Jarosław Kaczyński bei der Stimmabgabe am Donnerstag.

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Das Tauziehen um die Präsidentschaftswahl in Polen ist seit Donnerstag um eine spektakuläre Volte reicher: Die für diesen Sonntag geplante Wahl soll nun doch nicht stattfinden – aber auch nicht abgesagt werden. Auf diesen Schachzug einigten sich der Chef der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jarosław Kaczyński, und eine Gruppe von Abgeordneten rund um Jarosław Gowin, den Chef der Kleinpartei Porozumienie (Verständigung), die mit der PiS gemeinsam in der Regierungsfraktion sitzt.

Die Führung des Landes hat damit ein juristisches Schlupfloch gefunden, um die Wahl wegen der Corona-Krise doch noch zu verschieben, was laut Verfassung sonst schwierig wäre. Funktionieren soll das so: Wenn der Urnengang formal auf dem politischen Terminplan bleibt, aber in der Praxis nicht durchgeführt wird, dann kann das Oberste Gericht ihn im Nachhinein für ungültig erklären. Auf diese Art will die Regierung erreichen, dass das Votum halbwegs zeitnah – und möglichst als Briefwahl stattfinden kann.

Wenig Wahlkampf

Ein längeres Aufschieben wollte die PiS verhindern. Ihr Kandidat, Amtsinhaber Andrzej Duda, führt in den Umfragen und ist in der weitgehend wahlkampffreien Corona-Zeit der einzige Bewerber, dem eine breite mediale Bühne zur Verfügung steht. Zudem wird erwartet, dass die Beliebtheitswerte der PiS – und damit wohl auch jene Dudas – sinken könnten, sobald die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Krise voll spürbar werden.

Vor diesem Hintergrund war Anfang April im Sejm, dem Unterhaus des Parlaments, ein Gesetz verabschiedet worden, das die Abhaltung der Wahl als reine Briefwahl zum ursprünglichen Termin am 10. Mai ermöglichen sollte. Dagegen regte sich heftiger Widerstand, Teile der Opposition riefen zum Boykott auf. Nachdem der Senat – das Oberhaus, in dem die Opposition die Mehrheit hat – am Dienstagabend sein Veto eingelegt hatte, blieb der Regierung zu wenig Zeit, um dieses im Sejm zu überstimmen und noch für eine zeitgerechte Zustellung der Briefwahlunterlagen zu sorgen.

Der Streit hatte auch Konflikte innerhalb der PiS-Fraktion offengelegt. Nach der Einigung auf den Modus zur Verschiebung stimmte der Sejm am Donnerstag schließlich für das umstrittene Briefwahlgesetz. Eines blieb aber weiterhin unklar: der Wahltermin. (Gerald Schubert, 7.5.2020)