Eingreifen bemüßigt fühlen, scheint vielen nicht mehr ausgeschlossen. Wenn, dann wohl selbst – denn der politischen Alternative zu Bolsonaro, einer Linksregierung, können sie ebenfalls wenig abgewinnen.

Auch das Oberste Gericht hat sich jüngst in einer Entscheidung gegen Bolsonaro gewandt. Es erlaubte Korruptionsermittlungen gegen ihn. Dem Präsidenten wird vorgeworfen, in einem Verfahren gegen einen seiner Söhne – wegen Geldwäsche, Korruption und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung – interveniert zu haben. (mesc, APA, 30.4.2020)