Einst "Guardian"-Chef, jetzt Mitglied des Facebook-Aufsichtsgremiums: Alan Rusbridger.

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Das Oversight Board, ein unabhängiges Aufsichtsgremium mit 40 Mitgliedern, soll künftig über strittige Facebook-Inhalte entscheiden. Unter den ersten 20 Mitgliedern, die bekanntgegeben wurden, findet sich neben Friedensnobelpreisträgerin Tawakkol Karman und Ex-Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt auch der ehemalige "Guardian"-Chef Alan Rusbridger: Das Balancieren von freier Meinungsäußerung mit dem Bedürfnis nach einer besser organisierten Öffentlichkeit sei eine der dringendsten Angelegenheiten, die er sich vorstellen könne, erklärt Rusbridger in einer Stellungnahme zu seinem Engagement.

Die globale Covid-19-Krise veranschauliche die tödlichen Gefahren einer Welt des Informationschaos, schreibt der frühere "Guardian"-Chefredakteur und -Herausgeber. Gesellschaften und Gemeinschaften könnten nicht funktionieren, ohne dass es irgendeinen Konsens über Fakten und Wahrheit gebe. Das Coronavirus sei in mancher Hinsicht lediglich die Generalprobe für die noch größeren Herausforderungen des Klimawandels.

Gleichzeitig gebe es eine Krise der freien Meinungsäußerung und schließlich eine Krise des Journalismus hinsichtlich tragfähiger wirtschaftlicher Modelle und des generell niedrigen Vertrauens, das er genieße. Facebook sitze im Herzen dieser ineinandergreifenden Krisen. Es sei ein Freund jener, die keine Stimme hätten, und gleichzeitig ein Ermöglicher der Finsternis, schreibt Rusbridger, der bereits 2018 beim Journalismusfestival in Perugia erklärt hatte, dass er die Position eines Chefredakteurs von Facebook "lovely" finde.

Von Regierungen getragene Regulative für die freie Meinungsäußerung seien fast immer problematisch. Man müsse zugeben, dass es nicht viele Medienunternehmen gebe, die ein unabhängiges Gremium an Leuten installieren würden, um über signifikante Aspekte ihrer Inhalte zu entscheiden. Und dabei sowohl eine volle Transparenz beim Prozess als auch bei der Implementierung der Regeln versprechen. Es sei vollkommen angemessen, skeptisch zu sein – und gleichzeitig die Hoffnung zu hegen, dass das neue Gremium einen echten Effekt haben könnte.

Ob das mit 130 Millionen Dollar ausgestattete Aufsichtsgremium funktionieren werde, fragt sich Rusbridger am Ende seiner Ausführungen, um zum Schluss zu kommen: "Es gibt, meiner Ansicht nach, keine Entschuldigung, es nicht zu versuchen." (red, 7.5.2020)