Die Sperre zwischen Großgmain und Bayerisch Gmain bei Salzburg wurde von zornigen Anrainern bereits einmal aufgebrochen.

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Es gärt an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich. Hüben wie drüben mehren sich die Stimmen, die "Schluss mit Gitterzäunen und Schlagbäumen im Herzen Europas" fordern, wie es in einer Erklärung von zwölf CDU-Abgeordneten aus Bundestag und Europaparlament heißt. Mitunterzeichner sind der frühere Unions-Fraktionschef im Bundestag, Volker Kauder, und der CDU-Vizefraktionschef Andreas Jung.

Und auch der bayerische Innenminister Joachim Herrman plädiert für eine Rückkehr zum gewohnten "grenzüberschreitenden Alltag mit Österreich und Tschechien". Adressat des Appells ist Herrmanns CSU-Parteifreund Innenminister Horst Seehofer. Dieser hatte die Grenzschließung diese Woche bis 15. Mai verlängert.

Kleine Lockerungen

Auf österreichischer Seite forderte Mitte der Woche der Vorarlberger Wirtschaftslandesrat Marco Tittler (ÖVP) eine rasche Grenzöffnung. Tittler warnte vor aufkeimendem Protektionismus.

Zwar gibt es inzwischen an einigen Brennpunkten gewisse Lockerungen – so können Deutsche wieder in das Vorarlberger Kleinwalsertal einreisen, und Berufspendler dürfen über das Kleine Deutsche Eck zwischen Unken und kleinem Walserberg fahren –, insgesamt sind die Grenzen aber dicht wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr.

"Absurd hohe Strafen"

Selbst kleine Wanderwege sind mit Warntafeln und Absperrbändern zugehängt und werden von hochmotivierten deutschen Grenzpolizisten penibel überwacht. Dem STANDARD wurde gleich von mehreren Betroffenen von "absurd hohen Strafen" berichtet. Wer bei Wanderungen die Grenzbänder ignoriere und von der deutschen Bundespolizei erwischt werde, müsse 250 Euro Strafe zahlen. Die Salzburger Nachrichten berichteten sogar, dass eine junge Frau mit einer Strafe von 1.200 Euro bedroht worden sei.

Dramatisch wirkt sich das rigorose Grenzregime dort aus, wo die Ortschaften diesseits und jenseits der Staatsgrenze längst zusammengewachsen sind. Neben der Flachgauer Stadt Oberndorf und ihrer bayerischen Schwester Laufen, die sich sogar Feuerwehreinsatzpläne teilen, sind das Flachgauer Großgmain und Bayerisch Gmain ein weiterer Brennpunkt.

Grenzgitter aufgebrochen

"Wir leben plötzlich in einer Sackgasse", beschreibt eine Anrainerin beim STANDARD-Lokalaugenschein die Situation. Das Gemeinsame "wie der Arztbesuch diesseits und jenseits der Grenze" sei plötzlich dahin. Zwar gebe es auch immer wieder lustige Begebenheiten wie die Geburtstagsfeier von vier älteren Damen, die sich durch die Sperrgitter zuprosteten, oder die "illegale Übergabe" von bayerischem Bier nach Österreich, insgesamt sei die Lage aber trist. Menschen müssten wie einst die Schmuggler in der Nacht über die grüne Grenze wechseln, um ihre Verwandten zu besuchen.

Letztes Wochenende ist die Stimmung dann offenbar gekippt: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion brachen Unbekannte das Absperrgitter auf und öffneten die ungeliebte Grenze auf eigene Faust. Die deutsche Bundespolizei bemerkte die Zaunlücke erst nach Stunden. Von den Tätern fehlt jede Spur. (Thomas Neuhold, 7.5.2020)