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Parteichefin Pamela Rendi-Wagner freut sich kurz vor ihrem 49. Geburtstag über das Ergebnis der Mitgliederbefragung

Foto: Reuters/Foeger

Pamela Rendi-Wagner wirkt gelöst, beinahe euphorisch. Immer wieder spricht sie von der Kraft, die das Ergebnis ihr und der Partei verleihe. Eines habe sich nun gezeigt, sagt sie: Der Mut, einen schwierigen Weg nicht zu scheuen, mache sich bezahlt.

Rendi-Wagner meint damit jene Mitgliederbefragung, die viele hohe Parteikollegen verhindern wollten. Eine ganze Liste an inhaltlichen Fragen hatte die SPÖ auf Betreiben ihrer Chefin Anfang März an knapp 158.000 Mitglieder geschickt, doch für Emotionen sorgte allein der vorletzte Punkt: "Soll Pamela Rendi-Wagner Bundesparteivorsitzende bleiben?"

Nun hat sie die Antwort: 41,3 Prozent der Mitglieder haben die Vertrauensfrage beantwortet. Von diesen votierten 71,4 Prozent – das sind 46.579 Stimmen – für den Verbleib der Amtsinhaberin. "Das ist ein Ergebnis, das Rückhalt bedeutet, Stärke bedeutet, Zusammenhalt gibt", jubiliert Rendi-Wagner. "Vertrauen ist eine wichtige Währung in der Politik", sagte Rendi-Wagner am Abend in der "ZiB 2". Angebliche Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses durch Teile der Wahlkommission – vor allem an der Höhe der Wahlbeteiligung – verneinte die SPÖ-Chefin. Alles sei "ganz korrekt" vonstattengegangen, das habe auch der Leiter der Wahlkommission bestätigt.

Wie geht es weiter in der SPÖ? Die Schwerpunkte lägen nun in der Stärkung des Sozialstaates mit Fokus auf Gesundheit und Pflege, Investition in Beschäftigung und Steuergerechtigkeit, sagt ihre Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner im "ZiB 2"-Interview.
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Zahlreiche Reaktionen

Im Anschluss an die am Mittwoch in der 8.000 Quadratmeter großen Marx-Halle in Wien abgehaltene Sitzung, wo die rund 100 Mitglieder des roten Parteivorstands mit gebotenem Sicherheitsabstand das Ergebnis präsentiert bekamen, wollte niemand widersprechen. "Deutlichen Rückenwind" für Rendi-Wagner verspürte Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser angesichts der "für viele unerwartet hohen Beteiligung". Kaiser, eine unumstrittene Autorität in der SPÖ, appellierte daher, "die nervigen und uns selbst fesselnden Führungsdiskussionen unverzüglich einzustellen". Die Corona-Krise mache deutlich, "wie sehr die Bevölkerung die Sozialdemokratie braucht". Das Votum zeige, wie "lebendig, stark und breit aufgestellt die Sozialdemokratie" momentan sei, sagte der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig.

Die Chefs der anderen Landesparteien urteilten mehr oder minder ähnlich, am reserviertesten gaben sich die Burgenländer: Man nehme die Ergebnisse "zur Kenntnis". Der Niederösterreicher Franz Schnabl, im Herbst noch Hauptkritiker der Chefin, spricht hingegen von einem "Neustart". Angesichts des eindeutigen Ergebnisses sei allen "ein Stein vom Herzen gefallen", sagt er, denn eine Personaldiskussion brauche in diesen Zeiten niemand. Auch der Trioler SPÖ-Chef Georg Dornauer, der oftmals mit Kritik gegen sie aufhorchen ließ, beteuerte in der "ZiB"-Nacht, hundertprozentig hinter Rendi-Wagner zu stehen. Sie wurde "für ihren Mut belohnt", so Dornauer. Der Traiskirchner SPÖ-Bürgermeister Andreas Babler hofft auf einen Befreiungsschlag für die Bundesvorsitzende.

Nachdem SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Mittwoch bei der Vertrauensfrage 71,4 Prozent an Zustimmung erhalten hat, sieht der Tiroler SPÖ-Landesparteichef Georg Dornauer die Personaldebatte rund um die SPÖ-Chefin als offenkundig beendet an.
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Hohe Beteiligung trotz Widerstands

Ist das Resultat der Befragung, "die in der Sozialdemokratie niemand wollte" (Burgenlands Landeschef Hans Peter Doskozil am Dienstagabend im ORF-Report), wirklich so viel wert, wie die sozialdemokratischen Wortführer sagen? Der Politologe Peter Filzmaier hält vor allem die 41 Prozent Beteiligung für bemerkenswert. Zwar nahmen bei der deutschen Schwesterpartei SPD schon über 70 Prozent der Mitglieder an Abstimmungen über Koalitionsverträge teil, doch bei der SPÖ lag die bisherige Bestmarke aus dem Votum über das Parteiprogramm von 2018 bei 22 Prozent. Angesichts des Umstandes, dass viele rote Teilorganisationen nicht für die Befragung mobilisieren wollten, sieht Filzmaier darin einen "sehr tauglichen Wert".

Rendi-Wagner freut sich über 71,4 Prozent Zustimmung: "Vertrauen ist die wichtigste Währung in der Politik"
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Weil die 71 Prozent Zustimmung zwar weit unter Rendi-Wagners Werten bei Parteitagen – jeweils über 95 Prozent – liegen, aber kein Argument für eine Revolte seien, hält der Experte die SP-Chefin für "mittelfristig abgesichert" – schließlich dränge sich ja auch keine personelle Alternative auf. In dem Ergebnis eine langfristige Garantie zu sehen halte er aber "für eine zu optimistische Überinterpretation".

An eine lediglich "kurze Verschnaufpause" glaubt der Politikberater Thomas Hofer. Die Umfragewerte sind für die SPÖ und ihre Vorsitzende nicht rosig, gibt er zu bedenken, darüber schwelten in der Partei inhaltliche Konflikte: Dass Doskozil einen solchen just am Tag vor der Bekanntgabe des Befragungsresultats anheize, lasse "tief blicken".

SPÖ-Mitglieder finden Viertagewoche nicht so wichtig

Was Hofer damit meint: Das Ergebnis des Mitgliedervotums über die Zukunft von Rendi-Wagner als SPÖ-Chefin stand noch nicht einmal fest, als der erste Genosse ihren Kurs wieder unterlief – wie schon so oft in ihrer Amtszeit. Hans Peter Doskozil, Landeshauptmann im Burgenland, beklagte am Dienstag im ORF-"Report", dass er "sehr unglücklich" mit der roten Debatte über eine 30-Stunden-Woche sei. Diese hatte Rendi-Wagner erst am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, gefordert. Doskozil will aber lieber über einen Mindestlohn von 1.700 Euro netto sprechen, den er im Burgenland für Landesbedienstete umgesetzt hat. Rendi-Wagner sagte dazu am Abend, es brauche "alle gute Ideen auf dem Tisch", angesichts der Rekordarbeitslosigkeit. Sie freue sich über jeden guten Vorschlag, "Denkverbote werden uns nicht weiterbringen", so die Parteivorsitzende.

Die SPÖ-Mitglieder neigen eher der Doskozil'schen Perspektive zu: Die politische Unterstützung für 1.700 Euro Mindestlohn ist 61,9 Prozent der befragten Mitglieder "sehr wichtig". Die Viertagewoche erreichte hier nur 33,1 Prozent – das ist die einzige Position, bei der mehr Mitglieder "eher wichtig" als "sehr wichtig" ankreuzten. Allerdings zielte die Frage auf eine bessere Verteilung der Arbeitszeit ab, und nicht auf eine Verkürzung.

Mit einer Änderung der Arbeitszeiten – ob nun mittels Viertagewoche oder Sechsstundenarbeitstag – tat sich auch Rendi-Wagner bisher schwer. In einem Video, in dem einige Genossen am 29. April sechs Stunden Arbeit, acht Stunden Schlaf und zehn Stunden Freizeit forderten, fehlte die Parteichefin gänzlich – offenbar deshalb, weil sie nicht im Clip zu sehen sein wollte. Dafür war der Abgeordnete Max Lercher, den so mancher Rote für höhere Weihen vorsieht, mit einem längeren Statement zu sehen. Sogar der EU-Abgeordnete Andreas Schieder kam vor, er galt auch immer wieder als möglicher Rendi-Wagner-Nachfolger.

Nun dürfte mit Doskozils Vorstoß wieder einmal der Druck auf Rendi-Wagner größer werden, was den allgemeinen Kurs der SPÖ anbelangt. Mit dem erfolgreichen Mitgliedervotum hat Rendi-Wagner zwar Zeit gewonnen – was aber weiterhin fehlt, ist eine politische Linie der SPÖ, die auch nach außen hin durchgehalten wird.

Der Steirer für alle Fälle

Wie schwer sich die Roten beim Mindestlohn tun, war schon beim ersten Versuch Rendi-Wagners zu beobachten, als sie versuchte, aus dem Erfolg des burgenländischen Landeshauptmanns Kapital zu schlagen. Vielleicht geht es aber gar nicht darum, wer sich am Ende mit seiner Forderung durchsetzt. Einer, der beides in sich verkörpert, ist der ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher.

Der Steirer lobte den burgenländischen Weg nach der Landtagswahl als "bodenständige, authentische Politik", tritt aber ebenso wie Rendi-Wagner für eine Arbeitszeitverkürzung ein.

Lercher kann sich wie Doskozil einen Mindestlohn von 1.700 Euro netto vorstellen, wie er dem STANDARD sagt, den er notfalls per Gesetz durchsetzen möchte, sollten Firmen und Gewerkschaften das nicht schaffen. Auf Facebook versuchte Lercher die beiden Forderungen "für einen echten Systemwandel" auch zusammenzuführen. So könnten aus seiner Sicht höhere Mindestlöhne gerade jenen helfen, "die es am dringendsten brauchen".

Den SPÖ-Mitgliedern ist aber ohnehin anderes wichtiger: Zu den Themen mit der größten Priorität erkoren jene Genossen, die ihre Fragebögen zurückschickten, die Stärkung der öffentlichen Gesundheitsversorgung, die Sicherung der Pflege sowie eine stärkere Besteuerung von Millionenvermögen und Konzernen.

Noch eine Botschaft hebt Rendi-Wagner hervor. Die Mitglieder wollten, dass die SPÖ intern diskutiere, Positionen aber geschlossen nach außen vertrete. In diesem Sinne gelte es nun, einig darum zu kämpfen, dass die Corona-Krise keine "Pandemie der Armut" werde: "Ab heute wird nur gearbeitet." (jo, nim, jan, fsc, faso, 6.5.2020)