Guter Umgang mit der Krise, solides Gesundheitssystem: Der österreichische Pass ist bei den Reichsten der Welt zurzeit sehr beliebt. Gilt er doch als Ticket zu einem sicheren Hafen, falls eine Pandemiewelle anrollt.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Dietmar Rauscher

Viele Superreiche fürchten offenbar eine zweite Welle der Corona-Pandemie und sorgen dafür vor. Um dem damit verbundenen Lockdown zu entkommen, erwerben sie mehrere Staatsbürgerschaften in Ländern der ganzen Welt. Das stellt man bei Henley & Partners fest, einem in London ansässigen Staatsbürgerschaftsmakler. Das Unternehmen ist einer der größten Akteure in diesem fast vier Milliarden Dollar schweren Geschäft, das sich "Identity Management" – vulgo "Passverkauf" – nennt.

Die jüngsten Zahlen des Unternehmens zeigen, dass die Anzahl der Personen, die in den ersten drei Monaten des Jahres 2020 einen formellen Antrag auf eine neue Staatsangehörigkeit gestellt haben, gegenüber dem Vorjahr um 42 Prozent gestiegen ist. Die Zahl der Anfragen ist um 25 Prozent gestiegen.

Staatsbürgerschaft gegen Investition

Stand diese "Investitionsmigration" zunächst vor allem unter dem Gesichtspunkt von Business oder Urlaub, habe sie sich nun zu einer "ganzheitlichen Vision" verlagert, wie Christian Kalin, Vorsitzender des Unternehmens, gegenüber "Robb Report" erklärte. Das heißt: Gesundheit und Sicherheit sind als neue Faktoren hinzugekommen.

Was genau bringt vermögende Privatpersonen dazu, einen "Fluchtplan" zu entwickeln? Laut einem italienischen Multimillionär, der den Umgang seiner Regierung mit der Pandemie kritisiert, war die Entscheidung auf zwei Faktoren zurückzuführen: die unterschiedlichen Leistungen der nationalen Gesundheitsdienste und die Schließung der nationalen Grenzen, die die Familie auseinandergerissen habe. Er wolle, sagte er dem Magazin, einen sicheren Ort haben, wo er und seine Familie kurzfristig hingehen können und wo man im Fall des Falles eine gute medizinische Behandlung erhalte. Das könne nur die Staatsbürgerschaft garantieren, so sein Kalkül. Denn selbst wenn die Grenzen für andere dichtgemacht würden, mit dem richtigen Pass komme man immer noch in das jeweilige Land.

Die begehrtesten "Pandemiepässe"

Zu den beliebtesten, weil sichersten Destinationen zählen Australien, Antigua, St. Kitts und Nevis, Tuvalu, Vanuatu, Österreich, die Schweiz, Portugal, Zypern, Malta und Montenegro. Alle bieten die Staatsangehörigkeit oder den ständigen Wohnsitz als Gegenleistung für eine direkte Spende an die Staatskasse oder für Investitionen in lokale Immobilien oder Unternehmen. Das kann "nur" 100.000 Dollar (rund 92.000 Euro) pro Familienmitglied in der Karibik kosten, in Malta und Zypern ein bis zwei Millionen Euro. In Österreich sind sieben Millionen fällig.

Australien und Österreich sind besonders attraktiv, weil sie nicht nur über hochwertige nationale Gesundheitsdienste verfügen, sondern die Regierung jedes Landes schnell gehandelt hat, um die Ausbreitung des Virus zu begrenzen. Das Vereinigte Königreich, das in den letzten Jahren ein Magnet für die Superreichen war und als Gegenleistung für Investitionen in Höhe von mehreren Millionen Pfund einen Wohnsitz – aber keinen Pass – anbietet, gilt nicht als sicherer Hafen: Man habe zu langsam auf die Bedrohung durch das Virus reagiert, zudem sei das britische Gesundheitssystem marode.

Obwohl das Geld für den Kauf mehrerer Staatsbürgerschaften den Reichen einen Vorteil beim Schutz ihrer Gesundheit und ihres Lebensstils verschafft, weist Christian Kalin darauf hin, dass diese auch Gebühren und Steuern zahlen. Geld, das viele Staaten nun gut gebrauchen könnten, um die Folgen der Krise zu stemmen. Als Beispiel nennt er Antigua: Das Land sei vom Tourismus abhängig, den es momentan de facto nicht gebe, und das wahrscheinlich für längere Zeit. Es brauche also alternative Geldquellen – der Verkauf von Staatsbürgerschaften sei eine. (max, 6.5.2020)