Im Bundesrat haben SPÖ und FPÖ eine gemeinsame Mehrheit und können Vorhaben der türkis-grünen Regierung verzögern, etwa das Inkrafttreten des Epidemiegesetzes.

Foto: APA/Schlager

Wien – Schon in normalen Zeiten steht der Bundesrat nicht gerade im Rampenlicht des öffentlichen Interesses. Die Corona-Krise, in der alles auf die Regierung starrt, hat die Relevanz der Länderkammer des Parlaments freilich auch nicht erhöht: Seit Mitte März werden Corona-Maßnahmen im Schnellverfahren durchgewinkt. Doch am Montagnachmittag hat der Bundesrat erstmals seit Ausbruch der Coronakrise Gesetze des Nationalrats zurückgewiesen – im Laufe des Montagabends wurden vier Einsprüche durchgesetzt.

Nach dem Plan der Regierung hätten die vergangenen Dienstag im Nationalrat beschlossenen neuen Corona-Gesetze schon ab 1. Mai gelten sollen, jedenfalls aber möglichst rasch. Dafür braucht es allerdings eine Zustimmung des Bundesrats, und dort haben ÖVP und Grüne gemeinsam keine Mehrheit, SPÖ plus FPÖ hingegen schon – die Neos sind übrigens gar nicht vertreten. Bei einer Vorverlegung der Bundesratssitzung noch vor den 1. Mai machten Rot und Blau nicht mit, sie kritisierten die fehlende Begutachtung und warnten vor übertriebener Eile im Gesetzgebungsprozess.

"Uns gibt's noch!"

Bis zum regulären Termin, der für diesen Donnerstag anberaumt war, wollte Türkis-Grün wiederum nicht warten, daher verlangten sie für Montag eine Sondersitzung. FPÖ-Fraktionschefin Monika Mühlwerth warf den Regierungsfraktionen in ihrer Rede denn auch vor, auf die Einbindung des Bundesrates schlicht vergessen zu haben. Und Mühlwerth hatte sogleich eine Botschaft für die Parlamentarierkollegen im Nationalrat parat: "Hallo, uns gibt’s noch!"

Die inhaltlichen Einwände der Opposition gleichen einander in beiden Kammern des Parlaments. Vor allem die Novelle des Epidemiegesetzes ist politisch umstritten, wiewohl sich viele renommierte Verfassungsjuristen positiv zu den neuen Regelungen für Versammlungen und Veranstaltungen geäußert hatten. So wird etwa im Gesetz – nicht zuletzt nach Anregungen der Opposition – dezidiert ausgeschlossen, dass die Teilnahme bei Demos oder Veranstaltungen an die Installation der "Stopp Corona"-App gekoppelt oder von der Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe abhängig gemacht wird.

Verhindern kann der Bundesrat die Gesetze zwar nicht, sehr wohl aber verzögern, indem er ihnen nicht zustimmt. Wie lange? Das hängt davon ab, ob der Bundesrat explizit Einspruch erhebt oder einfach abwartet.

Kooperation durch Einspruch

Paradoxerweise wird die Verzögerung kürzer, umso schneller der Bundesrat ein Veto einlegt. Nach einem Einspruch kann der Nationalrat nämlich auf seinem Gesetz beharren und einen neuen Beschluss fällen, gegen den der Bundesrat dann keinerlei Macht mehr hat. Verzichtet die Länderkammer auf einen Einspruch, kann sie das Inkrafttreten des Gesetzes hingegen um acht Wochen aufschieben – die neuen Corona-Regelungen würden in diesem Fall erst Ende Juni wirksam. Ein aktives Veto des Bundesrats hilft der Regierung also mehr als dessen Passivität.

SPÖ und FPÖ setzten letztlich bei vier Corona-Gesetzen der türkis-grünen Regierung auf die Dialektik der beschleunigten Verzögerung mittels Einsprüchen. Betroffen waren das Freiwilligengesetz, mit der unter anderem 600.000 Euro für freiwilliges Engagement aus Mitteln des Krisenbewältigungsfonds freigesetzt werden. Für SPÖ und FPÖ war zu unklar, wohin das Geld fließen könnte. Auch beeinsprucht wurde das Epidemiegesetz, ein Paket, das Fristen für die Erfüllung der Integrationsvereinbarung ausdehnt und eine Zuweisung von 650 Millionen Euro an den von der Europäischen Investitionsbank errichteten Garantiefonds.

Parlamentsdebatte am Mittwoch

Zugestimmt hat die SPÖ im Bundesrat dann doch dem Gutschein-Modell für abgesagte Sport- und Kulturveranstaltungen. Im Nationalrat war sie noch dagegen.

Nach einer kurzen Sondersitzung für Zuweisungen am Freitag werden die beeinspruchten Gesetze am Mittwoch kommender Woche erneut im Parlament debattiert und dann wohl gegen SPÖ und FPÖ endgültig beschlossen. (Theo Anders, Jan Michael Marchart, 5.5.2020)