Im Corona-Notquartier in der Wiener Messehalle war es bis vor einer Woche ruhig. Ende April waren dort lediglich sechs Personen in Quarantäne. Seit der Nacht vom 1. auf den 2. Mai erhöhte sich die Zahl deutlich: Nachdem in der Asylunterkunft Haus Erdberg vergangene Woche 15 Bewohner und zwei Betreuer positiv auf das Coronavirus getestet worden waren, entschied Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), alle rund 300 Geflüchteten per Absonderungsbescheid zwei Wochen in Quarantäne zu schicken.

Zuvor noch in ihren Zimmern isoliert, wurden sie Freitagnacht mit Bussen und Polizei-Eskorte in das Quartier verlegt. Seither sind 22 Erkrankte in Halle A untergebracht, rund 260 Verdachts- und Kontaktpersonen gesondert in Halle C, um Ansteckungen zu vermeiden. Familien wurden zur Isolation ins ehemalige Krankenhaus Floridsdorf gebracht. Der Grund: "In der Messe kann die Hygiene bei der Essensversorgung und den Sanitäranlagen auf einem höheren Niveau als in Erdberg gewährleistet werden. Zudem gibt es einen Freibereich", sagt Corina Had, Sprecherin des medizinischen Krisenstabs der Stadt. Auch sei die Ansteckungsgefahr in den Gemeinschaftsküchen und Sanitärräumen in Erdberg zu hoch.

Rund 300 Asylwerber aus dem Haus Erdberg wurden vergangene Woche ins Notquartier in der Wiener Messehalle verlegt.
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In der Messe, die derzeit Kapazitäten für 880 Personen hat, sei es möglich, Distanz zu halten, heißt es vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASBÖ), der die Betreuung vor Ort übernimmt. Die Geflüchteten sehen das laut Berichten von "Kurier" und "Falter" etwas anders: Sie hätten Angst, sich anzustecken, weil der Abstand nicht immer beachtet und manche keinen Mund-Nasen-Schutz tragen würden.

Alle Geflüchteten getestet

Bilder und Videos von der Essensausgabe am Wochenende, die dem STANDARD vorliegen, bestätigen das. Auch ein Foto, das Dienstagabend auf Twitter verbreitet wurde, zeigt eine enge Schlange, als anscheinend alle Isolierten zum Covid-Test antreten mussten. Eigentlich dürften diese Bilder gar nicht nach draußen: Zum Schutz der Privatsphäre hat die Stadt verboten, andere zu fotografieren, zu filmen und das per Social Media zu verbreiten.

Auch ein Arzt, der in der Messehalle tätig ist, kritisierte das "hohe Infektionsrisiko". Es sei davon auszugehen, dass sich in Halle C weitere Infizierte befänden. Ob das tatsächlich so ist, wird sich in den nächsten Tagen herausstellen. Bis Mittwochvormittag wurden laufend alle negativ Getesteten nochmals getestet, man warte auf die Ergebnisse, heißt es vom ASBÖ.

Doch nicht nur das: Laut den Medienberichten kam es am Wochenende zu Missständen bei der Lebensmittelversorgung. So gab es nicht nur zu wenig, sondern es sei unabsichtlich verschimmeltes Brot verteilt worden und gefüllte Tomaten mit Schweinefleisch neben einer fleischlosen Alternative. Ein Irrtum, so der ASBÖ, der "schnell behoben" wurde. Kurzfristig halfen muslimische Abgeordnete von Neos, SPÖ und Grünen sowie ein Moscheeverein bei der Essensversorgung.

Situation habe sich verbessert

Seit dem Wochenende habe sich die Situation "deutlich verbessert, die Zuständigen bemühen sich", sagt Claudia Steinacher, die ehrenamtlich mit Geflüchteten beim Verein You're Welcome arbeitet. Sie kennt acht Asylwerber, die in der Messehalle untergebracht sind. Um lange Schlangen zu verhindern, werde das Essen zu den Schlafkojen gebracht. Auch der Ramadan werde berücksichtigt, und man habe ausreichend Lebensmittel, sagt eine ASBÖ-Sprecherin. Über Lautsprecher werden nun in fünf Sprachen Abstandsregeln vermittelt, man appelliere auch an die Eigenverantwortung.

Dennoch seien die Geflüchteten verunsichert, sagt Steinacher. Es sei nicht ausreichend kommuniziert worden, was mit ihnen passiert. Der Krisenstab betont, dass mit Dolmetschern die Situation erläutert wurde. Anscheinend versuchten manche zu fliehen – was der Krisenstab dementiert –, die Polizei griff ein, um zu deeskalieren.

"Einige haben Flashbacks, sind traumatisiert", sagt Steinacher. Die Situation sei psychisch belastend, manche litten unter Schlaflosigkeit oder den wenigen Rückzugsmöglichkeiten. Das würde die Stimmung beeinflussen. Zwei Sozialarbeiter sind – auch dafür – vor Ort. (Selina Thaler, 6.5.2020)