Das Überleben der AUA hängt auch an ihrer Rolle als Verteilerin von Passagieren am Flughafen Wien.

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Wien – Die Uhr tickt, eine Entscheidung in den Verhandlungen zwischen AUA-Mutter Lufthansa und deutscher Regierung wird aber trotzdem nicht so bald erwartet. Der Aufsichtsrat der Airline tagte am Montag, die Hauptversammlung am Dienstag. Wohlinformierte gehen davon aus, dass der Rettungsschirm am Donnerstag, spätestens Freitag fix ist und präsentiert wird. Die Airline braucht schließlich eine Lösung für den Gesamtkonzern, also auch für ihre Töchter Austrian, Swiss und Brussels.

Auch österreichische, Schweizer und belgische Töchter der Lufthansa haben ja um Staatsgeld angesucht. Wobei es Swiss ausschließlich um garantierte Kredite (1,2 Milliarden Franken) geht – der Schweizer Staat will dem Vernehmen nach eine Art Wachstumsgarantie herausverhandeln: Baut die Mutter die Hubs in München oder Frankfurt aus, soll Zürich um den gleichen Anteil wachsen, wobei eine Differenz bis zu 15 Prozentpunkte toleriert werde. Zudem hätten die Schweizer gern Lufthansa-Aktien als Kreditbesicherung – aber das scheint nicht sehr realistisch. Bei Lufthansa geht es um ein Hilfspaket von rund zehn Milliarden Euro, die Bundesrepublik soll im Gegenzug mit 25,1 Prozent einsteigen.

Kostenstruktur anpassen

Der Chef der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler, sprach sich am Montag gegen einen Einfluss des Staates auf Unternehmensentscheidungen aus: "Wenn man der Lufthansa eine Chance geben will und da so viel Geld reinsteckt, muss Herrn Spohr auch die Möglichkeit haben, frei zu agieren und die Kostenstruktur anzupassen." Lufthansa werde zukünftig kleiner sein, der Konzernchef müsse Sorge tragen, dass sie auch wieder Geld verdient. "Wenn die Politik sich von vornherein einmischt, wird das nahezu unmöglich."

So weit ist die AUA noch nicht. Der Kreditvertrag zwischen AUA und Banken lag laut Cofag am Wochenende noch nicht vor. Und die Gewerkschaft legt sich quer. Sie sieht das Sparvorhaben des AUA-Vorstands als "Machtspiel", es gehe um Druck auf die Belegschaft. Wie berichtet sieht der neue Businessplan Kosteneinsparungen von 20 Prozent vor, mit der Belegschaftsvertretung ist das aber noch nicht ausverhandelt. Da zu einer Lösung zu kommen ist deshalb so wichtig, weil davon die Fortbestehensprognose abhängt, die ihrerseits auf dem Businessplan fußt, der wirken muss.

Internationale Anbindung

Eins greift also ins andere, was die Sache erschwert. Am 18. Mai muss die AUA das und die Verhandlungen um Staatshilfe unter Dach und Fach haben. An diesem Tag entscheiden die Wirtschaftsprüfer, ob sie der Airline die nötige positive Fortbestandsprognose ausstellen. Es geht um 7000 Arbeitsplätze.

Aber wie wichtig ist die AUA eigentlich für den Standort Österreich und wie wichtig ist das Drehkreuz Wien tatsächlich, dessen Erhalt der Staat zur Bedingung macht für die Geldspritze von 767 Millionen Euro?

"Es geht nicht nur um die AUA, es geht um die internationale Anbindung des Binnenlands Österreichs", sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft Vida, ÖBB-Konzernbetriebsratschef Roman Hebenstreit. Die Luftfahrt sei eine besonders relevante Branche, Österreich müsse sich daher im Rahmen der AUA-Hilfe "maßgeblichen Einfluss" darauf sichern.

Geld und Touristen

Zahlen hat die Wirtschaftskammer Österreich eruiert, die für den Erhalt von Kurz- und Langstrecke plädiert. Demnach trägt die Fluglinie rund 2,7 Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt bei. Touristen und Fluggäste bringen weitere 856 Millionen Euro.

Aus einer Untersuchung des Internationalen Luftverkehrsvereinigung IATA aus dem Vorjahr erschließt sich die Bedeutung Österreichs für den Airlinemarkt; demnach kamen fast 10,4 Millionen Passagiere aus europäischen Ländern und damit rund 83 Prozent aller Flugreisenden, die nach Österreich kamen.

Bei der sogenannten Konnektivität (sie beschreibt die Relation zwischen verfügbaren Sitzplätzen zu den wichtigsten internationalen Destinationen) lag Österreich 2018 nur auf Platz 16; Nummer eins war Großbritannien, Deutschland landete auf dem zweiten Platz. Zwar sei Österreich "relativ gut" verbunden, heißt es in der Untersuchung, das Wachstum zwischen 2013 und 2015 sei aber "schwach". Noch niedriger war es in Ländern wie Polen, Belgien oder Finnland.

Rolle der AUA

Was die Airline-Vereinigung noch errechnet hat: 95.000 Jobs in Österreich hingen direkt oder indirekt an der Branche. Jeder zweite Tourist komme per Flieger nach Österreich, insgesamt geben ausländische Touristen im Jahr 1,5 Mrd. Euro in Österreich aus. Und: Für zumindest 50 Prozent all dessen ist laut Airlinern die AUA verantwortlich, eben in ihrer Funktion als Drehkreuz-Fluglinie.

Ohne diese Hub-Funktion würden zahlreiche der 119 von der AUA angeflogenen Destinationen wohl von anderen Airlines übernommen. Air China würde ihre Frequenz zwischen Peking und Wien oder Schanghai verstärken. Auch Billigflieger könnten mehr fliegen.

Flughafen Wien

Essenziell ist die rot-weiß-rote Heckflosse allerdings für den Flughafen Wien (VIE). Von den 31,7 Millionen Passagieren, die im Vorjahr Wien passiert haben, kamen 17,3 Millionen in Maschinen von Austrian, Eurowings, Lufthansa und Swiss, also 54 Prozent.

Schickte die Lufthansa ihre Tochter Austrian auf Grund, wäre der Flughafen Wien der größte Kollateralschaden. Denn von den 13,7 Millionen AUA-Passagieren nützten 2019 fast die Hälfte das Drehkreuz Wien. Sie stiegen also, aus Ost- und Südosteuropäischen Ländern kommend, in Flieger nach Nordamerika, in den Mittleren Osten oder Fernost um.

Punkt zu Punkt

Wäre der VIE kein Hub mehr, würde ein Teil dieser Fluggäste einen Bogen um Wien machen und Frankfurt, München oder Paris ansteuern. Ein Teil der jetzigen Netzwerkflüge wäre durch Punk-zu-Punkt-Verbindungen nicht ersetzbar, an die vier bis fünf Millionen Umsteigepassagiere gingen wohl dauerhaft verloren, warnt man in VIE-Eigentümerkreisen in Niederösterreich und Wien. Auch Nischendestinationen blieben auf der Strecke.

Als Schwachpunkt des Flughafens in Schwechat sehen Flugbeobachter freilich den – im Vergleich zu Swiss und Lufthansa – relativ niedrigeren Ertrag pro Passagier. Auf das "Premium"-Segment zu fokussieren ist also nicht einfach, denn weder verfügt Österreich über Schweizer Banken noch Pharmariesen noch die dazugehörige Klientel. Für die in Wien ansässigen Osteuropa-Zentralen und das dazugehörige Managementpersonal wäre der Verlust der Ostdrehscheibe samt Direktverbindungen unbestritten ein Verlust. (Renate Graber, Luise Ungerboeck, 4.5.2020)