Die erste Phase sei "ganz hervorragend gelungen", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Dienstag bei einer Pressekonferenz und meinte damit jene der strikten Ausgangsbeschränkungen, der Geschäftsschließungen und des Herunterfahrens der Gastronomie.
Am 14. April habe die erste Etappe der zweiten Phase begonnen, erinnerte der Gesundheitsminister – mit den ersten Lockerungen, sprich den ersten Geschäftsöffnungen. Man wollte jedoch eine "dreifache Sicherheit" implementieren, mit Schutzmaßnahmen bei jedem Schritt der Öffnung. Das habe man mit dem Mindestabstand und dem verpflichtenden Mund-Nasen-Schutz in Supermärkten und Öffis getan. "Weitere Sicherheitsmaßnahmen sind tagtägliche Evaluierungen", sagte Anschober. Es würden jeweils Kapazitätsprognosen für die kommenden acht Tage errechnet. Daran sehe man "sehr präzise, ob sich etwas bewegt". In den laufenden Evaluierungen arbeite man zudem mit der Berechnung von Ansteckungsclustern, wobei die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) beobachte, ob es Häufungen in bestimmten Regionen oder Berufsgruppen gibt. Und auch der R-Faktor werde überwacht, sagte Anschober: "der Faktor, der sich im Alltag schon integriert hat" – also die Zahl, wie viele Personen ein Infizierter ansteckt.
Zwei Wochen verzögert
Mit einer zweiwöchigen Verzögerung könne man in den aktuellen Zahlen die Auswirkungen der gesetzten Maßnahmen erkennen. Man sehe, dass der erste Öffnungsschritt gut funktioniert habe. "Die Situation ist sehr stabil", sagte Anschober.
Der dritte Sicherheitsschritt sei laut Gesundheitsminister das "Containment 2.0". Dieses solle möglichst rasch und konsequent geschehen. So sollen maximal 24 Stunden zwischen dem Auftreten von Symptomen und der Testung vergehen, 24 Stunden bis zum Ergebnis und 24 Stunden, um den Kontaktbereich zu eruieren.
Antikörpertests werden genauer
Es gehe nun auch darum, einen präzisen Testplan für die nächsten Monate aufzustellen. Bei bestimmten Bevölkerungsgruppen solle weiterhin freiwillig getestet werden, "damit wir ein genaueres Bild bekommen". Das funktioniere derzeit noch mittels der PCR-Tests, die eine aktuelle Infektion aufzeigen können.
Denn "die Antikörpertests waren in der Vergangenheit zu ungenau", erklärte die Virologin Monika Redlberger-Fritz. Die Leiterin des Referenzlabors der Med-Uni Wien betonte, dass dadurch eine Validität der Tests nicht gegeben war. Doch: Mittlerweile seien diese genauer. Man könne etwa eine Infektion schwer kranker Personen mit diesen Antikörpertests finden, auch wenn der PCR-Test nicht mehr anschlage. Anders als die PCR-Tests weisen die sogenannten Enzyme-linked Immunosorbent Assays (Elisa) keine Infektion nach, sondern suchen nach Antikörpern im Blut, wie Redlberger-Fritz erklärte. Dazu käme die Testung mittels Neutralisationstests, bei denen das Virus aufs Blut eines Patienten gegeben wird und beobachtet wird, ob Antikörper das Virus bereits "auslöschen" können. Letzteren Test könne man als "Referenzmethode" verwenden: Der Test helfe dabei, den Elisa-Tests mehr Aussagekraft zu verleihen.
In puncto Impfung bremste Redlberger-Fritz etwas: Normalerweise brauche man bis zu zehn Jahre für die Entwicklung einer Impfung, sagte die Virologin. Was aktuell passiere, sei "außerordentlich". Selbst wenn der Impfstoff entwickelt sei, bleibe aber die Frage nach dem breiten Zugang für alle Menschen auf der Welt. Anschober hingegen bezeichnete sich als "Berufsoptimisten" und rechnet mit einer Impfung in den ersten Monaten des kommenden Jahres.
Mehr Eigenverantwortung der Bevölkerung
"Es ist uns gelungen, dass wir nur ganz wenige aktive Fälle in Österreich haben", sagte Redlberger-Fritz. Allerdings: "Wenn wir so leben, wie wir im Februar gelebt haben, sind wir wieder bei einem exponentiellen Wachstum." Daher müsse die gesamte Bevölkerung die Maßnahmen einhalten: "Diese sind Abstand, Mund-Nasen-Schutz und Handhygiene."
Mit den Lockerungen steige auch der Bedarf an Eigenverantwortung in der Bevölkerung, betonte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) – das gelte auch für den privaten Bereich, den die Polizei nicht kontrolliere. Hier sei weiterhin Vorsicht geboten. Kontakt sei zwar möglich, aber unbedingt unter Einhaltung des Abstands. Nehammer empfiehlt, sich eher draußen zu treffen.
Die Anzahl der ausgestellten Organstrafmandate im öffentlichen Raum sinke jedoch, da die Bevölkerung die Regeln schon internalisiert habe. Die Frage der anhaltenden Grenzkontrollen werde stets mit den Nachbarländern abgestimmt, sagte Nehammer, etwaige Aufhebungen in der Zukunft gemeinsam besprochen. Das Heer unterstütze die Polizei bei den Grenzkontrollen und dem Objektschutz in Wien, weil jene Polizeischüler, die kurzfristig aus der Schule geholt wurden, wieder dorthin zurückgehen.
Unterstützung beim Contact-Tracing
Nach wie vor unterstütze die Exekutive hier die Gesundheitsbehörden, beim Contact-Tracing würden die Beamten die Befragungen nach Kontakten in den letzten Tagen am Telefon teils übernehmen. Es gelte, einen "pandemischen Tsunami" zu verhindern, betonte Nehammer.
Dabei sei die Polizei zwar nicht direkt zuständig, aber sie könne Nachforschungen betreiben, erklärte auch Gerhard Lang, geschäftsführender Direktor des Bundeskriminalamts. Sie könne Kontakte zu potenziell weiteren Infizierten nachverfolgen und an die Gesundheitsbehörden weitergeben. Es würden jedoch keine heiklen Daten von der Polizei gespeichert, versicherte Lang.
Sollte eine Positivtestung festgestellt werden, beginnt ein Gespräch mit den Betroffenen – das sei das zentrale Element des Contact-Tracing und soll es auch bleiben. Die App könnte nur eine Ergänzung sein im Sinne eines "digitalen Kontakttagebuchs", sagte Anschober. Die Nutzung werde ausschließlich freiwillig sein.
Im Zuge der Initiative "Gemeinsam sicher" wurde gegen Gewalt in der Privatsphäre vorgegangen, mit Frauenministerium und NGOs. Anders als prognostiziert kam es hier zu keinem Tsunami der Gewalt. Beim Sport im Freien seien viele Fragen offen, hier sollen Konzepte und Infos an die Bevölkerung erarbeitet werden, um sie regelmäßig zu informieren. (Oona Kroisleitner, 5.5.2020)