Kanzler Kurz umringt von Journalisten, das Foto stammt von Ende September 2019.

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Als wir bei der Präsentation des "Journalismus-Reports 2020" von disruptiven Veränderungen sprachen, meinten wir Digitalisierung, algorithmische Kommunikation und neue Nutzungsgewohnheiten. Aber wie in anderen Bereichen hat Covid-19 auch im Journalismus Entwicklungen verstärkt und Brüche sichtbar gemacht – sichtbarer vielleicht als ohne diese Entwicklungen. Denn eine Krise ist in allererster Linie einmal das: eine Krise. Die ruft nach Orientierung und verlässlicher Information, nach Recherche und Fakt-Checking, aber auch nach Kritik und öffentlichem Diskurs – kurz gesagt: nach allen Tugenden des professionellen Journalismus, auf allen Kanälen und in allen Medien.

Die Forschungsbefunde aus dem "Journalismus-Report", der die Entwicklungen im österreichischen Journalismus in Form einer Vollerhebung und einer repräsentativen Befragung (gefördert vom FWF) seit fast 20 Jahren begleitet, legen nahe, dass der österreichische Journalismus in der Krise wankte, aber nicht stürzte – aber eben noch so. Warum?

Redaktionen schrumpfen

Österreichs Journalismus schrumpft. Rund 5.350 hauptberuflich darin Tätige sind angestellt oder beziehen fixe Pauschalhonorare. Das bedeutet einen Rückgang um rund ein Viertel gegenüber der Gesamterhebung 2006. Dazu kommt eine definitorisch nicht präzise abgrenzbare Zahl von etwa 600 bis 900 freien Journalistinnen und Journalisten. Diesem Rückgang der Zahl steht Wachstum in anderen Kommunikationsberufen gegenüber.

Für Public Relations, Kommunikations- und Medienberatung sowie immer komplexeres Corporate Publishing auf allen Kanälen wird kontinuierlich mehr Personal beschäftigt. Unternehmen und Institutionen sehen, wie sie über neue Kanäle ihr Publikum direkt erreichen und Journalismus als Informationsvermittlung umgehen können. Auch Behörden, Ministerien und, zuletzt besonders beachtet, das Bundeskanzleramt beschäftigen zusätzliche Pressesprecher, Kommunikationsstrateg und Öffentlichkeitsarbeiter. Eine Exekutive, die sich weiterhin auf ein europaweit einzigartiges Amtsgeheimnis bei Fragen von Bürgerinnen und Bürgern sowie Journalistinnen und Journalisten beruft, kommuniziert selbst mehr denn je. Das ist eine Schieflage – eine, die auch in Zeiten von Corona deutlich sichtbar wurde und wird.

Stärkerer Produktionsdruck

Wie die Gesamterhebung zur Soziodemografie aller Journalistinnen und Journalisten und die repräsentative Befragung von 501 von ihnen deutlich machen, gehen in Österreich die autonomen journalistischen Arbeitsplätze kontinuierlich verloren, weil mehr Medientitel aufgegeben werden als neue gegründet und weil im vergangenen Jahrzehnt viele bestehende Redaktionen ausgedünnt wurden. Österreichs Journalistinnen und Journalisten, die weiterhin ihren Beruf mit einem hohen Maß an inhaltlicher Überzeugung ausüben, stellen stärkeren Produktionsdruck in den Redaktionen fest – off- und online.

Besorgniserregend ist auch eine weitere deutliche Entwicklung – wodurch zugleich die Frage nach der Repräsentativität der Berufsgruppe an Brisanz gewinnt: der sehr rasche Anstieg beim Durchschnittsalter auf nunmehr 44,5 Jahre. Ein gutes Drittel der aktiven angestellten Journalistinnen und Journalisten ist inzwischen älter als 50 Jahre. Gerade einmal jede/r Zehnte ist unter 30 Jahre alt. In vielen Medienhäusern scheint angesichts dieser Entwicklung unklar, wie Wissen und Medienverständnis jüngerer Generationen lebensweltlich, emotional, technisch jemals genutzt oder wenigstens begriffen werden können. In manchen, ja selbst in recht großen Redaktionen wird das einzig von der (Groß-)Elterngeneration interpretiert. Eine derart rasche Zunahme des Durchschnittsalters von Belegschaften, wie sie zwischen 2006 und heute im österreichischen Journalismus feststellbar ist, gilt in der Regel als Zeichen für zu wenig Regeneration und damit geringere Zukunftsfähigkeit von Branchen und Berufsgruppen.

Aus diesen Forschungssubstraten lassen sich manche Desiderate knapp ableiten und lange diskutieren. An Österreichs Medienpolitik etwa die Aufforderung, öffentliche Budgets nicht mehr nach Kriterien, die auf dem archaischen Modell der Presseförderung des vergangenen Jahrtausends fußen zu verteilen, sondern vielmehr die (digitale) Qualität von Öffentlichkeit und damit verbunden die quantitative und qualitative Entwicklung von Journalismus und Innovationen in diesem Bereich im Auge zu haben. Solche politischen Bemühungen vermissen in den Umfragen Österreichs Journalistinnen und Journalisten. Wir auch. (Matthias Karmasin, Andy Kaltenbrunner, 4.5.2020)