Sport war schon bisher erlaubt, nun ist auch Spaß wieder legal. Zumindest mit bis zu neun weiteren Personen.

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Es dürfte bis zuletzt gefeilt worden sein. Kurz vor Mitternacht – gegen 22 Uhr – hat das Gesundheitsministerium am Donnerstag die neue Verordnung zur Bekämpfung des Coronavirus veröffentlicht, die mit null Uhr am Freitag in Kraft getreten ist. Diese hob die seit Mitte März geltenden Ausgangsbeschränkungen auf.

An diesen gab es bekanntlich scharfe Kritik, schwammig formuliert seien sie gewesen, außerdem viel zu weitreichend, hieß es von namhaften Juristen. Im Juni wird sich der Verfassungsgerichtshof mit mehreren diesbezüglichen Anträgen auseinandersetzen. Die jetzige Lockerungsverordnung sei da deutlich klarer geregelt, sagen Verfassungsjuristen, die DER STANDARD um Einschätzung gebeten hatte. So sagt etwa Bernd-Christian Funk, die neue Verordnung sei deutlich "differenzierter und präziser", während ihre Vorgängerin "mit Recht" kritisiert wurde.

Was ist eine Veranstaltung?

Das "erkennbare Ziel" der Verordnung, sagt Verfassungsjurist Heinz Mayer – selbst Teil des Expertengremium, das den Gesundheitsminister beriet –, sei, "sehr vorsichtige Öffnungen in einzelnen Bereichen herbeizuführen". Zuallererst geschieht das, indem der Aufenhalt an öffentlichen Orten wieder gestattet ist – ganz ohne jene Ausnahmen, die wohl ganz Österreich mittlerweile auswendig kennt.

Nur bei Veranstaltungen gibt es eine Obergrenze von zehn Personen. In der Verordnung werden diese als "Zusammenkünfte und Unternehmungen zur Unterhaltung, Belustigung, körperlichen und geistigen Ertüchtigung und Erbauung" definiert. Vom Gesundheitsministerium heißt es auf Nachfrage, es gehe um "geplante – also organisierte – Treffen".

Laut dem Verfassungsjuristen Peter Bußjäger verwende der Gesetzgeber damit eine sehr weite Definition von Veranstaltung, auch etwa eine Geburtstagsparty würde darunter fallen. Weil es eine Ausnahme für den privaten Wohnraum gibt, würde das bedeuten: "Auf eine Party zu mir nach Hause kann ich so viele Leute einladen, wie ich will, aber wenn ich im Park feiere, muss ich mich an die Zehn-Personen-Grenze halten." Mayer wiederum hält den Begriff "Veranstaltung" für unglücklich gewählt, weil er zu eng sei: "Was ich damit nicht erfassen kann, sind spontane, informelle Verabredungen", sagt er.

Nach Ansicht des Verfassungsexperten Manfred Nowak gelte laut der Lockerungsverordnung etwa für Spaziergänge mit haushaltsfremden Personen – egal wie vielen – lediglich die Abstandsregel, keine Personenobergrenze. Was dann tatsächlich eine Veranstaltung sei, hänge mitunter von der Organisation ab: "Wenn ich eine Mail ausschicke an eine große Anzahl von Menschen und sage, ich mache ein Picknick, wer Lust hat, soll kommen, dann fällt es in den Veranstaltungsbereich." Das wäre nicht der Fall, "wenn ich mit elf Freunden auf die Rax gehe und wir essen dort oben unsere Wurstbrote", so Nowak.

Keine Regeln für die eigene Wohnung

Eine Lockerung gibt es außerdem für den Handel. Ab Samstag dürfen Shops mit über 400 Quadratmetern und Einkaufszentren aufsperren. Pro Kunde müssen statt bisher 20 nur zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen. Auch erste Dienstleister dürfen Kunden empfangen.

Neu geregelt wurde zudem, dass beim Betreten aller öffentlichen Orte "im geschlossenen Raum" ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen ist. Eine Neuerung gibt es auch bei Fahrgemeinschaften. So dürfen Menschen, die nicht im selben Haushalt leben, nur dann gemeinsam fahren, wenn maximal zwei Personen in einer Reihe sitzen und alle den Mund-Nasen-Schutz tragen. Gleiches gilt für Taxis. Den Mindestabstand in Öffis gibt es nicht: Es soll ein Meter Abstand gehalten werden. Falls das nicht möglich ist, gibt es keine Strafe.

Der private Bereich, auch das wurde in der Vergangenheit heftig diskutiert, ist in der Verordnung nicht geregelt, betonen alle vier vom STANDARD kontaktierten Verfassungsexperten. Die Verordnung gilt bis 30. Juni.

Reproduktionszahl in Wien bei knapp unter eins

Begründet werden die Lockerungen jedenfalls mit den weiterhin sinkenden Infektionszahlen. Doch könne immer die Notbremse gezogen werden, wenn sich diese verschlechtern, betont die Regierung stets. Laut Ages- und TU-Graz-Epidemiologen könnte die Entwicklung mit der effektiven Reproduktionszahl, also wie viele Personen ein Infizierter ansteckt, verfolgt werden. Ein Wert über 1 bedeute eine Verbreitung.

In Österreich sank diese Zahl zwischen 22. und 24. April auf den bisherigen Tiefstwert von knapp mehr als 0,5, um dann bis zum 28. April etwas anzusteigen. Die Steiermark und das Burgenland lagen um den 28. April etwa beim Österreich-Wert. Weniger als 0,5 betrug die Zahl in Kärnten und in Vorarlberg. Knapp unter 1 befand sich Wien. (Oona Kroisleitner, Gabriele Scherndl, 1.5.2020)