Wie erfolgreich ist eigentlich Googles Hardwaresparte? Eine Frage, die sich gar nicht so einfach beantworten lässt, variiert dies doch stark von einer Gerätekategorie zur nächsten. Während Google etwa bei Smartphones weiter nur eine Nebenrolle spielt, ist man im Smart-Home-Umfeld erheblich erfolgreicher. Dabei konnte man auch den einen oder anderen Hit landen, mit dem nicht unbedingt zu rechnen war. So stand das WLAN-System Google Wifi lange an der Spitze der Verkaufscharts in den USA. Vergangenen Oktober hat man dann einen Nachfolger vorgestellt, und dieser kommt nun auch nach Österreich.

Startschuss

Nest Wifi ist ab sofort in zehn weiteren europäischen Ländern erhältlich – darunter auch Österreich und die Schweiz. Das grundlegende Konzept bleibt dabei im Vergleich zu Google Wifi zunächst einmal gleich: Die Nutzung mehrerer Geräte soll dafür sorgen, dass auch größere Wohnungen oder Häuser bis ins letzte Eck optimale WLAN-Versorgung haben. Es handelt sich dabei also um einen Mesh-Ansatz, wie er in den vergangenen Jahren bei Routern zunehmend Popularität erlangt hat. Im Vergleich zu klassischen Repeatern verspricht dies ein erheblich besseres Ergebnis.

Bewusst unauffälliges Design: der Nest Wifi von Google.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Smarte Extras

Für das Nest Wifi fügt Google dieser Formel aber noch ein weiteres Element hinzu: Neben dem Hauptrouter gibt es nämlich auch die sogenannten Zugangspunkte, die zusätzlich als smarter Lautsprecher fungieren. Sie können also nicht nur Sprachbefehle erhalten, sondern auch Musik oder Podcasts wiedergeben. Die klanglichen Qualitäten entsprechen dabei in etwa einem Nest Mini, sie sind also durchaus gut, man sollte aber natürlich keine Wunder von so einem kleinen Gerät erwarten.

Gleichzeitig mag es aber einige geben, die gar keinen smarten Lautsprecher und somit auch ein weiteres Gerät mit Mikrofon in ihrem Haushalt haben wollen. Für diese gibt es zwei gute Nachrichten. Einerseits verfügt jeder dieser Zugangspunkte über einen Hardware-Schalter, mit dem die Mikrofone deaktiviert werden können. Und auch wenn Google die Kombination aus Router und Zugangspunkten offensiv bewirbt, ist es durchaus möglich, das eigene WLAN-Netz nur aus Routern aufzubauen – also ohne den smarten Lautsprecher.

Eckdaten

Solch ein Setup ist zwar etwas teurer, hat aber noch andere Vorteile. So verfügen die Router über eine stärkere WLAN-Abdeckung als die Zugangspunkte – von 120 gegenüber 90 Quadratmetern spricht Google selbst. In den technischen Daten liest sich das so: Der Router unterstützt AC2200 MU-MIMO Wi-Fi 4x4 (auf 5 GHz, bei 2,4 GHz sind es 2x2), während sich die Zugangspunkte mit AC1200 MU-MIMO Wi-Fi 2x2 zufriedengeben müssen. Damit entsprechen die Zugangspunkte freilich technisch gesehen übrigens ziemlich genau den alten Google-Wifi-Routern, während die Nest-Wifi-Router merklich mehr Leistung bieten.

Im Test über mehrere Monate hinweg zeigt sich jedenfalls ein deutlicher Fortschritt. In einer großen Altbauwohnung mit dicken Wänden konnte mit zwei Nest-Wifi-Routern auch das letzte Eck noch problemlos abgedeckt werden – und zwar ausreichend, um auch dort noch mehrere 4K-Streams gleichzeitig laufen zu haben. Natürlich hängen solche Erfahrungen immer stark von den eigenen räumlichen Gegebenheiten ab, trotzdem ist das ein sehr erfreuliches Ergebnis. Vor allem aber läuft das Ganze extrem stabil, Netzwerkprobleme waren in diesem Zeitraum immer auf den Provider zurückzuführen. Die Router analysieren dabei übrigens laufend den Netzwerkzustand und nehmen Optimierungen vor, wenn etwa eine Route für den Datentransfer besser ist als eine andere.

Hauptrouter und Zugangspunkte sind von der Größer her sehr ähnlich.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Kein WLAN 6

Wenn man technisch etwas am Nest Wifi kritisieren kann, dann ist es das Fehlen von WLAN 6 – oder wie es früher hieß: 802.11ax. Google argumentiert, dass dies den Preis des Nest Wifi erheblich erhöht hätte. Gleichzeitig gebe es noch recht wenige Geräte, die den aktuellsten WLAN-Standard unterstützen. Insofern habe man sich bewusst dagegen entschieden. Davon kann man natürlich halten, was man will, so richtig spannend wird es im WLAN-Bereich aber ohnehin erst wieder mit WLAN 6E, da dieses neue Frequenzbereiche verwendet. Also natürlich vorausgesetzt, dass diese Frequenzen auch in Österreich zugelassen werden, in den USA ist dieser Schritt unlängst erfolgt. Was es hingegen schon jetzt gibt, ist der Support für WPA3, wodurch die Geräteverbindungen besser abgesichert werden.

Ethernet

Ein weiterer Vorteil der Nest-Wifi-Router im Vergleich zu den Zugangspunkten: Sie besitzen zwei Gigabit-Ethernet-Anschlüsse, die Points gar keinen. Google verweist dazu auf eigene Daten, die zeigen, dass diese Ports beim Google Wifi kaum genutzt wurden. Wer will, kann übrigens mehrere Nest-Wifi-Router via Ethernet zusammenhängen und sie auf diese Weise statt im Mesh-Modus nutzen, was vor allem für Häuser, die schon mit Ethernet verkabelt sind, eine interessante Option sein könnte. Apropos Zusammenarbeit: Ein Nest-Wifi-Mesh-Netz kann nach Belieben mit Google-Wifi-Routern gemischt werden, man muss also bestehende Netze nicht komplett ersetzen, sondern kann sie nach und nach erweitern. Künftig soll das übrigens auch mit Mesh-Routern anderer Hersteller gehen, das Nest Wifi unterstützt hierzu den 802.11s-Standard. Derzeit klappt das aber eben nur mit den Google-eigenen Devices.

Design

Während gerne über die Sendeleistung und andere technische Eckdaten von WLAN-Routern gesprochen wird, wird ein anderer Punkt gerne übersehen, nämlich: die Realität. Und die ist, dass viele Nutzer ihre Router irgendwo in einem Kasten verstecken, weil sie mit ihren großen Antennen so hässlich sind. Das ist aus optischen Gründen durchaus verständlich, der Verbreitung des Signals aber äußerst abträglich, da sind die theoretischen Leistungsvorteile eines Geräts schnell mal wieder weg. Deswegen setzt Google auf ein gefälliges Design für das Nest Wifi, das sich unauffällig in die Inneneinrichtung einpasst. Und damit man das auch größenmäßig einordnen kann: Der Router hat einen Durchmesser von elf Zentimeter, die Zugangspunkte einen von zehn. Die Höhe ist jeweils rund neun Zentimeter.

Die WLAN-Einstellungen können in der Google-Home-App vorgenommen werden. Einige fortgeschrittene Punkte sucht man hier aber noch vergebens. Wer die optimale Position für seine Mesh-Router sucht, kann mit einem Test auch die Verbindungsqualität überprüfen.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Eine der großen Stärken der Google-Router ist das einfache Setup: Über die Google Home-App ist dieses in wenigen Minuten erledigt. Es werden einfach QR-Codes auf der Unterseite der Geräte gescannt, die Nutzer müssen eigentlich nur WLAN-Name und Passwort auswählen. An diesem Ablauf könnten sich einige andere Hersteller ein Vorbild nehmen. Auch sonst ist die App gut gemacht: Schnell erhält man einen Überblick, ob alles so läuft, wie es sollte, auch welche Geräte verbunden sind oder Speedtests sind schnell verfügbar. Zudem gibt es die Möglichkeit, ein von anderen Geräten isoliertes Gäste-WLAN anzulegen und den Internetzugang für einzelne Geräte auf gewisse Zeiten zu beschränken. Temporäre Sperren können ebenfalls festgelegt werden, etwas, womit Google nicht zuletzt an die Bedürfnisse von Eltern denkt, die ihrem Nachwuchs eine Internetpause verschaffen wollen. Und wer will, kann seinen Gästen den Zugriff auf einzelne lokale Geräte gewähren, etwa wenn sie Musik casten wollen.

Softwarestärken

Umgekehrt ist es möglich, einzelne Geräte temporär zu priorisieren, etwa wenn die Leitung nach außen nicht sonderlich stark ist, man aber einen wichtigen Videoanruf vor sich hat. Oder aber, wenn man Googles Spielestreamingdienst Stadia nutzen will, für diesen gibt es hier ebenfalls spezifische Optimierungen, um die Latenzen möglichst niedrig zu halten. All diese Optionen sind übrigens über die App auch von unterwegs zu erreichen. Eine weitere große Stärke: Updates liefert Google nicht nur laufend, sie werden auch automatisch eingespielt, wenn im Netz gerade nichts los ist. Aus einer Sicherheitsperspektive ein großes Plus, um die Aktualisierung der Software muss man sich hier nie Gedanken machen.

Google tut Google-Dinge

So einfach all das ist, es hat natürlich auch eine Kehrseite, nämlich dass man nicht um einen Google-Account herumkommt. Ein Umstand, der allerdings auch nicht verwundern darf, wenn auf der Verpackung groß Google steht. Ebenfalls schwierig wird es hier für jene, die gerne an jedem einzelnen Parameter eines Routers herumbasteln, solche Einstellungen sucht man beim Nest Wifi vergeblich. Das ist an sich bei der Ausrichtung des Produkts nicht unverständlich. Wirklich ärgerlich ist hingegen, dass man derzeit eigentlich zwei Apps braucht, wenn man alle Möglichkeiten des Nest Wifi nutzen will. Einige fortgeschrittene Einstellungen (etwa für DNS, LAN-Subnetz und UPNP) gibt es nämlich nur in der alten Google-Wifi-App. Auf Nachfrage des STANDARD betont Google zwar, dass man dies ändern will, einen Zeitrahmen nennt man dabei aber nicht.

Die Zugangspunkte symbolisieren über Licht an der Unterseite ihren Status. Die Helligkeit kann dabei frei gewählt werden.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Eins noch zur Google-Assistant-Anbindung, die gibt es nämlich auch umgekehrt: So kann das WLAN nämlich auch in gewissem Maße per Sprache gesteuert werden, etwa um einzelne Geräte zu pausieren. Voraussetzung dafür ist, dass die individuelle Stimmerkennung aktiviert wurde, immerhin will man ja nicht, dass dann der Nachwuchs plötzlich die eigene Internetgeschwindigkeit bestimmt. Auf smarten Displays gibt es zudem die Möglichkeit, einen Speed-Test auszuführen oder auch einen QR-Code für den Zugang ins Gast-WLAN anzuzeigen.

Zukunftsversprechen

Und auch zum Bereich Smart Home gibt es noch eine Ergänzung. Die Nest-Wifi-Geräte beinhalten nämlich sowohl Bluetooth als auch 802.15.4-(Thread)-Support. Die Idee dahinter ist, dass sie so direkt andere smarte Geräte wie Lampen steuern können – und somit auch die damit sonst einhergehenden Hubs überflüssig machen. Das wäre tatsächlich ein echter Fortschritt, derzeit ist das aber nicht viel mehr als Zukunftsmusik. Derzeit gibt es gerade einmal ein paar Philips-Hue-Lampen, die sich so direkt steuern lassen.

Preisfrage

Was kostet das also alles? Ein einzelner Nest-Wifi-Router schlägt mit 159 Euro zu Buche. Ein Zugangspunkt kostet dann 139 Euro, die Kombination aus beiden gibt es um 259 Euro. Es gibt also durchaus günstigere Lösungen anderer Hersteller – etwa von Eero oder Netgear. Umgekehrt gibt es auch leistungsfähigere Router mit WLAN-6-Support, die aber wiederum meist noch teurer sind.

Fazit

Nest Wifi punktet vor allem mit seiner extrem einfachen Einrichtung und der bequemen Nutzung über die App – und vor allem damit, dass man sich im Alltag eigentlich nie über den Router Sorgen machen muss, was leider nicht von vielen Herstellern gesagt werden kann. (Andreas Proschofsky, 5.5.2020)