Leon Zelman wurde als völlig entkräfteter 17-Jähriger vor 75 Jahren, am 6. Mai 1945, von der US Army aus dem Nebenlager Ebensee des KZs Mauthausen befreit. Später machte es sich der 2007 verstorbene Zelman zur Lebensaufgabe, mit dem Jewish Welcome Service andere Überlebende wieder aus dem Exil nach Österreich zu holen (zumindest auf Besuch) und sie irgendwie mit der alten Heimat zu "versöhnen".

Leicht wurde es ihm und den anderen, die Ähnliches versuchten, nie gemacht und wird es weiterhin nicht. In den 1960er-Jahren sprachen Geschworene die ärgsten KZ-Schinder frei. Heute finden sich widerliche Figuren aus dem Umfeld der rechtsextremen Publizistik (Aula), die die freigelassenen KZ-Häftlinge als "Massenmörder" und "Landplage" bezeichneten und – trotz Gerichtsurteils – weiterhin schmähen. Unbedarftes Justizpersonal wollte darin zunächst nichts Verfolgenswertes sehen. Hätte ja stimmen können, das mit der "Landplage".

Von 1938 bis zur endgültigen Befreiung des KZ am 7. Mai 1945 kamen nach Mauthausen 200.000 Gefangene.
Foto: APA/HARALD SCHNEIDER

Inzwischen gibt es Aufklärungsseminare für Justizpersonal. Der Wahnsinn, der die Menschen zu Tätern machte, bleibt schwer begreiflich. In der jetzt erschienenen Geschichte des griechischen Widerstandskämpfers Nikos Mavrakis (Widerstand in Griechenland und Stein, aufgezeichnet von Antonis Spanoudakis, kommentiert und herausgegeben von Robert Streibel, Verlag Bibliothek der Provinz) wird geschildert, wie im Zuchthaus Stein SS und Hitlerjugend (!) noch im allerletzten Moment hunderte politische Häftlinge niedermetzelten. Allerdings: Mavrakis selbst wurde von österreichischen Wachleuten unter einem Leichenhaufen hervorgezogen und versteckt.

Sadismus

Wie kam man überhaupt ins KZ? Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) hat schon im Vorjahr unter dem Titel "dachaureif" eine Aufstellung des ersten "Österreichertransports" in das KZ Dachau am 1. April 1938 herausgegeben. Einige der Kurzbiografien: Dr. Robert Danneberg, prominenter sozialdemokratischer Abgeordneter (hat verhindert, dass die Verfassungsänderung von 1929 komplett autoritär wurde), 1942 in Auschwitz umgekommen. Ludwig Klausner: Schuhwarenhaus Del-Ka, "Schutzhaft-Jude", Mauthausen, Buchenwald, nach Abpressung seines Vermögens Zwangsemigration in die USA. Maximilian Ronge: k. u. k. Offizier, 1934–38 Staatspolizeileiter im Bundeskanzleramt. Bei seiner Verhaftung trat er der Gestapo in Galauniform gegenüber. Er überlebte dank Intervention des deutschen Abwehrchefs Canaris. Ludwig Soswinski: Sozialdemokrat, dann Kommunist, Dachau, Flossenbürg, Dachau, Majdanek, Auschwitz, Mauthausen. Nach 1945 KPÖ-Funktionär, Obmann der Lagergemeinschaft Mauthausen.

Ins KZ Mauthausen kam auch Hermann Lein, mein späterer Lehrer in Deutsch und Geschichte, weil er als 18-Jähriger an der "Rosenkranzdemonstration" vor dem Stephansdom ("Christus ist unser Führer") teilgenommen hatte.

Der Sadismus, der in diesen Lagern herrschte, ist überreich dokumentiert. Es begann schon auf dem Transport: "Eine wahrhaft unvergessliche Fahrt, bei der sich Angehörige der Elite der NSDAP, meist kräftige, junge Burschen, abwechselnd an uns müde prügelten. Viele von uns hatten am Ende dieser ‚Reise‘ so zerschlagene Gesichter, dass sie nicht mehr einem menschlichen Antlitz glichen" (Fritz Bock, späterer ÖVP-Vizekanzler).

In Wirtshäusern kann man heute noch hören, dass man "Mauthausen wieder aufsperren sollte". Es würden sich auch genug finden, die da mitmachen. Solange die demokratische Gesellschaft die notwendige Wachsamkeit und Widerstandskraft aufbringt, wird das nicht passieren. Darauf wird man zu achten haben, auf immer. (Hans Rauscher, 5.5.2020)