Am 31. Dezember wurde der Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Ausbruch einer neuen rätselhaften Infektionskrankheit gemeldet, die zu Lungenentzündungen führt. Seitdem arbeiten Forscher weltweit mit Hochdruck daran, das Virus und seine Ausbreitung besser zu verstehen, und tausende wissenschaftliche Untersuchungen über die verschiedenen Aspekte von Covid-19 sind bis dato publiziert worden. Doch viele Fragen sind nach wie vor offen.

Frage: Woher stammt das neue Coronavirus denn nun wirklich?

Antwort: Was den tierischen Ursprung angeht, ist davon auszugehen, dass es von Fledermäusen stammt und vermutlich über einen Zwischenwirt auf den Menschen übersprang. Örtlich passierte das mit ziemlicher Sicherheit in China. Als erster wichtiger "Umschlagplatz" gilt ein bald danach geschlossener Fisch- beziehungsweise Wildtiermarkt in Wuhan, wo rund zwei Drittel der Covid-19-Patienten gearbeitet hatten, die in China als die ersten Infizierten gelten. Was davor war, ist auch wegen der geringen Kooperationsbereitschaft chinesischer Behörden recht unklar.

Frage: Wann könnte der Ausbruch begonnen haben?

Antwort: Das war wohl schon Wochen vor der ersten Meldung Ende 2019, worauf gleich zwei neue Studien hindeuten. Zum einen berichten französische Mediziner über den Fall eines Patienten, der bereits im Dezember in Paris behandelt wurde und der bereits unter Covid-19 litt, wie sich erst jetzt herausstellte. Auch eine neu veröffentlichte Studie britischer Forscher kommt aufgrund von Genomvergleichen von Viren, die von 7.500 Patienten weltweit stammten, zum Ergebnis, dass die internationale Ausbreitung vermutlich bereits im Dezember 2019 begonnen hatte und nicht erst im Jänner 2020.

Frage: Was steckt hinter der Vermutung, dass Sars-CoV-2 in einem Labor in Wuhan entstanden sein könnte?

Antwort: Wenig. Diese Spekulation wurde zuletzt vor allem von der US-Regierung geschürt. Völlig auszuschließen ist, dass Sars-CoV-2 in einem chinesischen Labor als Biowaffe künstlich hergestellt wurde. Dafür müsste das Virus völlig anders aussehen. Aber auch Spekulationen, dass es versehentlich dem Institut für Virologie in Wuhan entsprungen sein könnte, wo an allen möglichen gefährlichen Viren geforscht wird, haben sich laut jüngsten Berichten internationaler Geheimdienste bisher nicht erhärten lassen.

Frage: Wenn Sars-CoV-2 tierischen Ursprungs ist, wie und wo könnte es dann auf den Menschen übergesprungen sein?

Antwort: Das ist ziemlich unklar – und wird es womöglich bleiben. Als Kandidat gilt nach wie vor das Schuppentier, weil ein Coronavirus des Säugetiers, das in Asien illegal als Delikatesse gehandelt wird, an einer wichtigen Stelle mit Sars-CoV-2 übereinstimmt. Aber der Rest deckt sich nur zu 90 Prozent. Der deutsche Virologe Christian Drosten lenkte kürzlich in einem Interview mit dem "Guardian" den Fokus auf Marderhunde, die in China in großem Maßstab gezüchtet werden. Er vermutet, dass diese Tiere oder Schleichkatzen – wie der Larvenroller, der bei Sars eine Rolle gespielt haben dürfte – Zwischenwirte gewesen sein könnten und dass die Übertragung etwa in einer dieser Marderhundezuchten passiert sein könnte.

Frage: Was macht Sars-CoV-2 für Menschen so bedrohlich – und wie gefährlich ist es wirklich?

Antwort: Dass es neu ist und Menschen deshalb so gut wie keine Immunität dagegen haben. Dazu kommt, dass Sars-CoV-2 leicht übertragen werden kann. Die Mortalitätsrate ist aufgrund der Dunkelziffer der Infizierten nach wie vor nicht ganz klar, dürfte aber bei rund einem Prozent liegen. Laut neuesten Vermutungen könnte sie bei jenen Patienten, bei denen das Virus die Lunge erreicht, zehn Prozent betragen. Doch auch beim konkreten Infektionsgeschehen sind noch längst nicht alle Parameter bekannt, wie "Nature" in einem Überblicksartikel berichtet. Außer Zweifel steht, dass Covid-19 für ältere Personen ab 65 und für solche mit Vorerkrankungen sehr viel gefährlicher ist.

Frage: Wie anfällig sind Kinder für Covid-19, und welche Rolle spielen sie im Infektionsgeschehen?

Antwort: Unbestritten ist, dass die Krankheitsverläufe bei Kindern oft symptomlos und meistens harmloser sind als bei Erwachsenen. In China starb von 2.135 infizierten Kindern und Jugendlichen genau ein einziger Patient, wie eine Studie zeigte. Wie man aus Untersuchungen in Island und in China weiß, dürften sich Kinder zudem deutlich seltener anstecken als Erwachsene. In der wissenschaftlichen Literatur sind laut einer neuen Überblicksstudie auch noch keine Fälle dokumentiert, dass unter zehnjährige Kinder Erwachsene angesteckt hätten. Andererseits kommen deutsche Forscher um Christian Drosten in einer noch nicht peer-reviewten Untersuchung zum Schluss, dass die Zahl der Viren bei erkrankten Kindern und Jugendlichen nicht geringer ist als bei Erwachsenen. Es herrscht also auch in dieser Frage noch einiges Rätselraten, wie ein aktueller Überblick in "Science" zeigt.

Frage: Weiß man, welche Maßnahmen bei der Eindämmung der Pandemie besonders erfolgreich und wirksam waren?

Genau geregelte räumliche Distanz während einer Arbeitspause in einer Fabrik in Wuhan. Ähnliche Maßnahmen werden den Alltag vieler Menschen noch für Monate prägen.
Foto: APA/AFP

Antwort: Leider nicht, wie ein aktueller Überblick im Fachblatt "Nature" zeigt. Der Idealfall, um diese Frage zu ergründen, wäre Hongkong, wo bei 7,5 Millionen Einwohnern nur vier Personen starben. Dort gab es eine Kombination aus Isolierung der Infizierten, Nachverfolgung der Ansteckungen und diversen Maßnahmen der räumlichen Distanzierung wie Schulschließungen. Welche der Maßnahmen wie stark wirkte, konnten bisherige Studien aber auch in anderen Ländern nicht herausfiltern. Offensichtlich ist, dass Maßnahmen umso wirkungsvoller waren, je früher sie einsetzten.

Frage: Wie gut hilft Remdesivir bei einer Covid-19-Erkrankung?

Antwort: Begrenzt, aber es ist bis jetzt der erste zugelassene Wirkstoff, der nachweislich die Genesungszeit verkürzt, nämlich von 15 Tagen auf elf Tage. Der Nutzen des eigentlich gescheiterten Ebola-Medikaments, das verhindert, dass die Viren ihre RNA kopieren, ist damit nicht übertrieben groß. Zudem dürfte er nur am Beginn eines schweren Krankheitsverlaufs wirklich viel bringen. Bislang hat die Firma Gilead 1,5 Millionen Dosen, die für bis zu 200.000 Patienten reichen würden, kostenlos zur Verfügung gestellt. Es ist mithin abzusehen, dass es – so wie damals bei Ebola, gegen das Remdesivir entwickelt wurde – demnächst bessere Behandlungsoptionen geben wird.

Frage: Welche psychischen Nebenwirkungen der Covid-19-Pandemie sind dokumentiert?

Antwort: Für Österreich gibt es diesbezüglich eine erste Studie der Donau-Universität Krems mit einer repräsentativen Stichprobe von 1.009 Menschen. Sie zeigt, dass aufgrund der Covid-19-Pandemie und der Ausgangsbeschränkungen depressive Symptome von etwa vier Prozent auf über 20 Prozent angestiegen sind. Eine deutliche Zunahme gibt es auch bei Angstsymptomen und Schlafstörungen. Besonders betroffen sind Erwachsene unter 35 Jahren, Frauen, Singles und Menschen ohne Arbeit. (Klaus Taschwer, 7.5.2020)