Das Foto zeigt eine Corona-Teststation in der Schwarzenberg-Kaserne in Salzburg. Auch Milizsoldaten wurden am Montag getestet.

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Um zu ergründen, inwieweit die täglich gemeldeten Sars-CoV-2-Infektionszahlen tatsächlich die Wirklichkeit abbilden, wurde von der Statistik Austria im April eine zweite Studie zur Dunkelziffer der Corona-Infizierten in Österreich durchgeführt. Die Ergebnisse wurden am Montagvormittag von Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) präsentiert.

Die erste derartige Studie durch Sora hatte Anfang April ergeben, dass maximal 60.000 Personen an Covid-19 erkrankt waren. Die nun vorgestellte Studie ergibt für den Testzeitraum 21. bis 24. April einen Höchstwert von maximal 11.000 Infizierten in ganz Österreich. Für Faßmann liegt diese Differenz im erwartbaren Bereich, da im selben Zeitraum auch die nachgewiesenen Infektionen in ähnlicher Weise zurückgegangen sind: "Die Studie zeigt, dass die Zahl der Neuinfektionen tatsächlich zurückgegangen ist. Die Daten aus dem epidemiologischen Meldesystem bilden die Realität ab."

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Testergebnisse von 1.432 Personen

2.800 Personen wurden für die aktuelle Studie ausgewählt, eingeflossen sind schlussendlich Testergebnisse von 1.432 Personen. Davon war eine Person mit Sars-CoV-2 infiziert. Die Testpersonen wurden im Rahmen einer geschichteten Zufallsstichprobe aus dem zentralen Melderegister ausgewählt. Es handelt sich dabei ausschließlich um über 16-Jährige in Privathaushalten, Personen in Krankenhäusern und Pflegeheimen wurden nicht berücksichtigt.

Da der Anteil der Infizierten mit einer einzigen Person äußert gering ist, sei der Wert mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, sagte Faßmann. Verlässlicher sei der Wert für die Obergrenze an Infektionen – 11.000 Infizierte in ganz Österreich, was einem Anteil von 0,15 Prozent der Bevölkerung über 16 Jahren entspricht. Die Sora-Studie von Anfang April hatte einen Maximalwert von 0,8 Prozent ergeben. Eine dritte Untersuchung der Dunkelziffer soll in der zweiten Maihälfte mit einer etwas größeren Stichprobe durchgeführt werden.

Unterschiedliche Testverfahren

Um zu einem aussagekräftigen Ergebnis zu kommen, sind neben einer validen Stichprobe die Testverfahren von entscheidender Bedeutung. Für die aktuelle Untersuchung wurden bei den Teilnehmern drei unterschiedliche Tests durchgeführt: Zunächst wurden bei allen Teilnehmern sogenannte PCR-Tests vorgenommen, mit denen in Abstrichen aus Mund-, Nasen- und Rachenraum nach dem Erbgut des Virus gesucht wurde, um akute Infektionen nachzuweisen.

Weiters wurde noch eine Studie zum Immunstatus der Bevölkerung in besonders betroffenen Gebieten durchgeführt. Dabei wurden neun Bezirke ausgewählt, und davon jeweils Gemeinden, die österreichweite Corona-Hotspots waren. Ischgl war übrigens nicht dabei, da die Gemeinde im Untersuchungszeitraum unter Quarantäne stand, was die Feldarbeit verunmöglichte.

Mit Antikörper-Schnelltests wurde bei diesen Personen untersucht, ob sich gegen Sars-CoV-2 Antikörper im Blut gebildet haben – diese lassen sich etwa sieben bis zehn Tage nach einer Infektion nachweisen. Zusätzlich wurden dann noch in Blutproben der Studienteilnehmer sogenannte Neutralisationstests durchgeführt, die zeigen, ob eine Person über funktionelle Antikörper gegen das Virus verfügt, nach derzeitigem Stand also immun ist und die Krankheit auch nicht weiter überträgt. Mit letzteren beiden Tests, die nach Antikörpern fahnden, lässt sich ermitteln, wie viele Personen bereits eine Sars-CoV-2-Infektion durchgemacht haben.

Faßmann: "Müssen wachsam bleiben"

Insgesamt wurden von 269 Personen in besonders betroffenen Gebieten einerseits Abstriche genommen, um aktive Infektionen zu ermitteln, und weiters Antikörperschnelltests sowie Blutproben entnommen, die in den Labors der Med-Uni Wien ebenfalls auf Antikörper untersucht worden sind. Von 540 Personen aus 27 Gemeinden wurden bei 4,71 Prozent Antikörper nachgewiesen. Das bedeutet, dass etwa 1.900 Personen der ingesamt 40.000 Einwohner eine Infektion durchgemacht haben. Elisabeth Puchhammer von der Medizinischen Universität Wien betonte, dass durch entsprechende Verfahren sichergestellt wurde, dass die durchgeführten Antikörpertests zuverlässig sind: "Wir überschätzen unsere Daten also sicher nicht", sagte Puchhammer-Stöckl.

Wie Matea Paškvan von der Statistik Austria betonte, entspricht dieses Ergebnis in etwa dem Dreifachen der im epidemiologischen Meldesystem erfassten Daten. Vergleichsweise ist der Anteil an Infizierten in Hotspot-Regionen dennoch gering: Selbst in den in Österreich am stärksten betroffenen Gemeinden hat gerade einmal jeder 20. eine Corona-Infektion hinter sich und ist nun immun. "Das ist ein überraschendes Bild", sagte Faßmann, "selbst in Hotspot-Gemeinden ist die Immunität überschaubar. Die Vorstellung, dass das Virus die Bevölkerung unbemerkt erfasst und dort eine Immunisierung hinterlässt, scheint Illusion zu sein. Selbst in solchen Gemeinden kann eine zweite Welle nicht durch die Immunisierung gebremst werden. Wir müssen also wachsam bleiben."

Auch für die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl zeigen die Ergebnisse der Antikörpertests, dass die Infektionszahlen in Österreich im internationalen Vergleich sehr gering sind und man hierzulande "weit von einer Herdenimmunität entfernt ist". Für Faßmann bedeutet das: "Therapeutika und Impfstoffe scheinen das Einzige zu sein, worauf wir setzen können."

Teils sorgenvoller Blick in Zukunft

Von der Statistik Austria außerdem erfragt wurde das psychische Wohlbefinden der Testteilnehmer. Das wichtigste Ergebnis: Bei der Frage, was in sechs Monaten nach Ende der Pandemie eintreten werde, äußerten die Befragten mehr Angst vor finanziellen Problemen zu haben als vor einer Infektion mit dem Virus: Zehn Prozent gaben an, Angst vor finanziellen Problemen in der Zukunft zu haben. Sieben Prozent befürchten eine Ansteckung und sechs Prozent, ein Familienmitglied aufgrund einer Erkrankung zu verlieren. Fünf Prozent halten einen Anstieg von Konflikten in der Familie für wahrscheinlich.

Wer wie in die Zukunft blickt, unterscheidet sich allerdings stark: Personen mit kleinen Kindern haben etwa größere finanzielle Ängste (19 Prozent). Zwölf Prozent von den befragten Personen mit Vorerkrankungen hingegen fürchten, selbst schwer zu erkranken. Lediglich zwei Prozent der Personen außerhalb der Risikogruppe äußerten diese Angst ebenfalls. Was die getroffenen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung des Virus angeht, wird ein Großteil als angemessen betrachtet: So sind weit über 90 Prozent mit Abstandhalten, Quarantäne in Krisengebieten oder dem Tragen von Masken einverstanden.

Geringer ist die Zustimmung zur allgemeinen Schließung von Geschäften (bezeichnen 69 Prozent als angemessen) oder zum Aufenthalt im Freien nur in Ausnahmefällen (56 Prozent). Grundsätzlich zeige sich jedoch ein "positives Bild", sagte Studienleiterin Paškvan. Knapp zwei Drittel empfinden generell zumeist gute Laune und Entspannung. Dasselbe von sich sagt allerdings nur ein Drittel jener mit mäßiger oder schlechter Gesundheit. (Tanja Traxler, Vanessa Gaigg, 4.5.2020)