Florian Schneider, Zweiter von links, ist gestorben. Als Gründungsmitglied der deutschen Band Kraftwerk wurde er weltberühmt.

Foto: Imago

Auf die Frage, ob der Funk ein Zufallsprodukt der Musik von Kraftwerk gewesen sei, antwortete Florian Schneider einmal: "Zufälle gibt es bei Kraftwerk keine." Das wird zwar keinem Realitycheck standhalten, doch es verdeutlichte die Haltung der deutschen Gruppe. Kaum eine andere Formation wurde im Lauf der Jahrzehnte so sehr eins mit ihrem Image der perfekten Planer und Durchführer wie Kraftwerk. Nun ist das Gründungsmitglied Florian Schneider gestorben.

1968 tat sich der am 17. April 1947 Geborene mit Ralf Hütter unter der sehr amtsdeutschen Bezeichnung "Organisation zur Verwirklichung gemeinsamer musikalischer Konzepte" zusammen, später wurde die Wurst auf "Organisation" abgekürzt. 1970 entstand ein erstes Album, im selben Jahr zudem das Debüt unter dem neuen Namen Kraftwerk.

Kraftwerk sind die bis heute einflussreichste und wahrscheinlich weltweit bekannteste deutsche Band, die bald ihre Anfänge in der experimentierfreudigen Avantgarde und ihre langhaarigen Zeitgenossen hinter sich ließ und sich ganz der Erzeugung rein elektronischer Musik, Maschinenmusik, verschrieb.

Verschworene Einheit

Damit zählt sie heute zu den Geburtshelfern und Ideengebern von Stilen wie Techno und Synthie-Pop. Kraftwerk wurden für ihren kühlen Funk vom Hip-Hop verehrt und gesampelt in edlen Penthäusern oder in schwulen afroamerikanischen Go-Go-Clubs gespielt. Schneider studierte Musik und Musikwissenschaften und spielte zu Beginn von Kraftwerk noch die quere Flöte. Doch nachdem sie 1974 mit dem Lied Autobahn einen internationalen Hit landeten, verschwanden traditionelle Instrumente für immer.

Anekdotenschleuder

Schneider und Hütter bildeten eine verschworen arbeitende Einheit, die einem bohemienhaften Lebensstil nachging, gleichzeitig mit wissenschaftlicher Akribie ihre Musik an den technischen Fortschritt anpasste. Das Sprachrohr der Gruppe war Hütter, Schneider galt als zurückhaltend, was sich im Gespräch mit ihm gänzlich anders darstellte.

Da sprudelten die Anekdoten wie jene, als er mit Kraftwerk in den 1970ern mit den analogen Synthesizern während der Regenzeit und hundertprozentiger Luftfeuchtigkeit auf einer nicht überdachten Bühne in Indien spielen sollte – das erzählte er durchaus Rock-'n'-Roll-mäßig.

Kühl und ausgeschlafen

Den Kern der uniform und stets sehr beherrscht auftretenden klassischen Besetzung bildeten neben Schneider und Hütter noch Wolfgang Flür und ab 1975 Karl Bartos. Doch Hütter und Schneider gaben die Richtung vor und hielten die vermeintlich gleichberechtigten Mitglieder Flür und Bartos wie bessere Angestellte. Bis vor allem Bartos mehr Mitsprache, Autorenschaft und Rechte für sich reklamierte.

Mit Flür gab es Rechtsstreitigkeiten, da Schneider und Hütter Patente angemeldet hatten, an denen Flür mitgearbeitet hatte. Schneider wirkte nach außen hin als kühler Kraftwerker, die Lider etwas schläfrig – dabei war er eher ausgeschlafen. Er war an vielen der zum Weltkulturerbe zählenden Kraftwerk-Titel beteiligt, an Liedern wie Computerwelt, Die Roboter, Autobahn oder Neonlicht.

Von David Bowie verehrt

Aus Verehrung schrieben Brian Eno und David Bowie 1977 den Song V2 Schneider. 1998 wurde er Professor für Medienkunst und Performance an der staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, Ende der Nullerjahre kam es zum Bruch mit Hütter, der Kraftwerk seit damals mit drei höheren Sachbearbeitern weiterführt. Mit 73 Jahren ist die Menschmaschine Schneider nun an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. (Karl Fluch, 6.5.2020)